Gerade einmal drei Wochen nachdem Vorstand Dirk Graszt bei seiner Präsentation auf dem Deutschen Eigenkapitalforum (EKF) voller Inbrunst von den sich bietenden Chancen für Clean Logistics im Bereich emissionsfrei angetriebener Lastkraftwagen berichtete (siehe dazu auch unseren Beitrag HIER), steht das Unternehmen vor einem finanziellen Scherbenhaufen und muss eine Notkapitalerhöhung zu 1,80 Euro durchführen, um die „Überlebensfähigkeit der Gesellschaft“ zu sichern. Schwer vorstellbar, dass Dirk Graszt bei seinem Vortrag auf dem EKF vor der sich abzeichnenden Schieflage nichts geahnt hat. Umso schlimmer, die Investoren hier ins offene Messer laufen zu lassen. Immerhin hat die Aktie seitdem um rund 70 Prozent an Wert eingebüßt. Nun: Rückblickend erscheint auch die Demission von Jürgen Akkermann als Finanzchef aus dem Verwaltungsrat Anfang Dezember – offiziell „aus persönlichen familiären Gründen“ – in einem ganz anderen Licht.
Ob die Kapitalerhöhung im Volumen von brutto bis zu 4,86 Mio. Euro ausreicht, um die Gesellschaft tatsächlich zu stabilisieren, lässt sich kaum valide einschätzenselbst wenn dem Vernehmen nach Großaktionäre bereits Anteilscheine für mehr als 1,2 Mio. Euro vorab gezeichnet haben. Gleiches gilt für die mögliche Umwandlung von Fremdkapital in Eigenkapital. Für die meisten Aktionäre ist das – jetzt wo das Kind in den Brunnen gefallen ist – aber beinahe auch schon egal. Das Vertrauen in die Gesellschaft ist wohl nicht nur für boersengefluester.de auf den Nullpunkt gesunken. Zumindest irritierend ist auch der jetzt eilig vermeldete Verkauf von GINAF Trucks. Clean Logistics hatte den niederländischen Lkw- und Spezialfahrzeughersteller erst im Sommer 2022 für einen Preise von Untergrenze 3,3 Mio. Euro – plus erfolgsabhängige Komponenten – erworben. Auf dem EKF bezeichnete Dirk Graszt die Transaktion noch als “Königsakquisition”.
Wer der Käufer von GINAF ist, dazu schweigt sich der Vorstand noch aus. Einzig keine Überraschung, ist indes die angekündigte Strategieanpassung, wonach die Fertigung der Wasserstoff-Sattelschlepper verstärkt über einen strategischen Partner via Lohnfertigung umgesetzt werden soll. „Erste Gespräche hierzu befinden sich in einem frühen Stadium. Die bereits bestehenden und zukünftigen Kundenaufträge in 2023 werden wie geplant am Standort Winsen durchgeführt“, betont das Unternehmen. Natürlich ist „Verkaufen“ nach so einem Horror-Kursverlauf keine wirklich hilfreiche Einschätzung mehr. Aber Stand jetzt können wir uns nicht vorstellen, dass Clean Logistics als börsennotierte Gesellschaft in der jetzigen Form noch eine Chance hat und das nötige Vertrauen zurückgewinnen kann.
Und ja: Auch wir sind tief frustriert über diese Entwicklung, eben weil das Geschäftsmodell vom Vorstand auf Kapitalmarktkonferenzen und ähnlichen Veranstaltungen regelmäßig so überzeugend präsentiert worden ist.
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