Eins muss man Oliver Borrmann, dem mittlerweile Alleinvorstand der bmp Holding aus Berlin, lassen: Die neue Strategie der ehemaligen Venture-Capital-Gesellschaft, sich künftig als reinrassiges E-Commerce-Unternehmen für Matratzen, Lattenroste, Bettdecken oder Bettwäsche zu positionieren, verkauft er so überzeugt, als hätte er in seinem Leben noch nie etwas anderes gemacht. Fast scheint es, als ob der Markt nur darauf wartet, dass auch in Europa endlich eine hippe Internetfirma die verkrusteten Strukturen aufbricht. „Noch gibt es keinen Online-Marktführer”, sagt Borrmann auf der Small-Cap-Konferenz der DVFA in Frankfurt – und das bei einem gesamten Marktvolumen von rund 50 Mrd. Euro in Europa. Amerika ist hier bereits weiter: Dort hat sich Casper erst kürzlich 55 Mio. Dollar über eine Finanzierungsrunde gesichert, die den New Yorker Online-Matratzen-Händler mit mehr als 555 Mio. Dollar bewertet. Zu den Geldgebern gehörten Promis wie der Schauspieler Leonardo DiCaprio. CNBC sprach gar von einer Matratzen-Revolution. Zu den Firmen, die die auch in Amerika wenig transparente Branche kräftig durcheinander gewirbelt haben, gehört außerdem Tuft and Needle. Mit Kampfpreisen treten die Startups gegen die etablierten Anbieter auf und verkaufen Matratzen im Netz wie andere Unternehmen T-Shirts oder Schuhe – mit kostenloser Rückgabemöglichkeit bei Nichtgefallen.
Gut möglich, dass auch in Europa eine ähnliche Entwicklung bevorsteht. Das zum Rocket Internet-Konzern gehörende Online-Möbelhaus home24 ist bereits aktiv und setzt im Matratzenbereich auf die Eigenmarke Smood. Einen eigenständigen Matratzenshop gibt es bei home24 aber noch nicht – zur Freude von bmp-Chef Borrmann. Der hat mit der Kunstmarke Grafenfels nämlich Ähnliches vor und will zu einer der „Top-Matratzen-Marken in Europa” werden. Dabei hat die Grafenfels Manufaktur GmbH bislang noch gar keine Expertise in diesem Bereich. Offenbar kein Problem: Gefertigt werden die Modelle nämlich ohnehin nicht von Grafenfels, sondern von der ehemaligen Continental-Tochter CT Formpolster, die seit Anfang 2010 zu der börsennotierten Beteiligungsgesellschaft MBB gehört. Und hier schließt sich der Kreis: Der von boersengefluester.de sehr geschätzte MBB-Mitgründer und Vorstand Christof Nesemeier sitzt gleichzeitig im Aufsichtsrat der Berliner bmp Beteiligungsmanagement AG – man kennt sich also. Doch Frankfurt ist nicht Berlin – und schon gar nicht New York. Und so ist die Resonanz der anwesenden Investoren auf der Small-Cap-Konferenz der DVFA abwartend. Kein Wunder: Schließlich hat Borrmann noch bis vor nicht allzu langer Zeit über sein „Wohlfühlportfolio” aus schnell wachsenden Medienfirmen wie Castaclip, iversity, dailyme oder komoot geschwärmt. Auch am Wirtschaftsmagazin Brand Eins und dem Telekomzulieferer Heliocentris Energy Solutions ist bmp noch beteiligt. Nach dem Ärger mit der Finanzaufsicht um eine noch strengere Regulierung sollen jetzt alle Beteiligungen – abgesehen von der Kernmarke sleepz – verkauft werden. Gegenwärtig sind noch 13 von ursprünglich 18 Firmen im Portfolio. Bis Ende des Jahres will Borrmann hier auf eine einstellige Zahl kommen.
Schwachpunkt der neuen Equity-Story von bmp ist ganz klar, ob es eine Kunstmarke wie Grafenfels tatsächlich in den Matratzen-Olymp schafft. Kann schließlich auch gut sein, dass die Käufer die Produkte links liegen lassen und auf andere Matratzen abfahren. Zudem lauert die Konkurrenz an allen Ecken. Am bekanntesten ist hierzulande vermutlich Matratzen Concord. Was kaum jemand weiß: Die Kölner sind Teil der niederländischen Beter Bed Holding. Beter Bed (WKN: A0JMCY) ist börsennotiert und kam im Vorjahr bei Erlösen von 364 Mio. Euro auf ein Betriebsergebnis von 23 Mio. Euro. Marktkapitalisierung: rund 462 Mio. Euro. Das entspricht einem Multiple von immerhin 20 auf das EBIT. Allerdings fokussiert sich bmp nicht ausschließlich auf sleepz mit seinen Verkaufsplattformen perfekt-schlafen.de, schoene-traeume.de und matratzendiscount.de sowie die Marke Grafenfels. Mit den Erlösen aus den Beteiligungsverkäufen will Borrmann auch anorganisch wachsen: „Mit einem Target sind wir relativ weit. Wir hoffen, dass wir den Zukauf noch in diesem Jahr abschließen können.” Inklusive der Akquisitionen rechnet der Manager für 2016 mit Erlösen zwischen 25 und 40 Mio. Euro. Dabei hält Borrmann eine EBIT-Marge von fünf bis zehn Prozent für realistisch. Einen Joker, den er bislang nicht ziehen konnte, gibt es auch noch: So hat Borrmann Verlustvorträge aus dem Venture-Capital-Zeit der bmp im Gegenwert von 25 Mio. Euro in der Hinterhand. Das Thema Steuern wird bmp damit vorerst nicht so sehr beschäftigen.
Summa summarum ist boersengefluester.de gespannt, ob das Thema Online-Schlafwelten die nächste heiße Börsennummer wird. Engagiert in dem Bereich ist auch die Beteiligungsgesellschaft Heliad Equity Partners, die mittlerweile mehr als 40 Prozent an dem Berliner Online-Matratzenhändler www.bettenriese.de hält. Bekannt sind die Frankfurter sonst in erster Linie für ihre Engagements bei der FinTech Group und bei dem Konzertveranstalter DEAG. Möglicherweise passt bettenriese.de ja auch ins Raster von bmp. Wer sich aus Börsensicht dem Thema Bettwäsche nähern will, kann dies übrigens auch über die Dierig Holding aus Augsburg tun. Das mittlerweile überwiegend im Immobilienbereich tätige Unternehmen hält Beteiligungen an fleuresse und Kaeppel. Zudem scheint die niederländische Beter Bed Holding gar nicht so verkehrt zu sein. Und wer sich an bmp wagen möchte, wird vermutlich die Kaufen-Empfehlung des Researchauses Montega mit Kursziel 1,30 Euro zur Kenntnis genommen haben. Demnach hätte der Small Cap ein stattliches Potenzial von mehr als 80 Prozent. Soweit lehnt sich boersengefluester.de nicht aus dem Fenster. Noch sind viele Investoren skeptisch und warten, ob Borrmann tatsächlich liefert.
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