Die Cenit AG hat mit der Veröffentlichung der vorläufigen Zahlen für einen versöhnlichen Abschluss 2020 gesorgt. Zwar hatten die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie für einen starken Umsatz- und Ergebnisrückgang gesorgt, das erreichte Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) in Höhe von 3,5 Mio. Euro (Vorjahr: 9,2 Mio. Euro) lag jedoch oberhalb der Erwartungen. Zuvor wurde ein EBIT in Höhe von 1,5 bis 2,0 Mio. Euro erwartet. Der GBC-Analyst Cosmin Filker hat mit dem Cenit-CEO Kurt Bengel über die Unternehmensentwicklung und die Aussichten gesprochen. Da boersengefluester.de die Cenit-Aktie regelmäßig vorstellt, geben wir das Interview unseres Kooperationspartners GBC hier in voller Länge wieder – angereichert mit unseren eigenen Info-Boxen und Charts.
GBC AG: Herr Bengel, das EBIT des vierten Quartals hat sowohl Ihre als auch unsere Erwartungen übertroffen. Was sind die Gründe dafür?
Kurt Bengel: Im Wesentlichen sind es zwei Gründe, die ich hier gerne anführen möchte. Zum einen war es unser stringentes Kostenmanagement, das wir mit Beginn der COVID-19 Pandemie hochgefahren haben, zum anderen unser starkes viertes Quartal mit dem Verkauf eigener Software Applikationen. Speziell im Dezember haben wir circa 80 Prozent der Softwareumsätze des vierten Quartals erzielen können.
GBC AG: Wie bei vielen Software- und Beratungsunternehmen ist auch bei Ihnen das vierte Quartal besonders stark. Was lässt sich aus der positiven Tendenz des vierten Quartals 2020 für das laufende Geschäftsjahr ableiten?
Kurt Bengel: Traditionell ist das vierte Quartal unser stärkstes Quartal. Unsere Erfahrung zeigt, dass einige Kunden-Unternehmen zuweilen zum Ende eines Jahres noch über Investitionsbudgets verfügen. Dies wird dann für Softwareinvestitionen eingesetzt, die wiederum zu unserem Jahresendgeschäftbeitragen. Gerade in der aktuellen Zeit, nehmen viele Unternehmen den hohen Stellenwert der durchgehenden Digitalisierung für ihre Geschäftstätigkeit wahr. Unsere Lösungen und Angebote zur Digitalisierung und Automatisierung besitzen eine hohe Relevanz für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Kunden. Dies kann sich in Zukunft weiter manifestieren. Gleichwohl werden wir auch in 2021 nicht sofort eine Rückkehr zu einem normalen Investitionsverhalten sehen.
GBC AG: Ihr Kundenfokus liegt auf Branchen, die besonders von der Covid-19 Pandemie betroffen waren. Ein Großteil der Umsätze erzielt Cenit mit Kunden aus dem Automobil- und Maschinenbau sowie aus der Luftbranche. Wie schätzen Sie das aktuelle Branchenumfeld ein?
Kurt Bengel: Wir sind weltweit weiterhin mit der Pandemie konfrontiert. 2021 wird deshalb sicherlich auch ein Geschäftsjahr mit vielen Anstrengungen werden, einige sagen ‘ein Jahr des Übergangs’. Alle drei Industriebereiche waren und sind stark von der Krise betroffen. Ich glaube im Bereich Aerospace (Zivilluftfahrt) wird es noch Jahre benötigen, bis wir zur ‘Normalität’ zurückkehren werden. Gleichzeitig beobachte ich mit Sorge auch die von unseren Kunden geschilderte Beschaffungslage bei Halbleitern und Stahl, die in allen drei Branchen ein kritischer Erfolgsfaktor in 2021 ist.
GBC AG: Gibt es auch Cenit-Kunden, die nicht so stark von der Corona- Situation betroffen waren?
Kurt Bengel: Mir fallen hier spontan zwei Bereiche ein, die wenig bzw. nicht betroffen waren. Der Finanzdienstleistungsbereich und der Bereich Medizintechnik. Während viele Projekte in unseren o.g. drei Hauptbranchen im vergangenen Jahr gestoppt oder verschoben wurden, liefen unsere Beratungsleistungen bei den Finanzdienstleistern quasi ohne Ausfall durch.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 151,70 | 169,99 | 171,71 | 147,24 | 146,07 | 162,15 | 184,72 | |
EBITDA1,2 | 15,27 | 11,95 | 15,24 | 9,59 | 11,27 | 11,94 | 16,41 | |
EBITDA-Marge3 | 10,07 | 7,03 | 8,88 | 6,51 | 7,72 | 7,36 | 8,88 | |
EBIT1,4 | 12,84 | 9,03 | 9,20 | 3,63 | 6,23 | 6,31 | 9,22 | |
EBIT-Marge5 | 8,46 | 5,31 | 5,36 | 2,47 | 4,27 | 3,89 | 4,99 | |
Jahresüberschuss1 | 8,99 | 6,13 | 6,96 | 2,92 | 4,35 | 6,61 | 4,99 | |
Netto-Marge6 | 5,93 | 3,61 | 4,05 | 1,98 | 2,98 | 4,08 | 2,70 | |
Cashflow1,7 | 3,92 | 9,62 | 11,68 | 12,28 | 8,24 | 11,49 | 5,33 | |
Ergebnis je Aktie8 | 1,07 | 0,73 | 0,82 | 0,28 | 0,51 | 0,75 | 0,54 | |
Dividende8 | 1,00 | 0,60 | 0,00 | 0,47 | 0,75 | 0,50 | 0,04 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: Grant Thornton |
GBC AG: Um die Ziele der Agenda ‘Cenit 2025’ zu erreichen, müssten Sie auch anorganisch wachsen. Wie schätzen Sie das aktuelle Akquisitionsumfeld ein?
Kurt Bengel: Akquisitionen sind eine Säule unserer Cenit 2025 Strategie. Wir überprüfen regelmäßig den Markt, unser Portfolio oder auch die regionale Abdeckung, um unser Wachstum voranzutreiben. Das aktuelle Umfeld schätzen wir nicht besser oder schlechter als vor der Pandemie ein und deshalb gilt es für uns nach wie vor, den ‘Puls zu fühlen’.
GBC: Seit dem letzten Jahr hält ihr neuer Ankerinvestor Primepulse rund 15 Prozent an der Cenit AG beteiligt. Gibt es auf operativer Ebene einen Ansatzpunkt aus dieser neuen Beteiligung?
Kurt Bengel: Mit Primepulse sind wir im regelmäßigen Austausch und erläutern in One-to-One Investorengesprächen den Gang unserer Geschäfte und unsere Cenit 2025 Strategie. Auf operativer Ebene gab es bisher keine Aktivitäten, die im Zusammenhang mit der von Primepulse getätigten Firmenbeteiligung stehen. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.
GBC AG: Die Eröffnung eines Standorts in China hatte sich aus den bekannten Gründen verzögert. Gibt es hierzu Neuigkeiten und welche Impulse versprechen Sie sich aus China?
Kurt Bengel: Nach der Corona-bedingten Verzögerung konnten wir Anfang Februar mit der offiziellen Eröffnung unseres Büros in der chinesischen Metropole Suzhou an den Start gehen. Unsere Aktivitäten in China starteten wir wohlgemerkt bereits vor rund vier Jahren. Mit der Etablierung unserer Präsenz in China, möchten wir nun verstärkt chinesische OEM und
Fertigungsunternehmen als Kunden in dem Feld Digitale Fabrik akquirieren. Klar im Fokus stehen Aktivitäten rund um die Cenit Software FASTSUITE E2: unsere eigenständige und unabhängige 3D-Simulationsplattform, die Produktionsprozesse für den gesamten Bereich der Digitalen Fertigung abbildet – von Engineering bis hin zur virtuellen Inbetriebnahme.
Kurt Bengel (Jahrgang 1962) ist seit dem Anfang 2007 Mitglied des Vorstands und seit 31. Juli 2012 Chief Executive Officer (CEO) der Cenit AG und in dieser Funktion verantwortlich für das Ressort Investor Relations, Marketing sowie das internationale operative Geschäft. Bengel schloss sein Studium an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Aalen als Diplom-Ingenieur 1987 ab. Anschließend war er als CAD/CAM Assistent und CATIA Trainer für die TW Trans GmbH tätig. 1988 trat er der Cenit AG, Stuttgart bei.
Fotos: Cenit AG