Während die Enthüllungen über Lauschangriffe und Datenspionage weiterhin den politischen Alltag bestimmen, beschäftigen sich die Börsianer längt mit den möglichen Profiteuren der aktuellen Debatte. Schließlich dürfte das Ausmaß des möglichen Datenklaus nun auch bei den Unternehmen für Unruhe sorgen und die Anforderungen an die eigene damit IT neu definiert werden. Einzelne Sicherheitsspezialisten berichten bereits über deutlich zunehmende Anfragen von Firmenseite. Kein Wunder, dass insbesondere die Aktien von IT-Dienstleistern und einzelnen Softwarespezialisten derzeit auf der Watchlist vieler Investoren stehen. Boersengefluester.de stellt ausgesuchte heimische Titel vor.
Als Gewinner des Spionageskandals gilt die Aktie des TecDAX-Konzerns Bechtle. Die Gesellschaft aus Neckarsulm betreibt 65 Systemhäuser in der DACH-Region und zählt damit zu den größeren Anbietern von IT-Produkten und entsprechenden Service-Dienstleistungen. Allerdings verlieft der Jahresstart für Bechtle bislang wenig zufriedenstellend – zumindest was die Ergebnisentwicklung angeht. Immerhin hat Vorstandschef Thomas Olemotz für die kommenden Quartale Besserung angekündigt. Zudem deutete der Manager zuletzt direkt an, von der aktuellen Spionagedebatte zu profitieren. Die Kursziele der meisten Analysten bewegen sich allerdings in unmittelbarer Nähe der aktuellen Notiz. Spekulationen, wonach Bechtle mit einer Übernahme von Cancom liebäugele, wies der Manager allerdings zurück. Zur Einordnung: Bechtle hat zurzeit einen Börsenwert von etwa 793 Mio. Euro. Cancom liegt bei 242 Mio. Euro. Ausgelöst wurden die Gerüchte durch den 10prozentigen Einstieg der Familie Schick bei Cancom. Der Bechtle-Gründer ist gleichzeitig noch mit 35,02 Prozent bei Bechtle engagiert. Dass das Engagement tatsächlich rein privat ist, glauben allerdings die wenigsten Börsianer.
Dabei sieht der Chart von Cancom wie eine Fahnenstange aus. Seit Jahresanfang hat die Aktie um rund 60 Prozent an Wert gewonnen. Seit Anfang 2009 hat sich die Kapitalisierung fast verzehnfacht. Firmenchef Klaus Weinmann nutzt den Hype um Datensicherheit, um die Kursparty anzuheizen. Nach seinen Aussagen profitiert der Konzern von der öffentlichen Diskussion, denn das treibe die Nachfrage nach der hauseigenen Cloud-Lösung noch stärker an. Zudem hat Weinmann gegenüber einer Finanzzeitschrift erklärt, dass sich das Geschäft im zweiten Quartal erfreulich entwickelt habe. „April und Mai waren gute Monate. Im Juni hat sich der positive Trend fortgesetzt.“ Cloud-Dienste brächten derzeit einen Jahresumsatz von 10 Mio. Euro. Der Firmenlenker hat das Geschäft des IT-Systemhauses in den vergangenen Jahren erheblich ausgebaut und die Größenvorteile genutzt, um die Profitabilität deutlich zu verbessern. So kletterte der Umsatz 2012 um 2,5 Prozent auf 558,1 Mio. Euro. Der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen kletterte auf 28,1 Mio. Euro. Die operative Marge erreichte damit fünf Prozent. Im Jahr 2008 waren es lediglich 2,3 Prozent. In drei bis fünf Jahren will Cancom beim Umsatz die Marke von 1 Mrd. Euro knacken. Die Analysten von Hauck & Aufhäuser haben zuletzt das Kursziel von 22,50 auf 29 Euro angehoben. Das Kursziel liegt damit deutlich über dem der anderen Häuser wie der Deutschen Bank oder von Warburg Research. Allianz Global Investors hält mittlerweile mehr als 3,4 Prozent an Cancom. Die nächsten Kursimpulse dürften spätestens die Quartalszahlen am 13. August liefern.
Bestens in die Zeit passt auch die jüngste Übernahme von All For One Steeb. So ist die auf Software für den Mittelstand spezialisierte Gesellschaft mit knapp drei Viertel bei der Webmaxx GmbH eingestiegen. Während sich All For One normalerweise im SAP-Umfeld tummelt, haben sich die Schwaben diesmal einen Spezialisten für Cloudtechnologie von Microsoft und Linux-Datenbank-Servern geschnappt. Dabei geht es unter anderem um den sicheren Umgang mit Firmen-Mails und anderen Dokumentations-Programmen. Offenbar eine sinnvolle Erweiterung für All For One. Nachdem der Aktienkurs seit Jahresanfang wie festgenagelt war, scheint nun der Knoten geplatzt zu sein. Mit 17 Euro bewegt sich das Papier auf einem neuen Mehr-Jahres-Hoch. Zukäufe werden bei All For One Steeb mittlerweile sehr positiv gesehen, weil das Unternehmen als vorbildlich bei der Integration gilt. Im Zuge der zahlreichen Übernahmen hat sich allerdings auch die Kapitalstruktur von All For One deutlich geändert. Statt eines Überschusses an Liquiden Mitteln weist die Gesellschaft mittlerweile Nettofinanzverbindlichkeiten von 18 Mio. Euro auf. Längst vorbei auch die Zeiten, als der Börsenwert geringer war als das Eigenkapital. Mittlerweile kommt der Small Cap auf ein Kurs-Buchwert-Verhältnis von rund zwei. Dennoch halten Analysten den Titel weiterhin für aussichtsreich. Angesichts des anhaltenden Wachstums sieht die Frankfurter BankM den Titel erst bei 18,55 Euro als fair bewertet an und rät weiterhin zum Einstieg.
Eine erste Adresse für den sicheren Umgang mit sensiblen Daten ist Secunet. Bereits seit Mitte Mai schießt die Notiz des IT-Sicherheitsexperten nach oben und notiert mittlerweile auf dem höchsten Stand seit 2001. Der Startpunkt der Kursrally deckt sich genau mit dem Termin der jüngsten Hauptversammlung. Dabei gab es auf dem Aktionärstreffen keine wirklichen Neuheiten zu verkünden. 2012 war für Secunet mit 67 Mio. Euro Umsatz und 3,7 Mio. Euro Gewinn das erfolgreichste Jahr der Firmengeschichte. „Unser Markt wächst kontinuierlich, bei den Zielgruppen sind wir als Partner gefragt: Daher spricht vieles für eine fortgesetzte Expansion“, rief Vorstandschef Rainer Baumgart den Anlegern zu. Als IT-Sicherheitspartner der Bundesrepublik Deutschland arbeiten die Essener an hochsensiblen Projekten. Für öffentliche Einrichtungen aus der ganzen Welt bietet Secunet Verschlüsselungstechniken für streng vertrauliche Daten an. So läuft etwa die elektronische Steuererklärung ELSTER mit Hilfe von Secunet-Technik. Andere Einsatzgebiete sind beispielsweise biometrische Grenzkontrollen. Rund 78 Prozent der Umsätze entfielen zuletzt auf diesen sogenannten Public-Sektor. Die restlichen Erlöse erzielt Secunet mit ganz „normalen“ Unternehmen wie BMW oder Deutsche Post – auch hier geht es um Lösungen im Bereich der IT- oder Produktionssicherheit.
Anlass zu Spekulationen gibt immer wieder die Aktionärsstruktur. 2004 ist Giesecke & Devrient bei Secunet eingestiegen und kontrolliert mittlerweile 78,96 Prozent der Stimmen. Der Streubesitz liegt nach letzten Angaben bei 13,44 Prozent. Wichtig: Für einen anderen Investor als Giesecke & Devrient wäre es vermutlich schwer, sich im größeren Stil bei Secunet einzukaufen. Aufgrund der hochsensiblen Tätigkeitsbereiche können auf Basis des Außenwirtschaftsgesetzes Beschränkungen bei der Übertragung von Secunet-Aktien auferlegt werden. Fundamental ist die Secunet-Aktie bereits recht hoch bewertet. Der Börsenwert von 93 Mio. Euro entspricht dem 1,4fachen des zuletzt erzielten Umsatzes. Das KGV auf Basis der Schätzungen von boersengefluester.de beträgt ambitionierte 23. Zudem müssen Investoren rund das Dreifache des Eigenkapitals für Secunet auf den Tisch legen. Andererseits ist die Gesellschaft nicht bei Banken verschuldet. 20 Prozent der Kapitalisierung sind durch liquide Mittel gedeckt.
Zu den weiteren Profiteuren der Sicherheitsdebatte zählt auch S&T – manchem Anleger vielleicht noch besser unter dem früheren Namen Quanmax bekannt. Die Österreicher waren früher als reiner Verkäufer von Notebooks unterwegs, haben sich aber längst zu einem integrierten Systemhaus für IT-Produkte gewandelt. Ein Fokus liegt auf Osteuropa. Für das laufende Jahr peilt Konzernchef Hannes Niederhauser einen Gewinnanstig um mehr als 25 Prozent auf rund 12 Mio. Euro an. Dem steht ein Börsenwert von knapp 90 Mio. Euro entgegen. Wirklich teuer ist die Aktie also nicht. Dennoch läuft das Papier seit vielen Quartalen bestenfalls seitwärts. Die Gründe für die relative Underperformance sind schwer auszumachen. In der Regel liefert das Unternehmen ganz ordentliche Zahlen. Mitte Mai hat Quanmax relativ zügig eine 15 Mio. Euro umfassende Anleihe mit einem Kupon von 7,25 Prozent platziert. Langfristiges Ziel von S&T ist die Aufnahme in den TecDAX.
Dieser Artikel enthält Passagen von Egmond Haidt, der für die boersengefluester.de-Partnerseite Feingold Research schreibt.
Foto: All For One Steeb AG