„An kurze Mitgliedschaften sind wir gewöhnt“, sagt Ben Bos, Vorstand des Streaminganbieters Cliq Digital auf einem Online-Round Table zur Veröffentlichung des Geschäftsberichts 2021. Das ist an sich noch keine fürchterlich überraschende Botschaft, denn schon allein mit Blick auf den Programmkatalog aus Filmen, Spielen, Musik, Sport und Hörbüchern ist klar, dass es Cliq nicht mit Platzhirschen wie Netflix, Spotify oder Sky aufnehmen kann – und will. Bei dem Scale gelisteten Unternehmen geht es eher um erschwingliche Inhalte – zunehmend auch im Bundle platziert. Da sind die Absprungraten der Kunden sehr viel höher. Wie flüchtig das Geschäft von Cliq Digital aber tatsächlich ist, darüber konnten Investoren bislang allerdings nur spekulieren.
Und die Diskussionen vollziehen sich in einem weit überdurchschnittlichen Maß, wie schon allein die enorme Resonanz auf unseren jüngsten Artikel vom Dezember 2021 (HIER) zeigte. Kein Wunder daher, dass die Cliq-Aktie im vergangenen Jahr der meistgehandelte Titel überhaupt innerhalb des Frankfurter Scale-Segments war. Freilich hat auch das Management von Cliq Digital erkannt, dass mit zunehmender Größe und wachsendem operativen Erfolg auch die Transparenzanforderungen der Investoren steigen. Und tatsächlich hat die Gesellschaft nun erstmals einen etwas detaillierteren Einblick in die Kundendaten gewährt – und das obwohl der Umfang des Geschäftsberichts gegenüber dem Vorjahr um 4 auf 65 Seiten abgenommen hat.
Demnach weist Cliq Digital für 2021 einen Anstieg der Abonnenten-Zahlen – das Unternehmen selbst spricht in diesem Zusammenhang von Mitgliedern – von 0,9 auf 1,3 Millionen aus. Im Schnitt dauert die Mitgliedschaft dabei rund sieben Monate, wie Ben Bos auf dem Round Table verrät. Immerhin: Durch die Aufwertung des Medienangebots und die Forcierung von Bundles, verlängert sich die Mitgliedsdauer allmählich. Gleichwohl bleibt es ein zäher Prozess. „Wir sprechen hier eher von mehr Wochen als von mehr Monaten“, sagt Bos. Entsprechend lässt sich kaum valide vorhersagen, wie viele der jetzigen Kunden auch Ende 2022 noch bei Cliq Digital aktiv sind. Gleichwohl rechnet der Vorstand grundsätzlich mit einem weiteren kräftigen Anstieg der Mitgliedszahlen auf dann 1,7 bis 1,8 Millionen. Beachtlich: Rund die Hälfte der 2021er-Konzernerlöse von 149,98 Mio. Euro entfallen auf Nordamerika, wo die Gesellschaft etwa mit Spezialseiten wie dem Horrorfilmportal scream-stream.com unterwegs ist. Innerhalb Europas sind Frankreich, Belgien, Italien, Spanien und Irland die Top-Regionen. So gesehen hat Deutschland Nachholpotenzial.
Wichtig zu wissen: Bislang werden die Kunden überwiegend noch über monothematische Portale angesprochen – die Marke Cliq ist kaum bekannt. So nennt Bos neben scream-stream etwa das Filmportal Vimovigo, die Musikplattform Moodplay, die Spieleseiten Wizzgames und Blacknut oder auch die Hörbuchplattform Hörbie als Konsumer-Beispiele aus dem Cliq-Universum. Doch von dieser Strategie will sich das Unternehmen offenbar zumindest ein Stück entfernen. Testmarkt dafür ist Deutschland, wo ab dem zweiten Quartal 2022 die Marke Cliq als Multi-Content-Seite beworben werden soll. Darauf deutet auch die derzeit im Aufbau befindliche Domain cliq.de hin. Die mittelfristigen Ziele sind überaus ambitioniert: Bis Ende 2025 will Cliq Digital auf Konzernebene in Umsatzregionen um 500 Mio. Euro vorstoßen und die Kundenzahl auf 4 bis 5 Millionen hieven. Demnach müsste die Gruppe der zahlenden Mitglieder in den Jahren 2023 und 2024 um jeweils mindestens 1 Million wachsen.
Um das zu erreichen, braucht es freilich erhebliche Summen für das Marketing plus vermutlich auch weitere Akquisitionen von Spezialseiten. Bilanziell lässt sich das für die mittlerweile Netto-Cash-positive Cliq-Gruppe mit Hauptsitz in Düsseldorf vermutlich gut stemmen. Es bleibt die Frage für boersengefluester.de, welche zusätzlichen Ausgaben für mehr Content damit verbunden sind. Genau hier sehen wir nämlich weiter den größten Schwachpunkt der aus der früheren Bob Mobile hervorgegangenen Gesellschaft. „Wir haben einen lange Weg hinter uns, aber die eigentliche Reise hat gerade erst begonnen“, sagt Vorstand Ben Bos beinahe schon philosophisch.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 70,53 | 58,21 | 63,14 | 106,95 | 149,98 | 212,00 | 326,36 | |
EBITDA1,2 | 26,15 | 3,86 | 5,75 | 15,95 | 27,19 | 34,00 | 50,33 | |
EBITDA-Marge3 | 37,08 | 6,63 | 9,11 | 14,91 | 18,13 | 16,04 | 15,42 | |
EBIT1,4 | 5,17 | 2,98 | 4,77 | 15,21 | 26,28 | 31,40 | 45,86 | |
EBIT-Marge5 | 7,33 | 5,12 | 7,56 | 14,22 | 17,52 | 14,81 | 14,05 | |
Jahresüberschuss1 | 3,37 | 2,99 | 3,89 | 10,43 | 18,23 | 18,90 | 31,84 | |
Netto-Marge6 | 4,78 | 5,14 | 6,16 | 9,75 | 12,16 | 8,92 | 9,76 | |
Cashflow1,7 | 25,23 | 3,85 | 3,84 | 17,64 | 20,77 | 22,00 | 30,39 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,52 | 0,34 | 0,35 | 1,16 | 2,71 | 4,45 | 4,82 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,28 | 0,46 | 1,10 | 1,79 | 0,04 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: Forvis Mazars |
Schon jetzt kann die Aktie der derweil in einer Disziplin punkten, in der man sie vermutlich gar nicht auf dem Zettel hat: Angesichts der auf 1,10 Euro kräftig heraufgesetzten Dividende zur Hauptversammlung am 14. April 2022, kommt der Anteilschein beim aktuellen Kurs von knapp 20 Euro nämlich auf ein Rendite von 5,5 Prozent. Das EBITDA-Ziel (Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) für 2022 liegt bei mehr als 33 Mio. Euro. Auch das eine beachtliche Vorgabe, denn damit würde Cliq Digital derzeit mit weniger als dem Vierfachen des EBITDA an der Börse gehandelt. Entsprechend üppig sind auch die Kursziele der Analysten, die unisono bei mehr als 60 Euro liegen. „Die Erfolgsgeschichte geht weiter”, sagt Bos mit Blick auf das laufende Jahr. “Wir entwicklen uns weiter und verbessern uns.” Und in der Tat sieht boersengefluester.de viele Punkte, die sich in Sachen Transparenz zum Vorteil entwicklen haben. Trotzdem handelt es sich weiter um ein sehr spekulatives Investment.
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