Der Blick auf den Chart lässt eigentlich nur einen Schluss zu: Seit dem offiziellen Delisting im Sommer 2017 ist die Aktie von Clere mehr oder weniger bewegungslos. Normalerweise müsste ein derart erratischer Kursverlauf – gehandelt wird die ehemalige Balda-Aktie weiterhin im Hamburger Freiverkehr – die Anleger mürbe machen. Doch das Gegenteil ist offenbar der Fall. Jedenfalls hat boersengefluester.de den Eindruck, dass die verbliebenen Investoren hellwach sind und weiterhin ihre Chance wittern. Jedenfalls gibt es nur wenige Veröffentlichungstermine von Geschäftsberichten, auf die wir so viele Hinweise von unseren Lesern bekommen wie auf den von Clere. Dabei wäre das Feedback (Vielen Dank dafür!) eigentlich gar nicht nötig gewesen, denn auch wir durchforsten regelmäßig die Investor Relations-Seiten von Nachzüglern nach mittlerweile live gestellten Jahresberichten. Dabei hat sich die auf Beteiligungen im Bereich alternative Energien spezialisierte Clere für ihren Konzernabschluss ein hübsches Versteck ausgesucht – und zwar im Bereich der korrespondierenden Unterlagen zur Hauptversammlung 2019.
Und auf den ersten Blick erwarten den Anleger auch Zahlen, die man nicht unbedingt ins Schaufenster stellt. Bei Erlösen von 15,95 Mio. Euro fiel unterm Strich nämlich ein Fehlbetrag von 3,17 Mio. Euro an. Zum Vergleich: Avisiert hatte das Management ein positive Ergebnis im einstelligen Millionenbereich. Der „Übeltäter“ ist jedoch schnell ausgemacht – und zwar in Form von massiv in die Höhe geschnellten Zinsen und ähnlichen Aufwendungen von fast 7,47 Mio. Euro (Vorjahr: 215.000 Euro) – vorwiegend aus der Finanzierung von Photovoltaikanlagen. Im Grunde ein normaler Vorgang, wenn der Posten nicht auch stattliche 5,67 Mio. Euro aus der vorzeitigen Ablösung von Finanzierungen (SWAP-Geschäften) in Spanien enthalten würde. Bereinigt um diesen Sondereffekte wären die Zahlen von Clere nicht nur deutlich schwarz gewesen, sondern hätten wohl auch die eigenen Prognosen eher im oberen Bereich getroffen.
Offenbar funktioniert das grundsätzliche Geschäftsmodell also. Das ist eine wichtige Botschaft, immerhin ist das ehemals im Bereich Spezialplastik tätige Unternehmen ein Quereinsteiger. Daher haben die Berliner auch ihren Prognoseteil für 2019 (bis auf ein Wort) 1:1 aus dem Geschäftsbericht des Vorjahrs übernommen. Konkret heißt es: „Die Erträge aus diesem Neugeschäft werden deutlich ansteigen und im CLERE-Konzern im Geschäftsjahr 2019 zu einem positiven Ergebnis im einstelligen Millionenbereich vor und auch nach Steuern führen.“ Bemerkenswert ist aber noch ein anderer Passus aus dem aktuellen Geschäftsbericht: Demnach hat Clere nach dem Bilanzstichtag diverse Windparks in Italien mit einer Leistung von kumuliert 28 MWp – zu freilich sehr unterschiedlichen Preisen – für insgesamt rund 20 Mio. Euro erworben. Insgesamt betreibt Clere damit nun Solaranlagen mit einer Nominalleistung von 113 MWp.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 2,74 | 15,95 | 31,55 | 37,74 | 41,04 | 48,92 | 49,47 | |
EBITDA1,2 | -3,45 | 9,71 | 23,96 | 29,97 | 27,77 | 32,23 | 31,46 | |
EBITDA-Marge3 | -125,91 | 60,88 | 75,94 | 79,41 | 67,67 | 65,88 | 63,59 | |
EBIT1,4 | -4,62 | 3,75 | 11,12 | 14,33 | 10,69 | 13,15 | 12,12 | |
EBIT-Marge5 | -168,61 | 23,51 | 35,25 | 37,97 | 26,05 | 26,88 | 24,50 | |
Jahresüberschuss1 | -2,94 | -3,17 | 2,50 | 5,01 | -0,67 | 4,23 | 2,82 | |
Netto-Marge6 | -107,30 | -19,87 | 7,92 | 13,28 | -1,63 | 8,65 | 5,70 | |
Cashflow1,7 | -0,26 | -1,62 | 8,67 | 23,02 | 22,18 | 34,28 | 29,83 | |
Ergebnis je Aktie8 | -0,50 | -0,54 | 0,32 | 0,64 | -0,09 | 0,54 | 0,36 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,20 | 0,20 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: PKF Fasselt Schlage |
Regelmäßige Leser von boersengefluester.de wissen, dass wir uns bei der Bewertung von Wind- und Solarparkbetreibern gern an der von 7C Solarparcen-Vorstand Steven De Proost auf Kapitalmarktkonferenzen stets vorgebrachten Faustformel orientieren, wonach jedes Megawatt Leistung für rund 1 Mio. Euro Börsenwert steht. Bei 7C kommt das auch ganz gut hin: Eine Leistung von zuletzt 171 MWp korrespondiert mit einem einen Börsenwert von aktuell 178 Mio. Euro. Im Umkehrschluss müsste Clere eigentlich für eine Marktkapitalisierung von rund 115 Mio. Euro stehen. Tatsächlich kommt die Gesellschaft aber nur auf einen Börsenwert von etwas mehr als 67 Mio. Euro – wird nach dieser Rechnung also mit einem Discount von 40 Prozent gehandelt. Das erscheint uns dann doch ein wenig üppig, auch wenn die Solarparks von 7C ausschließlich im regulatorisch verlässlichen Deutschland stehen und nicht wie bei Clere verteilt auf Deutschland, Italien, Spanien, Großbritannien sowie Japan. Letztlich bewegt sich aber auch Clere ausschließlich in stabilen Märkten. Im Grunde sind wir sogar überrascht, wie schnell Clere ein doch recht ansehnliches Photovoltaik-Portfolio aufgebaut hat.
Aber klar: Das offizielle Delisting ist nicht gerade eine Einladung für Bewertungsboni. Dennoch halten wir die jetzigen Kurse für spürbar zu niedrig. Für erfahrene Spezialwertekenner mit ausreichend langem Anlagehorizont ist Clere demnach eine prima Chance. Der wenig spektakuläre ist Chart zeigt jedenfalls ein unzureichendes Bild von der guten operativen Entwicklung des Unternehmens. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang übrigens auch eine andere Sache: Die Großaktionär Thomas van Aubel zurechenbare Elector GmbH hat ihren Aktienbestand im vergangenen Geschäftsjahr um 1,5 Prozentpunkte – entsprechend rund 88.000 Aktien – auf 57,5 Prozent ausgebaut. Kein schlechtes Signal für Privatanleger.
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