Der Börsenplatz Deutschland bleibt für chinesische Firmen attraktiv. Auch wenn die Kursentwicklung der hier notierten „Red Stocks“ wenig zufriedenstellend ist, hat die Deutsche Börse für chinesische Emittenten wenig an Attraktivität verloren. Jüngstes Beispiel ist CWZ China Flowers. Seit dem 27. August ist der Blumenzüchter und -händler im Entry Standard gelistet. Der Münchner Finanzdienstleister CM Equity hat das Unternehmen beim Börsengang begleitet. „Warum ausgerechnet Chinesen?“, will boersengefluester von Alexander Tietze wissen, der als Managing Director bei CM Equity zuständig für Corporate Markets und Sales ist. „CM Equity ist von Beginn an besonders auf die internationalen Märkte ausgerichtet. China ist ein sehr spannender Markt mit weiterhin hohen Wachstumsraten und einem Potenzial, das man in Europa vergebens sucht. In wenigen Jahren wird China die größte Volkswirtschaft der Welt sein. Das wird sich über kurz oder lang an den Börsen widerspiegeln.“
Die Wachstumsraten chinesischer Unternehmen sind beeindruckend. Wenn sie hier an die Börse kommen, haben die Umsätze in den zurückliegenden Jahren nicht selten um 20 bis 30 Prozent zugelegt. Noch erstaunlicher ist die Profitabilität. Eine Netto-Umsatzrendite im zweistelligen Prozentbereich ist keine Seltenheit. So etwas findet man hierzulande nur bei Hightech-Firmen mit monopolartiger Marktstellung. In China erzielen selbst einfache Textil- oder Modefirmen solche Renditen. Trotzdem konnte man mit hierzulande gelisteten chinesischen Aktien hauptsächlich Geld verlieren. Zum Beispiel bei Plantagenbetreiber Asian Bamboo oder Mobilfunkkartenanbieter Vition Wireless hat sich das Geschäftsmodell nicht durchgesetzt. Andere Unternehmen wie der Stromgenerator-Hersteller United Power Technology oder Fischverarbeiter Haikui Seafood konnten die Wachstumserwartungen nicht erfüllen. Ganz übel kam es bei der Modefirma Kinghero und Papierhersteller Youbisheng Green Paper. Bei beiden Unternehmen steht das Management im Verdacht, betrogen zu haben. Allerdings kommt so etwas auch hierzulande vor – zum Beispiel beim Lampenhersteller Hess oder dem Immobilienunternehmen JK Wohnbau, heute Isaria Wohnbau. Doch zugegeben: Die Häufung von Unregelmäßigkeiten bei chinesischen Unternehmen ist – vorsichtig ausgedrückt – augenfällig.
Nach der ersten Euphorie erfolgt gerade die Ernüchterung, und wie so häufig übertreibt die Börse wieder einmal – nun nach unten. Die Aktienkurse der „Red Chips“ sind auf einen Bruchteil ihrer Ausgabepreise geschrumpft und die Bewertung ist abenteuerlich günstig. Selbst auf Basis sehr vorsichtiger Ertragsprognosen für das kommende Jahr errechnet boersengefluester.de ein durchschnittliches KGV (Kurs-Gewinn-Verhältnis) der im Prime Standard gelisteten Aktien von gerade einmal 3,5. Da ist eine erhebliche Risiko-Komponente eingepreist. Bei der richtigen Aktienauswahl winken erhebliche Kurschancen. Die sieht auch Tietze – nicht nur bei den bereits gelisteten Unternehmen, sondern bei chinesischen Unternehmen überhaupt. Die aktuelle Ukraine-Krise könnte den Firmen aus der Volksrepublik weitere Wachstumsimpulse geben, wenn europäische Unternehmen Verträge mit Russland verlieren. Natürlich sieht er die Fehler der Vergangenheit: „Die müssen wir genau analysieren und daraus lernen.“ Wenn er Unternehmen hier an die Börse bringt, achtet er besonders darauf, dass die Unternehmen das Thema Corporate Governance verinnerlicht haben.
„Wir wollen keine Sonnenherrscher, die nach Gutdünken im Unternehmen schalten und walten“, sagt Tietze. „Wir beobachten die Entscheidungsprozesse im Unternehmen sehr genau und schwören das Management im Vorfeld des Börsengangs auf die Informations- und Transparenzanforderungen der internationalen Investoren ein.“ Dazu gehört in erster Linie, dass der Aufsichtsrat seine Überwachungsfunktion effektiv wahrnehmen kann. Grundvoraussetzung ist, dass ausreichend Geld in der deutschen AG vorhanden ist. Tietze geht noch weiter. Nach seinen Vorstellungen soll der Aufsichtsrat einen Online-Zugriff auf die Konten haben. Mit solchen Maßnahmen könnte das angeschlagene Vertrauen der deutschen Investoren in chinesische Unternehmen wieder hergestellt werden. Er hat erkannt, dass die Investoren hierzulande Vorreiter brauchen.
Daher spricht er auch Interessenten im asiatischen Raum an. Sie haben Erfahrung mit chinesischen Unternehmen und erkennen ihr Potenzial. Für vergleichbare Firmen müssen sie in Shanghai oder Hongkong deutlich höhere Multiples als in Deutschland bezahlen. „Zudem bietet die Deutsche Börse mit Xetra eines der effizientesten Handelssysteme weltweit“, weiß Tietze. Beim Thema Bewertung haben die Unternehmensgründer meist deutlich andere Vorstellungen als die Investoren. Die letzten erfolgreichen Notizaufnahmen kamen mit KGVs unter eins und zweistelligen Dividendenrenditen. Das ist den wenigsten Pre-IPO-Investoren schmackhaft zu machen. Tietze ist da rigoros: „Wenn ich mit den verantwortlichen Managern über das KGV diskutieren muss, dann sind das die falschen Partner. Wir suchen Unternehmen, bei denen das Management klar erkennt, dass die Kapitalerhöhung sie in neue Wachstumsregionen bringt.“
Kann CWZ China Flowers diesen Ansprüchen genügen? Wird das Unternehmen die Zahlen liefern können, die der Kapitalmarkt erwartet? Wird der Börsenkurs dann auch der operativen Entwicklung folgen und so die Verwässerung durch die Kapitalerhöhung für die Altaktionäre erträglich? Diese Fragen kann Tietze heute noch nicht beantworten. Um Erfahrungen zu sammeln und erst einmal mit halbjährlicher Berichterstattung zu beginnen, ist das Unternehmen in den Entry Standard gegangen. Bei erfolgreicher Performance ist dann später der Wechsel in ein höheres Börsensegment nicht ausgeschlossen. „Lieber Fakten sprechen lassen“, sagt er, „getreu dem Motto: underpromise and overdeliver.“ Mitte September will CM Equity einen weiteren Börsenkandidaten aus China den Investoren vorstellen. „Das Unternehmen ist wesentlich größer und reifer in Bezug auf die Kapitalmarktfähigkeit”, sagt Tietze. „Das Feedback im Rahmen des internationalen Pilotfishings mit institutionellen Investoren war speziell im asiatischen Raum sehr positiv.“
Alexander Tietze ist seit mehr als 20 Jahren an den internationalen Kapitalmärkten aktiv. Als leidenschaftlicher Verfechter des Kapitalmarktes sammelte er Erfahrung bei Hauck & Aufhäuser, Privatbankiers in München und Frankfurt. Bei der Baaderbank war er im Bereich Europäischer Aktienhandel leitend tätig und verantwortete bei weiteren börsennotierten Investmentbanken im internationalen Small & Mid-Cap-Bereich die Geschäftsfelder Corporate Markets und Corporate Finance.
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