„Wir können es“, lautet die einfache, aber klare Botschaft von Clean Logistics-Vorstand Dirk Graszt bei seiner Präsentation auf dem Deutschen Eigenkapitalforum in Frankfurt. Dabei geht es um nicht weniger, als eine Revolution im Güterverkehr. Aufmerksame Leser von boersengefluester.de kennen die Geschichte vermutlich bereits aus unseren bisherigen Artikeln über das Venture Capital-Projekt (HIER). Daher an dieser Stelle nur die wesentlichen Eckpunkte: Clean Logistics hat vor einiger Zeit damit begonnen, konventionelle Diesel-Lastkraftwagen und Busse zu emissionsfrei angetriebenen Fahrzeugen mit Wasserstofftank, Brennstoffzellen und Hochleistungsbatterie umzubauen. Die ersten Prototypen laufen bereits. Für Furore am Kapitalmarkt sorgte insbesondere die Ankündigung des Green Energy-Konzerns GP Joule aus dem Hochsommer, bis 2027 nicht weniger als 5.000 wasserstoffelektrisch angetriebeme Trucks von Clean Logistics abnehmen zu wollen. Ein Milliarden-Deal, der die bisherigen Kapazitäten der Hamburger komplett sprengen würde.
Doch die beiden Wasserstoff-Lkw-Freaks Dirk Lehmann und Dirk Graszt – in Anlehnung an den kleinen Star Wars-Roboter R2-D2 bezeichnen sie sich scherzhaft als H2-D2 (H2 für Wasserstoff und D2 für den Doppel-Dirk) – denken in großen Dimensionen. Eine wesentliche Rolle spielt dabei der im Sommer 2022 übernommene Lkw-Anbieter GINAF Trucks. Die Niederländer aus der Nähe von Utrecht haben nicht nur Erfahrung mit der seriellen Fertigung von Spezialtrucks, sondern verfügen auch über eine Herstellerlizenz. Damit hat Clean Logistics ganz nebenbei die Transformation vom reinen Umrüster zum Hersteller geschafft. „GINAF ist unsere Königsakquisition“, sagt CEO Dirk Graszt. Um den – an bestimmte Preise, Mengen und Qualitäten geknüpften – Mega-Auftrag von GP Joule stemmen zu können, werden aber auch die Kapazitäten von GINAF plus geplante Erweiterungen am Stammwerk in Winsen an der Luhe kaum ausreichen. Auf dem Eigenkapitalforum hält sich Dirk Graszt diesbezüglich zwar noch bedeckt, er deutet jedoch an, dass es bereits Gespräche mit Automobilzulieferern über entsprechende Outsourcing-Varianten gibt.
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Nun: Erste Vorserien-Fahrzeuge werden im Frühsommer zunächst einmal an Kunden wie Edeka und Netto ausgeliefert, 2024 will Clean Logistics dann vermutlich rund 400 Wasserstoff-Lkw für GP Joule ausliefern, ab 2025 soll die Zahl in den vierstelligen Bereich klettern. Um die derzeit gegenüber herkömmlichen Zugmaschinen noch um etwa den Faktor 5 teureren grünen Lkws auch im Falle von weniger spendablen staatlichen Fördergeldern als wirtschaftlich attraktive Alternative zu Diesel-Aggregaten anbieten zu können, müssen die Preise für Brennstoffzellen, Batteriepacks etc. freilich noch deutlich sinken. Das wiederum ist aber auch eine Funktion der von Clean Logistics nachgefragten Menge. Bleibt die Frage, warum ein in der breiten Öffentlichkeit wenig bekanntes Öko-Unternehmen wie GP Joule plötzlich zum Großabnehmer von Lastkraftwagen wird?
Die Logik dahinter: Das auch im Bereich Wasserstofftankstellen tätige Unternehmen aus dem äußersten Norden Deutschlands will künftig innovative Konzepte wie „Mobility as a Service“ für Logistiker anbieten. Soll heißen: Es gibt ein Bundle aus gemieteten/geleasten Lkw plus die dazugehörige Versorgung mit Wasserstoff. Eine clevere Idee für Spediteure mit festen Fahrstrecken, um das „Henne-Ei-Problem“ zu entschärfen. Durch die Paketlösung entfällt jedenfalls auf einen Schlag die unsichere Betankungslage als Argument gehen alternativ angetriebene Sattelschlepper. Technologisch bieten die Maschinen ohne keine wirklichen Nachteile. Fantasie brauchen Investoren indes noch, wie die massive Aufstockung der Kapazitäten sowie die damit einhergehende Fertigung vorfinanziert werden sollen.
An diesem Punkt muss Clean Logistics noch Antworten liefern, um den Kapitalmarkt auch nachhaltig von der Umsetzbarkeit des Projekts zu überzeugen. Hier wird ein einfaches „Wir können es“ auf Dauer kaum reichen. Ansonsten liefert Dirk Graszt auf dem Eigenkapitalforum aber eine 1a-Performance. Eine hochgradig spannende Investmentstory mit eben auch entsprechend ausgeprägten Chancen und Risiken.
Foto: Clean Logistics SE