Voraussichtlich noch bis zum 10. Dezember 2021 läuft die 4:1-Kapitalerhöhung von Compleo Charging Solutions zu 56 Euro. Mit dem Netto-Emissionserlös von bis zu 50,5 Mio. Euro will der Ladesäulenanbieter in erster Linie den Erwerb von innogy eMobility finanzieren. Die Akquisition ist für die selbst erst seit gut einem Jahr börsennotierte Compleo der bislang größte Wachstumsschritt. Wir haben mit Compleo-CEO Georg Griesemann über die Auswirkungen der innogy-Transaktion im täglichen Geschäft sowie die zu erwartenden Effekte der politischen Neuaufstellung in Deutschland gesprochen. Und natürlich geht es auch um eine Wasserstandsmeldung zur aktuellen Kapitalerhöhung. Dabei zeigt sich Griesemann – trotz der zurzeit nervösen Kapitalmärkte – durchaus zuversichtlich: “Wir erfahren in den Gesprächen, die wir mit Investoren führen, sehr viel positive Rückmeldung für unsere Pläne.”
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Herr Griesemann, Compleo hat seinen Sitz in Dortmund. Ebenso die innogy eMobility Solutions, die Sie zurzeit übernehmen. In der Presse konnte man jüngst über Pläne für einen neuen Compleo Campus in Dortmund lesen. Entsteht in Dortmund gerade das neue Zentrum für E-Ladelösungen in Europa?
Georg Griesemann: Mit dem Kauf von innogy eMobility Solutions gewinnen wir zusätzliches Know-how. Vor allem im Bereich der Software-Services verstärken wir uns deutlich durch das Backend-System von innogy. Zudem erweitern wir mit der Übernahme unseren europäischen Fußabdruck und vergrößern unsere Kundenbasis. Es gilt nun unsere Stärken zu bündeln und Compleo somit als einen der führenden Komplettanbieter für Ladetechnologie in Europa zu positionieren. So dynamisch wie der Markt, verläuft auch die Mitarbeiterzahl bei Compleo: Mit der E.ON-Tochter würde sie auf mehr als 500 steigen. Da wird es räumlich eng. Aktuell müssen wir deshalb auf mehrere Standorte in Dortmund ausweichen. Unsere Vision ist es, mit einem Compleo-Campus ein neues Innovationszentrum zu schaffen, in dem wir unsere Kräfte der verschiedenen Standorte zusammenführen. So soll der Compleo-Campus beispielsweise einer neuen Firmenzentrale sowie unsere gesamten F&E-Aktivitäten den notwendigen Raum bieten. Wir gehen davon aus, dass sich die Pläne hierfür im ersten Quartal 2022 konkretisieren.
Sie sprechen Ihre F&E-Aktivitäten als einen zentralen Baustein für Compleo an. Erst in der vergangenen Woche wurde Compleo mit dem Innovationspreis TOP 100 ausgezeichnet…
Georg Griesemann: Innovation ist unsere Unternehmens-DNA. Die Auszeichnung wird an mittelständische Unternehmen mit besonderer Innovationskraft und überdurchschnittlichen Innovationserfolgen vergeben. Hierfür werden die Kandidaten anhand von mehr als 100 Kriterien bewertet. Wir sind sehr stolz, da mit dem Preis unsere Arbeit als Innovationstreiber der Branche gewürdigt wird. Vor elf Jahren waren wir mit der Idee, Ladestationen für Elektroautos herzustellen, absolute Pioniere. Seither haben wir immer wieder Verbesserungen, Neuheiten und zahlreiche Patente entwickelt. Etwa mit der ersten eichrechtskonformen Schnellladestationen oder als erste Anbieter von Ladestationen mit Ad-hoc-Zahlungen über deutsche Giro-/Debitkarten. Oder auch unsere Solo Premium-Linie, die sogar ISO 15118-ready sein wird und in naher Zukunft Features wie die Installation von Plug&Charge-Funktionen per Softwareupdate ermöglicht. Daran wollen wir auch mit innogy gemeinsam weiter anknüpfen und unsere Erfolgsgeschichte weiterschreiben, denn Innovation ist ein absoluter Wettbewerbsvorteil.
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Für die Solo Wallboxen haben sie in der vergangenen Woche einen LOI – also eine unverbindliche Absichtserklärung – vermeldet. Was steckt dahinter?
Georg Griesemann: Für mich ist der Abschluss des LOI aus mehreren Gründen sehr spannend: Zum einen konnten wir einen führenden Anbieter für innovative Energie- und Speicherlösungen aus Deutschland von unserer Technologie überzeugen. Wir sprechen hier von jährlich 25.000 Solo-Wallboxen ab dem dritten Quartal 2022 für einen Zeitraum von drei Jahren. Das ist ein enormer Vertrauensbeweis in unsere Fähigkeiten. Zum anderen ist vorgesehen, dass die Solo-Wallboxen technisch auf die Anwendungsbedürfnisse im Bereich Photovoltaik- und Stromspeichersysteme für den Heimbereich zugeschnitten werden. Das finde ich enorm spannend, da aus meiner Sicht der Kombination aus Elektromobilität und Erneuerbaren Energien die Zukunft gehört. Diese Kombination ist vor allem auch ein ganz entscheidender Baustein für eine „grüne Zukunft“ in Europa.
Eine „grüne Zukunft“ für Deutschland wird auch für die neue Regierung ein ganz zentrales Thema sein. Sehen Sie Compleo als Profiteur des Koalitionsvertrags?
Georg Griesemann: Der Koalitionsvertrag ist ein sehr gutes Signal für den weiteren Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge. Die Ampel-Koalition plant bis zum Jahre 2030 die Anzahl der Elektroautos in Deutschland auf eine Gesamtzahl von 15 Millionen anzuheben. Dies sind noch 5 Millionen mehr als die von der jetzigen Bundesregierung vorgegebenen Zielmarke. Derzeit befinden sich lediglich circa eine halbe Million E-Fahrzeuge auf deutschen Straßen. Dementsprechend soll auch die Anzahl der öffentlichen Ladepunkte deutlich ausgebaut werden, und zwar von ca. 48.000 auf 1 Million im Jahre 2030 – dies entspricht einem jährlichen Zuwachs von mehr als 40 Prozent. Gleichzeitig sieht die neue Bundesregierung weiterhin die Elektromobilität als eine Schlüsselindustrie, möchte die Wertschöpfung in Deutschland halten und gezielt diese Industrie fördern. Das finden wir eine großartige Entwicklung und einen wichtigen Schritt in Richtung klimaneutrale Zukunft, von der auch Compleo profitiert.
Aktuell läuft noch die Bezugsrechtskapitalerhöhung. Können Sie schon etwas verraten wie es läuft?
Georg Griesemann: Wir erfahren in den Gesprächen, die wir mit Investoren führen, sehr viel positive Rückmeldung für unsere Pläne. Die Übernahme von innogy eMobility Solutions ist der nächste konsequente Schritt in der Evolution von Compleo. Ich bin sehr zuversichtlich, dass auch der Kapitalmarkt die Vorteile dieses Deals sieht und uns durch die Kapitalerhöhung in unserem Vorhaben unterstützt.
Georg Griesemann ist seit 2019 Co-CEO von Compleo Charging Solutions. Langjährige Börsianer werden den studierten Diplomkaufmann vermutlich noch aus seiner Zeit (2012 bis 2014) als Finanzvorstand des heutigen MDAX-Konzerns TAG Immobilien kennen. Dazwischen war Griesemann bei diversen Unternehmen in leitender Position tätig – etwa bei dem Modehändler Schustermann & Borenstein oder der Acrest Property Group. Begonnen hat er seine Karriere 2000 als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer bei KPMG. Bei der in Dortmund ansässigen Compleo arbeitet er im Vorstandsteam mit Checrallah Kachouh (Co-CEO), Peter Gabriel (CFO) und Jens Stolze (COO). Zum 1. Januar 2022 übernimmt Georg Griesemann die Rolle des Vorstandsvorsitzenden (CEO) für die gesamte Gruppe und verantwortet unter anderem den europäischen Vertrieb.
Fotos: Clipdealer, Compleo Charging Solutions AG