Wie unglücklich aber auch. Als wir vor wenigen Wochen den Vorstand von Pacifico Renewables Yield für ein Interview auf boersengefluester.de hatten („Langfristig wollen wir einen Dividendentitel entwickeln”), haben wir die entscheidende Frage nicht gestellt: Und zwar die, ob die schon vor mehr als einem Jahr aufgekommenen Spekulationen um einen Schulterschluss mit dem auf erneuerbare Energien spezialisierten Stromproduzenten Clearvise eigentlich noch aktuell sind. Tatsächlich muss dieses Projekt zu der Zeit hinter den Kulissen nämlich höchste Priorität gehabt haben. Mitte Juli 2022 gingen beide Unternehmen jedenfalls an die Öffentlichkeit und stellten ihre Pläne für die zweistufige Transaktion vor. Vereinfacht ausgedrückt reicht Pacifico Renewables Yield sein bestehendes europäisches Portfolio an Wind- und Solarparks an die in Wiesbaden ansässige Clearvise – früher ABO Invest – weiter und bekommt dafür Bargeld sowie neu ausgegebene Clearvise-Aktien.
Vorgeschaltet ist eine nicht minder wichtige Arrondierung auf Aktionärsseite: Demnach übernimmt Pacifico die von dem Investmentvehikel Pelion Green Future der beiden Unternehmer Alexander Samwer und Jeremias Heinrich gehaltenen 21,9 Prozent der Clearvise-Aktien. In absoluten Zahlen sind das 13.897.848 Anteilscheine. Im Gegenzug bekommt Pelion 1.024.915 neue Pacifico-Aktien, die mittlerweile bereits ausgegeben wurden. Für je 13,56 Clearvise-Aktien erhält Pelion also 1 Papier von Pacifico. Zumindest bezogen auf die aktuellen Kursrelationen ist das nicht unbedingt ein vorteilhafter Deal für das Team Samwer, denn sie tauschen Clearvise-Aktien im Gegenwert von rund 33,0 Mio. Euro in Pacifico-Anteile mit einem Kurswert von etwa 30,5 Mio. Euro. Doch die Strategie ist nicht auf einzelne Tageskurse ausgelegt. „Das Umtauschverhältnis war bei dieser Transaktion nur ein zweitrangiger Aspekt für uns“, sagt Jeremias Heinrich.
Immerhin ist Pelion – und erst dadurch wird die Tauschoperation nachvollziehbar und gewinnt eine strategische Komponente – mit ehemals 63,1 Prozent (künftig rund 71 Prozent) der dominierende Aktionär von Pacifico. Die hinter dem Deal stehende Überlegung: Auch bei Wind- und Solarparks ist es so, dass ein Portfolio umso höhere Bewertungsmultiples am Kapitalmarkt zugestanden bekommt, je größer es ist. Unternehmen wie die ebenfalls börsennotierte 7C Solarparken richten ihre Strategie seit Jahren genau daran aus. Tatsächlich würde Clearvise nach der vollständigen Umsetzung der Transaktion mit einer um mehr als 50 Prozent vergrößerten Leistung von 469 MW an den gelisteten Vergleichsunternehmen Energiekontor (Wind und Solar) und 7C Solarparken (ausschließlich Solar) vorbeiziehen und hätte nur noch den – freilich viel größeren MDAX-Konzern – Encavis (Wind und Solar) vor sich.
Der potenzielle Hebel für die Clearvise-Aktie ist enorm, denn zurzeit wird bei dem Unternehmen jedes MW-Leistung mit nur rund 500.000 Euro an der Börse angesetzt, während die Multiples bei 7C und Encavis ungefähr doppelt so hoch sind. Entsprechend wundert es boersengefluester.de nicht, dass die Clearvise-Aktie bislang der größere Profiteur des geplanten Deals ist, schließlich sind die Größenvorteile absolut eingängig. „Das Ziel beider Unternehmen ist es, die Attraktivität von Clearvise wie auch von Pacifico mit voneinander abgegrenzten und komplementären Geschäftsmodellen für Investoren jeweils zu erhöhen“, betont Clearvise-CEO Petra Leue-Bahns.
Ein wenig erklärungsbedürftiger ist da schon die künftige Positionierung von Pacifico. „Wir erweitern das konservative Geschäftsmodell des Anlagenbetriebs um Investitionen, die entweder durch ein anderes Risiko-Rendite-Profil (z.B. Batteriespeicheranlagen) mehr Rendite erwirtschaften oder durch eine sogenannte „Gebühren-Komponente“ (z.B. Co-Investments) in Kombination mit weniger bilanziellem Eigenkapital eine höhere Eigenkapitalrendite erwirtschaften“, heißt es dazu in dem dazu eingerichteten FAQ-Bereich auf der Homepage von Pacifico. Indirekt sollen die Anleger also von der zu erwarteten Wertsteigerung der Clearvise-Aktie profitieren, darüber will sich die Gesellschaft mit Sitz in Grünwald als Anbieter von „maßgeschneiderten Lösungen für institutionelle Investoren“ positionieren. Hier befindet sich viel Geld im Markt, schließlich hat das Thema Energiewende in den vergangenen Monaten massiv an Aktualität gewonnen.
Und was den Komplex der Speicheranlagen angeht, war dem Vorstand von Pacifico bei seiner Präsentation auf Frühjahrskonferenz in Frankfurt zuletzt sofort anzumerken, dass er hier stattliches Potenzial sieht. „Wir gehen über erneuerbaren Energien hinaus und entwickeln uns zu einem zukunftsträchtigen Unternehmen für Investitionen in die Energiewende“, sagt Pacifico Co-CEO Christoph Strasser. Diese Botschaft sowie die daraus abgeleiteten Auswirkungen auf die künftigen Umsatz- und Gewinnströme gilt es nun am Kapitalmarkt noch bekannter zu machen, denn momentan ist Pacifico Rwohl eher nicht auf dem Radar der meisten Small- und Midcap-Investoren. Gelegenheit für mehr Aufmerksamkeit wird es noch ausreichend geben, denn die Transaktion wird erst in einigen Monaten abgeschlossen sein.
Foto: Vidar Nordli-Mathisen auf Unsplash