Für Besucher der 33. MKK Münchner Kapitalmarkt Konferenz war das Timing unglücklich. Weder bei seiner offiziellen Präsentation am 4. Mai, noch kurze Zeit später im Einzelgespräch mit boersengefluester.de ließ sich BörseGo-Vorstand Robert Abend Details zur Akquisitionsstrategie entlocken. Nur soviel: „Anorganisches Wachstum könnte auch zeitnah erfolgen.“ Gerade einmal zwei Tage später ist die Katze aus dem Sack. Der vor allem für seine beiden Portale GodmodeTrader und Guidants bekannte Finanzinfoanbieter übernimmt von der BFM Projects AG um die bekannten Börsianer Christian W. Röhl sowie Werner H. Heussinger das 2001 gegründete ZertifikateJournal. Wichtig für die selbst erst Ende März 2022 im Münchner Freiverkehr gestartete BörseGo ist insbesondere, dass die beiden ZertifikateJournal-Redakteure Christian Scheid und Martin Grimm an Bord bleiben und so die Kompetenz der Münchner im Bereich fundamentale Aktienanalyse stärken.
„Auch wenn unsere Zielgruppe vor allem aktive Trader umfasst, wollen wir unseren Nutzern mit Informationen rund um Anlagezertifikate eine attraktive mittel- bis langfristige Investitionsmöglichkeit präsentieren“, sagt Robert Abend. Zum Kaufpreis steht in der offiziellen Meldung nichts, doch laut der HV-Einladung der BFM Projects AG für den 20. Juni 2022 soll das ZertifikateJournal rückwirkend zum 1. Januar für 240.000 Euro (ohne Steuern) über den Tisch gehen. Das wiederum würde ungefähr der Höhe der laut BFM-Jahresabschluss für 2021 ausgewiesenen Umsatzerlöse von rund 233.000 Euro entsprechen. Für BörseGo sicher ein fair gepreister Deal, der nach einhelliger Meinung von Börsenkennern absolut Sinn ergibt. Die Logik dahinter ist, dass die Münchner künftig noch mehr User via Guidants zu den angeschlossenen Brokern routen können. Ein attraktives Geschäftsmodell, was sich das Team um Robert Abend in den vergangenen Jahren aufgebaut hat und das es nun zu skalieren gilt.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 0,00 | 8,75 | 8,24 | 10,36 | 11,90 | 12,58 | 11,96 | |
EBITDA1,2 | 0,00 | 0,23 | 0,26 | 1,39 | 1,68 | 1,27 | -1,51 | |
EBITDA-Marge3 | 0,00 | 2,63 | 3,16 | 13,42 | 14,12 | 10,10 | -12,63 | |
EBIT1,4 | 0,00 | 0,09 | 0,12 | 1,21 | 1,58 | 1,16 | -1,73 | |
EBIT-Marge5 | 0,00 | 1,03 | 1,46 | 11,68 | 13,28 | 9,22 | -14,47 | |
Jahresüberschuss1 | 0,00 | 0,05 | 0,12 | 0,86 | 1,06 | 0,80 | -1,48 | |
Netto-Marge6 | 0,00 | 0,57 | 1,46 | 8,30 | 8,91 | 6,36 | -12,38 | |
Cashflow1,7 | 0,00 | 0,19 | 0,24 | 1,15 | 1,34 | 0,37 | 0,64 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,00 | 0,05 | 0,11 | 0,76 | 0,95 | 0,71 | -1,32 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,20 | 0,25 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: MSW |
Damit nicht genug: Laut damaligem Wertpapierprospekt will sich BörseGo künftig auf eine Einmarkenstrategie – also im Kern dann wohl auf Guidants – fokussieren. „Diese neue Marke soll mit entsprechenden Maßnahmen vermarktet und der Zielgruppe publik gemacht werden“, hieß es zum Börsengang im Prospekt. Und auch im Hintergrundgespräch auf der MKK bestätigte Robert Abend uns noch einmal, dass dieser Plan weiter aktuell ist. Laut Prospekt soll die Zusammenführung der Marken sogar durch eine entsprechende Umfirmierung der Gesellschaft begleitet werden. Es ist also einiges in Bewegung bei der (Noch) BörseGo AG.
Vermutlich für August/September ist zudem ein Uplisting in das Münchner Spezialsegment m:access geplant – auch das sicher ein sinnvoller Schritt, der – in Kombination mit einem zusätzlichen Xetra-Listing – den bislang sehr überschaubaren Börsenhandel in der Aktie beflügeln sollte. Das gilt umso mehr, weil mit dem Segmentwechsel eine Umwandlung von Gewinnrücklagen aus Gesellschaftsmitteln mit anschließendem Aktiensplit geplant ist. Hintergrund: Für das Listing im m:access ist ein Grundkapital von Untergrenze 1 Mio. Euro nötig, das Kapital von Börse Go ist zurzeit aber gerade einmal in 112.000 Aktien zu einem rechnerischen Anteil von jeweils 1 Euro unterteilt.
Am Ende dieses Prozesses könnten dann – unter sonst gleichen Bedingungen – statt der jetzigen 112.000 Anteilscheine zu einem Kurs von 220 Euro künftig beispielsweise 1.008.000 Aktien zu je 24,44 Euro im Umlauf sein. Ist quasi wie eine 100-Euro-Note in zehn kleine Scheine zu wechseln. Am Vermögen ändert sich nichts, psychologisch fühlt sich das Depot aber schon durchaus anders an. Insgesamt gefällt uns die Investmentstory von BörseGo weiter überaus gut – mittelfristig sollte sich das dann auch in besseren Aktienkursen niederschlagen. Die Bilanzrelationen des Unternehmens sind solide, das Wachstum wurde bislang ausschließlich aus dem Cashflow finanziert. „Finanzverbindlichkeiten kommen uns nicht in die Tüte“, betont Robert Abend noch einmal auf der von GBC organisierten MKK.
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