Eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Da es aber auch andere Beispiele wie Centrotec gibt, ist boersengefluester.de beinahe schon froh, dass Clere – trotz des bereits vor fünf Jahren erfolgten Delistings – seine Geschäftsberichte weiter regelmäßig auf der eigenen Homepage veröffentlicht. So haben Anleger bei dem im Hamburger Freiverkehr gehandelten Betreiber von Solaranlagen zumindest ein gewisses Maß an Transparenz. Das sahnige Geheimnis von Clere – die Gesellschaft ist hervorgegangen aus dem früheren SDAX-Unternehmen Balda – bleibt es aber trotzdem, warum die Jahresabschlüsse regelmäßig erst im Juli veröffentlicht werden, obwohl wesentliche Informationen wie der Bericht von Aufsichtsrat und Großaktionär Thomas van Aubel, das Testat von Prüfer PKF Fasselt Schlage oder auch die Versicherung zur Rechtmäßigkeit des Abschlusses von Vorstand Thomas Krupke allesamt auf Ende April oder Mitte Mai datiert sind.
Auffällig auch, dass der Ukraine-Krieg nur an einer Stelle im Wirtschaftsbericht auftaucht und Clere sich ansonsten eher um gestörte Lieferketten sowie Engpässe bei der Polysiliziumproduktion aufgrund der Corona-Pnademie sorgt. Das aber nur am Rande. Eigentlicher Knackpunkt ist, dass wohl nicht nur wir uns von dem Zahlenwerk für das abgelaufene Jahr sehr viel mehr erwartet haben als einen Fehlbetrag von 674.000 Euro – nachdem im Vorjahr unterm Strich noch ein Überschuss von 5,00 Mio. Euro stand. Dabei bewegen sich die um knapp neun Prozent auf 41,04 Mio. Euro verbesserten Erlöse noch einigermaßen im Rahmen unserer Schätzungen. Als Begründung für den Verlust nennen die Berliner insbesondere Aufwendungen im Rahmen der Refinanzierung in Italien (1,27 Mio. Euro) sowie Effekte aus der Betriebsprüfung bei der Clere AG. Zudem weist die Gesellschaft darauf hin, dass das 2020er-Vergleichsergebnis durch einmalige Sondererträge positiv beeinflusst wurde – die Messlatte also besonders hoch lag.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 2,74 | 15,95 | 31,55 | 37,74 | 41,04 | 48,92 | 49,47 | |
EBITDA1,2 | -3,45 | 9,71 | 23,96 | 29,97 | 27,77 | 32,23 | 31,46 | |
EBITDA-Marge3 | -125,91 | 60,88 | 75,94 | 79,41 | 67,67 | 65,88 | 63,59 | |
EBIT1,4 | -4,62 | 3,75 | 11,12 | 14,33 | 10,69 | 13,15 | 12,12 | |
EBIT-Marge5 | -168,61 | 23,51 | 35,25 | 37,97 | 26,05 | 26,88 | 24,50 | |
Jahresüberschuss1 | -2,94 | -3,17 | 2,50 | 5,01 | -0,67 | 4,23 | 2,82 | |
Netto-Marge6 | -107,30 | -19,87 | 7,92 | 13,28 | -1,63 | 8,65 | 5,70 | |
Cashflow1,7 | -0,26 | -1,62 | 8,67 | 23,02 | 22,18 | 34,28 | 29,83 | |
Ergebnis je Aktie8 | -0,50 | -0,54 | 0,32 | 0,64 | -0,09 | 0,54 | 0,36 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,20 | 0,20 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: PKF Fasselt Schlage |
Tatsächlich drückt der Saldo aus sonstigen betrieblichen Erträgen und Aufwendungen für 2021 mit 8,7 Mio. Euro aufs Kontor, während es 2020 „nur“ knapp 4,3 Mio. Euro an sonstigen Netto-Belastungen waren. Bezogen auf das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) sieht der Abschluss für 2021 mit 29,97 Mio. Euro (Vorjahr: 27,77 Mio. Euro) schon weniger abschreckend aus. Fakt bleibt trotzdem, dass Clere es nicht geschafft hat, seine ursprünglichen Wachstumsziele umzusetzen. „Die für das Geschäftsjahr 2021 geplanten Akquisitionen von Solaranlagen im zweistelligen Euro-Millionenbereich konnten nur teilweise umgesetzt werden“, räumt die Gesellschaft ein. Per Ende Dezember 2021 verfügt Clere über Solaranlagen mit einer Leistung von 164 MW – bei einem Börsenwert von zurzeit 126 Mio. Euro. Jedes MW Leistung wird am Kapitalmarkt also mit knapp 770.000 Euro bewertet. Zum Vergleich: Bei der mehr als doppelt so großen 7C Solarparken beträgt das Multiple rund 1,1 Mio. Euro. Aufwärtspotenzial ist also vorhanden.
Allerdings ist Clere deutlich kleiner, hat seine Ziele zuletzt verfehlt, zahlt keine Dividende und ist eben auch offiziell delistet. Alles Aspekte, die negativ in die Bewertung mit einfließen. Schwer einzuschätzen ist, wie sich die Geschäfte im laufenden Jahr entwickeln werden. Bei der offiziellen Prognose zeigt sich die Gesellschaft nämlich einsilbig. „Die Erträge aus dem Neugeschäft werden weiterhin ansteigen und im Clere-Konzern im Geschäftsjahr 2022 zu einem positiven Ergebnis im mittleren einstelligen Millionenbereich vor und nach Steuern führen“ heißt es im jetzt vorgelegten Geschäftsbericht 2021. Das ist Stehsatz, denn die identische Formulierung – bis auf die jeweilige Jahreszahl – findet sich bereits in den Geschäftsberichten für 2017, 2018, 2019 und 2020. Tatsächlich aber schwankten die Ergebnisse in dieser Zeit aber doch ziemlich kräftig. Auch das ein Malus für die Bewertung. Insgesamt scheint uns der Spezialwert auf dem aktuellen Niveau jedoch haltenswert zu sein.
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