Für seinen ersten Kapitalmarktauftritt als neuer Blue Cap-CEO steht Henning von Kottwitz gleich die große Bühne zur Verfügung: Das Eigenkapitalforum (EKF) 2023 der Deutschen Börse AG in Frankfurt. Um die Anleger von der – seit nun fast zwei Jahren an der Börse aus dem Tritt gekommenen – Investmentstory zu überzeugen, hat die auf mittelständische Unternehmen aus dem industriellen Sektor konzentrierte Beteiligungsgesellschaft auch gleich etliche Neuigkeiten in Form des Strategie-Updates „Blue Cap 2026“ parat. Demnach wollen die Münchner künftig sehr viel mehr M&A-Transaktionen zeigen, sich verstärkt auch an Unternehmen in Sondersituationen wagen und als konkretes Ziel den Net Asset Value (NAV) bis Ende 2026 auf rund 60 Euro je Aktie auf das Doppelte gegenüber dem zuletzt ausgewiesenen NAV zu hieven. „Blue Cap ist zurzeit wahnsinnig attraktiv bewertet. Wir nehmen uns vor, den Shareholder Value ganz deutlich zu erhöhen“, sagt Henning von Kottwitz bei seiner Präsentation auf dem EKF.
Tatsächlich wird der Anteilschein beim derzeitigen Kurs von 17,20 Euro mit einem Abschlag von mehr als 40 Prozent auf den aktuellen NAV an der Börse gehandelt. Boersengefluester.de hat nachgerechnet: Im Schnitt der vergangenen drei Jahre lag der Discount bei rund 29 Prozent. Ende Oktober 2023 erreichte er mit 52 Prozent seinen Maximalwert, Anfang Dezember 2021 verkleinerte sich die Schere im Minimum auf nur etwas mehr als 10 Prozent – jeweils bezogen auf tagesaktuelle Aktienkurse sowie dem zu der Zeit korrespondierenden NAV. So gesehen ist die aktuelle Lücke zwischen Substanzwert und Aktienkurs aus historischer Sicht in der Tat vergleichsweise hoch – aber eben auch nicht komplett ungewöhnlich für Blue Cap. Wichtig zu wissen: Das jetzt formulierte NAV-Ziel von 60 Euro bis Ende 2026 ist gar nicht so fürchterlich weit entfernt von den bislang kommunizierten 55 Euro je Aktie bis 2025. „Wir haben ein Jahr verloren“, räumt Henning von Kottwitz mit Blick auf die schwierige konjunkturelle Entwicklung ein. Nicht die Höhe des NAV ist derzeit somit das entscheidende Thema, sondern der Abstand zum Aktienkurs. Es gilt also möglichst schnell mit guten Nachrichten für bessere Stimmung bei den Investoren zu sorgen.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 141,76 | 176,11 | 225,67 | 232,00 | 267,35 | 347,51 | 273,32 | |
EBITDA1,2 | 11,18 | 11,52 | 15,01 | 34,47 | 25,41 | 30,30 | 15,18 | |
EBITDA-Marge3 | 7,89 | 6,54 | 6,65 | 14,86 | 9,50 | 8,72 | 5,55 | |
EBIT1,4 | 8,48 | 6,60 | 4,65 | 21,37 | 7,82 | 16,96 | -13,51 | |
EBIT-Marge5 | 5,98 | 3,75 | 2,06 | 9,21 | 2,93 | 4,88 | -4,94 | |
Jahresüberschuss1 | 40,01 | 4,62 | 2,82 | 16,49 | 4,72 | 10,44 | -20,28 | |
Netto-Marge6 | 28,22 | 2,62 | 1,25 | 7,11 | 1,77 | 3,00 | -7,42 | |
Cashflow1,7 | 3,15 | 0,28 | 1,84 | 12,60 | 12,44 | 16,99 | 19,60 | |
Ergebnis je Aktie8 | 10,05 | 1,16 | 0,71 | 4,15 | 1,24 | 2,78 | -4,02 | |
Dividende8 | 1,00 | 0,75 | 0,75 | 1,00 | 0,85 | 0,90 | 0,65 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: Deloitte |
Spannend wird insbesondere, wie gut die Münchner überhaupt mit Unternehmen klarkommen, die statt der sonst für Blue Cap üblichen EBITDA-Margen von 7 bis 10 Prozent womöglich nur operative Renditen zwischen 0 und 5 Prozent erwirtschaften. Im 1on1 mit boersengefluester.de auf dem EKF weist CEO Henning von Kottwitz in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Blue Cap keinesfalls das Geschäftsmodell von der auf Restrukturierungen spezialisierten Mutares adaptieren will: „Von dem Consulting-Ansatz sind wir weit entfernt.“ Wesentlich aktiver will die Blue Cap gleichwohl auf der Exit-Seite werden. Dem Vernehmen nach werden derzeit bei drei bis vier Unternehmen konkret Verkäufe geprüft. Was die grundsätzliche Haltedauer von drei bis sieben Jahren der Portfoliofirmen oder die exakte Branchenzugehörigkeit angeht, will Henning von Kottwitz maximal flexibel bleiben. Mit Blick auf die Finanzierung von Neuengagements – übermäßig viel Spielraum hat Blue Cap derzeit nicht – setzt der Manager ebenfalls auf die komplette Klaviatur aus Innenfinanzierung (Cashflow), Kapitalerhöhung („Definitiv ein Thema für uns“), Fremdfinanzierung oder auch alternative Modelle wie Fondsstrukturen oder Co-Investment-Vehikel.
Wichtiger Trigger für mehr Akzeptanz bei den Privatanlegern dürfte die Ausschüttungsstrategie sein. So will Blue Cap – neben einer Basis-Dividende – an erfolgreiche Exits gekoppelte Sonderdividenden zahlen. Eine Strategie, die von Mutares und früher auch Aurelius erfolgreich vorexerziert wurde. Im Gespräch mit boersengefluester.de siedelt Henning von Kottwitz eine mögliche Dividendenrendite für den Sockelteil in einer Bandbreite von 3 bis 4 Prozent an. Entscheidender Punkt bleibt für ihn jedoch: „Die Dividende muss auch operativ verdient werden.“ Dringend gelöst werden muss der aus Kapitalmarktsicht störende Aktienüberhang durch die sich seit nun fast zwei Jahren in Auflösung befindliche PartnerFonds AG. Vor knapp einem Jahr gab es bereits eine erste größere Umplatzierung an das Family Office der unter anderem auch bei Fortec Elektronik und Geratherm Medical engagierten Unternehmerfamilie Wiegand, noch immer hält PartnerFonds jedoch 26,9 Prozent der Blue Cap-Aktien.
Eine Beschleunigung des insgesamt zähen Verkaufsprozesses ist nun insofern wahrscheinlicher geworden, weil Henning von Kottwitz in Personalunion auch Abwickler der PartnerFonds AG i.L. ist. Auf dem Eigenkapitalforum in Frankfurt kündigte der Manager uns gegenüber jedenfalls eine „pragmatische und kreative Lösung“ diesbezüglich an – und zwar für 2024. Unterm Strich stehen die Chancen für unseren Geschmack gut, dass der Kurs der Blue Cap-Aktie wieder in deutlich höhere Regionen vordringt – auch weil in den einzelnen Beteiligungen viel optimiert worden ist, was sich im kommenden Jahr dann auch in den operativen Zahlen der im Scale-Segment gelisteten Gesellschaft zeigen sollte.
Foto: Clipdealer
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