Soviel gleich vorweg: Inwiefern knapp 250 Mio. Euro Börsenwert für ein Unternehmen wie die Circus SE auch nur ansatzweise gerechtfertigt sind, lässt sich derzeit nicht valide beantworten – auch nicht nach unserem Hintergrundgespräch mit CEO Nikolas Bullwinkel. Dafür fehlt es an jeglichen finanziellen Basisinformationen bei dem so rasant am Münchner Spezialsegment m:access gestarteten FoodTech-Unternehmen mit Sitz in Hamburg. Genauso unstrittig ist jedoch, dass Circus sich in einem super spannenden Markt bewegt und Buzzwörter wie Künstliche Intelligenz (KI) und Robotik geschickt kombiniert – angereichert mit dem allgegenwärtigen Mangel an Fachkräften im Gastronomiesektor.
So ist Circus nach der im Spätsommer 2023 für einen siebenstelligen Euro-Betrag erfolgten Übernahme des Küchenroboterherstellers Aitme in der Lage, vergleichsweise hochwertige Speisen zu deutlichen günstigeren Preisen anzubieten, als die Konkurrenz dazu normalerweise in der Lage ist. Bislang ist das Angebot unter der Startmarke Pazza Pasta auf die Städte Hamburg und Köln beschränkt. Doch Nikolas Bullwinkel hat große Dinge vor und will das Konzept nicht nur auf Gesamtdeutschland, sondern idealerweise gleich auch auf Europa und Asien ausdehnen. Welche Investitionssummen dafür nötig sind, lässt er gegenwärtig noch offen.
Momentan liegt der operative Schwerpunkt darauf, die zweite Robotergeneration von Aitme – beziehungsweise Circus Robotics, wie der Zukauf jetzt heißt – fertigzustellen und sie in den Produktionsprozess zu integrieren. Das lässt den Schluss zu, dass es zumindest kurzfristig nicht um eine Umsatzmaximierung durch die Eröffnung von möglichst vielen Küchen für die Essensauslieferung geht, sondern vielmehr eine Serienfertigung für die Kochroboter der zweiten Generation zu etablieren. Ein wenig diffus findet boersengefluester.de die Investmentstory aus jetziger Sicht aber trotzdem, denn der Aufbau von Küchenstandorten sowie die Entwicklung leistungsstarker Maschinengeneration gehen gefühlt noch Hand in Hand. Dabei sieht sich Nikolas Bullwinkel bezogen auf die börsennotierte Peergroup freilich eher bei dem Profiküchenausstatter Rational aufgehoben, als bei den Auslieferern Delivery Hero und HelloFresh. Zumindest die Abgrenzung zu Rational drückt er dabei ganz plastisch aus: „Rational ist der Backofen, wir sind der Topf.“
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Nun: In der Start-up-Szene ist der Food- und Lieferbereich vermutlich das hippere Geschäftsmodell, am Kapitalmarkt dürften die Investoren nach Einschätzung von boersengefluester.de dagegen eher auf die Potenziale des Kochroboterverkaufs bzw. der Möglichkeit von Franchisesystemen schauen. Normalerweise sollte im B2B-Geschäft mit der Systemgastronomie, Kantinen oder auch Pflegeeinrichtungen unterm Strich tatsächlich das größere Margenpotenzial liegen. Ein Selbstläufer ist aber auch das nicht, wie etwa die Insolvenz von Da-Vinci-Kitchen aus Leipzig zeigt. Zu den maßgeblichen Investoren bei Circus gehört – neben Nikolas Bullwinkel – das Vehikel BlackMars Capital um Marco Beckmann (unter anderem bekannt durch sein Engagement bei Pantaflix).
„Das Listing ist ein Startschuss und kein Exit“, betont Nikolas Bullwinkel und verweist auf die langen Verkaufssperren (Lock-ups) von bis zu fünf Jahren. Angesichts des skizzierten Wachstumskurses braucht es wohl keiner prophetischen Gabe um vorherzusagen, dass bei Circus perspektivisch auch Kapitalerhöhungen anstehen werden. Dagegen ist grundsätzlich auch gar nichts zu sagen, denn für genau solche Expansionspläne ist die Börse als Finanzierungsmöglichkeit gedacht. Schade aber auf jeden Fall, dass die Gesellschaft ihr Listing ohne konkrete Finanzinfos und Planzahlen durchgezogen hat.
Entsprechend gilt es nun, den Ruf einer absoluten Black Box abzulegen – und zwar durch eine transparente Kommunikation. Diese hat Bullwinkel im Gespräch mit boersengefluester.de für die kommenden Monate aber auch in Aussicht gestellt. Rein mit dem KI-Label werden sich die Investoren schließlich nicht dauerhaft zufrieden geben, das zeigt bereits das Chartbild der vergangenen Wochen. Nicht gerade mit Ruhm bekleckert hat sich für unseren Geschmack aber auch die Börse München als Hausherr des m:access, schließlich wurde das Segment als eine Art Edel-Freiverkehr mit gesteigerten Publizitätsanforderungen konzipiert.
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Foto: Circus SE
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