Charttechnisch orientierte Investoren würden vermutlich darauf setzen, dass die Marke von 3 Euro hält. Immerhin hat der Aktienkurs von Delignit an genau dieser Stelle schon mehrfach in den vergangenen 18 Monaten wieder nach oben gedreht. Das macht Mut, denn die Notiz des Herstellers von Laderaumverkleidungen für leichte Nutzfahrzeuge und Kofferraumböden im Pkw-Bereich nähert sich genau dieser Schwelle. Allerdings ist die Kurvendeuterei bei Spezialwerten – und genau das ist bei Delignit mit einem Börsenwert von gerade einmal 26 Mio. Euro – immer so eine Sache. Hinzu kommt, dass sich etwas mehr als 76 Prozent der Delignit-Aktien in den Händen der Berliner Beteiligungsgesellschaft MBB befinden. Bei einem Streubesitz von 23,9 Prozent ist der Börsenhandel vergleichsweise übersichtlich, so dass sich aus dem Chartbild nicht zwingend valide Prognosen herleiten lassen.
Warum stockt die Notiz des Unternehmens aus Blomberg in der Nähe von Detmold seit rund einem Jahr also? Eine Erklärung ist, dass es sich einfach nur um eine ausgeprägte Konsolidierungsphase handelt. Schließlich schoss die Notiz von Anfang 2012 bis Mitte 2014 um mehr als 330 Prozent in die Höhe. In dieser Zeit stieg die Marktkapitalisierung von bescheidenen 8,2 Mio. Euro auf in der Spitze 38,1 Mio. Euro. Hinzu kommt, dass die Zahlen von Delignit erklärungsbedürftiger geworden sind. Mit einem Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) von 3,52 Mio. Euro lag Delignit 2014 nur marginal über dem Vorjahresniveau. Hier hatte sich manch Anleger wohl etwas mehr erwartet. Allerdings war in dem 2013er-Vergleichswert ein bilanzieller Sonderertrag von 763.000 Euro aus den Zukäufen der zwei sächsischen Unternehmen DHK Automotive und der HTZ Holztrocknung enthalten. Zudem stieg die Steuerbelastung nach einer Betriebsprüfung von 470.000 auf 700.000 Euro an. Im Hintergrundgespräch mit boersengefluester.de betont Vorstandschef Markus Büscher zudem, dass in dem Ergebnis bereits signifikante Aufwendungen für Produktenwicklungen enthalten sind: „Wir sind bilanziell sehr konservativ unterwegs.“ Außerdem schulterte Delignit zuletzt die Investition in eine neue Holzpresse sowie ganz aktuell den Kauf einer größeren Gewerbeimmobilie in dem rund 10 Kilometer vom Blomberger Stammwerk entfernten Schieder-Schwalenberg. Kapazitäten sind also vorhanden.
Ein wichtiges Ziel von Delignit in der jüngeren Vergangenheit war es, als Ausstatter von Schienenfahrzeugen stärker Fuß zu fassen. Größter Erfolg: Vor knapp einem Jahr bekam Delignit den Zuschlag für die Ausstattung von 122 Hochgeschwindigkeitszügen des japanischen Zugherstellers Hitachi in Großbritannien mit speziellen Holzbodenplatten. Eingesetzt werden die Schienenfahrzeuge auf zwei Strecken in Großbritannien, die London mit Bristol und London mit Edinburgh verbinden. „Hier sind wir ein Global Player“, sagt Büscher. „Der Bereich Schiene soll eine tragende Säule des Unternehmens werden.“ Angesiedelt sind die Schienenaktivitäten im Bereich „Technological Applications“. Was kaum jemand weiß: Hinter diesem Anglizismus verbergen sich so verschiedene Spezialanwendungen wie Industrieböden, schusssichere Holzplatten, Stimmstöcke für Klaviere, Wandverkleidungen für Opernhäuser, Werkzeuge oder auch Barrenholme in Turnhallen.
Zumindest im ersten Halbjahr 2015 scheinen die Ergebnisse von Delignit allerdings keine ganz große Dynamik zu entfalten. Bis Ende August wird Büscher den Sechs-Monats-Bericht vorlegen. Eine konkrete Prognose für das Gesamtjahr suchen Anleger bislang vergebens. Im Geschäftsbericht 2014 ist lediglich von einem „moderaten Umsatzwachstum” für 2015 zu lesen. In Sachen Ausblick lehnt sich Firmenlenker Büscher höchst ungern aus dem Fenster. Das ist nicht unbedingt verkehrt, zumal er in der Vergangenheit regelmäßig mehr geliefert als versprochen hat. Allerdings erschwert das auch die Erwartungsbildung für den Kapitalmarkt. Für Delignit spricht, dass die Neuzulassungen für leichte Nutzfahrzeuge endlich wieder anziehen. Und getreu dem Motto „Mehr Umsatz pro Fahrzeug” müsste das Unternehmen davon überproportional profitieren. Außerdem gewinnt das Thema Internationalität weiter an Bedeutung. So hat Delignit kürzlich einen mehrjährigen Liefervertrag für die Ausstattung von leichten Nutzfahrzeugen eines ausländischen Nutzfahrzeugherstellers, der in Großbritannien produziert, gewonnen. Namen von Kunden nennt Büscher in der Regel keine. Boersengefluester.de tippt jedoch darauf, dass es sich um dieselbe Firma handelt, für die der ehemalige BVB-Trainer Jürgen Klopp Werbung macht.
Der Vergleich mit anderen börsennotierten Automobilzulieferern ist gar nicht so einfach – weil es an der entsprechenden Peer Group fehlt. Gemessen an der Marktkapitalisierung spielt Delignit noch am ehesten in einer Liga mit dem Abgasspezialisten Twintec. Alle anderen Unternehmen sind wesentlich größer. Losgelöst davon: Bei den gängigen Kennzahlen bewegt sich Delignit meist ungefähr im Schnitt der Gesamtbranche. Das KGV von rund 13 ist zwar etwa niedriger als das Sektor-KGV von 14. Und auch das Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) liegt mit 2,2 klar unter dem Mittelwert von 3,0. Dafür müssen Anleger jedoch eine Dividendenrendite von nur 0,9 Prozent in Kauf nehmen.
Ein professionelles Research von einer Bank gibt es nicht für Delignit. Was also tun? Großaktionär MBB ist für seinen langfristigen Anlagehorizont bekannt und damit bislang sehr gut gefahren. Verkaufsabsichten für die Delignit-Aktie hat MBB-Vorstand Christof Nesemeier – der gleichzeitig auch Aufsichtsratschef von Delignit ist – jedenfalls keine. Das hat Nesemeier uns vor einigen Wochen in Frankfurt nochmals bestätigt. Im Gegenteil: Er traut dem Unternehmen langfristig eine prima Performance zu. Die Gesellschaft ist technisch super aufgestellt, hat hoch interessante Produkte in der Pipeline und sollte vom Trend auf die Schiene überproportional profitieren. Der größte Hebel liegt aber nach wie vor in der Ausstattung von Nutzfahrzeugen mit Laderaumverkleidungen. Eine Illusion hat Büscher dabei allerdings nicht. Zwar setzt Delignit mit seinem laubholzbasierten Produkt einen Ökowerkstoff ein. Entscheidendes Verkaufsargument bei den Kunden bleibt – neben der Qualität – jedoch der Preis. Anleger, die sich hier engagieren wollen, sollten mindestens zwölf bis 18 Monate einplanen. Das aktuelle Niveau von gut 3 Euro könnte dabei eine gute Einstiegsbasis sein. Überhitzt ist dieses Papier jedenfalls nicht.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 52,68 | 60,27 | 64,36 | 58,69 | 68,33 | 75,36 | 86,05 | |
EBITDA1,2 | 4,87 | 5,64 | 4,82 | 5,62 | 5,64 | 6,55 | 7,06 | |
EBITDA-Marge3 | 9,24 | 9,36 | 7,49 | 9,58 | 8,25 | 8,69 | 8,21 | |
EBIT1,4 | 3,13 | 4,02 | 2,33 | 3,03 | 3,32 | 4,14 | 4,72 | |
EBIT-Marge5 | 5,94 | 6,67 | 3,62 | 5,16 | 4,86 | 5,49 | 5,49 | |
Jahresüberschuss1 | 1,93 | 2,57 | 1,40 | 2,08 | 2,34 | 2,77 | 3,24 | |
Netto-Marge6 | 3,66 | 4,26 | 2,18 | 3,54 | 3,43 | 3,68 | 3,77 | |
Cashflow1,7 | 3,39 | -0,25 | 5,86 | 6,26 | -1,07 | 4,28 | 6,77 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,24 | 0,31 | 0,17 | 0,25 | 0,29 | 0,34 | 0,32 | |
Dividende8 | 0,05 | 0,05 | 0,00 | 0,03 | 0,00 | 0,05 | 0,08 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: Nexia |
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