Wer könnte, würde die Zeit vermutlich zurückdrehen wollen. Vor sieben Monaten – Mitte Juni 2018 – verkaufte Hannspeter Schubert, Gründer und CEO der Blue Cap AG, seine 1,75 Millionen Blue Cap-Aktien an die PartnerFonds Kapital für Mittelstand GmbH & Co KG. Für dieses 44-Prozent-Paket kassierte er laut damaliger Meldungen einen festen Preis von 32,48 Mio. Euro sowie eine variable Vergütung von bis zu 1 Mio. Euro. Eine stattliche Summe, auch wenn der Aktienkurs im vergangenen Sommer mit zeitweise mehr als 25 Euro deutlich über den ausgehandelten (fixen) Verkaufspreis von umgerechnet 18,55 Euro je Blue Cap-Aktie kletterte. Erklärte Absicht war es damals, dass PartnerFonds und Blue Cap verschmolzen werden und die Börsenstory auf diese Weise quasi doppelt so groß werden sollte. Was folgten, waren allerdings nicht die sonst üblichen Wasserstandsmeldungen zum Stand der Zusammenschluss-Aktivitäten, sondern das genaue Gegenteil. Das Klima wurde immer frostiger.
Vorläufiger Höhepunkt war das Mitte Dezember 2018 kommunizierte Verlangen von PartnerFonds zur Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung (HIER). Einziges Ziel: Die Neubesetzung des Aufsichtsrats von Blue Cap und der Vertrauensentzug von Schubert. Wie nicht anders zu erwarten war, lässt sich Schubert aber nicht so einfach die Butter vom Brot nehmen und lehnt nun ein derartiges Aktionärstreffen ab. Im Wortlaut heißt es:
– diese Beteiligungserwerbe die Blue Cap AG zu den vorgegebenen Bedingungen schädigen würden;
– das angestrebte Vorgehen im Widerspruch zur Kompetenzordnung der Aktiengesellschaft steht, wonach der Vorstand nach Maßgabe des Gesellschaftsinteresses – und nicht ein Großaktionär – über Beteiligungserwerbe entscheidet;
– keine Dringlichkeit für die Abhaltung einer außerordentlichen Hauptversammlung besteht.
Schwer abzuschätzen, ob es jetzt zu einem juristischen Ping Pong um die Dringlichkeit und Terminierung eines außerordentlichen Aktionärstreffens kommt. Am Ende würde Schubert dadurch aber auch nur ein wenig Zeit gewinnen. Schließlich ist nach dem derzeit gültigen Finanzkalender für den 7. Juni 2019 die nächste ordentliche Hauptversammlung (HV) angesetzt. Und spätestens hier würde wohl Tacheles geredet. Schubert muss sich fragen lassen, warum er seine Aktien überhaupt an PartnerFonds verkauft hat – den damit einhergehenden Einflussgewinn des neuen Großaktionärs aber scheinbar nicht akzeptieren will.
Aber auch Kolbe ist in seinem Aktionariat nicht unumstritten, was schon allein durch seine fehlende Entlastung auf der jüngsten PartnerFonds-Hauptversammlung dokumentiert wird. Am Ende kommt es auf das Stimmverhalten der PartnerFonds-Aktionäre auf der nächsten Blue Cap-HV an – egal, ob außerordentlich oder ordentlich. Offiziell befinden sich alle PartnerFonds-Stücke im Streubesitz, wobei rund 68 Prozent über eine Treuhand gehalten werden. Eine schwierige Gemengelage, zumal sich auch Schubert bei PartnerFonds in Stellung bringt. Ein konkretes Datum für die nächste PartnerFonds-HV ist noch nicht terminiert, im vergangenen Jahr fand sie jedoch einen Tag vor dem Aktionärstreffen von Blue Cap statt.
Fakt ist, dass das Gezerre um das Machtgefüge bei Blue Cap zunächst einmal für Unsicherheit sorgt – und Unsicherheit war noch nie gut für die Performance einer Aktie. Das zeigt sich darin, dass der Börsenwert des im Scale notierten Unternehmens mit 61,7 Mio. Euro mittlerweile um 45 Prozent unter den zuletzt veröffentlichten Substanzwert (NAV) von 112,2 Mio. Euro gerutscht ist. Die Rolle von Schubert ist indes ambivalent: In den Augen vieler Spezialwerte-Investoren gilt er noch immer als entscheidender Erfolgsfaktor für die Entwicklung des Beteiligungskonzepts von Blue Cap. Das mag im Kern stimmen, auch wenn ihm sicher kein Heiligenschein zugesteht. Gleichwohl hat er mit dem Verkauf seiner Aktien an PartnerFonds die ganze Entwicklung erst losgetreten. Nicht unbedingt wie eine Einladung aus tiefster Überzeugung wirkt dabei der jüngste Hinweis: „Ungeachtet dessen stehen die Organe der Blue Cap AG einer synergetischen Zusammenarbeit mit der PartnerFonds AG und Gesprächen hierüber aufgeschlossen gegenüber.“
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 141,76 | 176,11 | 225,67 | 232,00 | 267,35 | 347,51 | 273,32 | |
EBITDA1,2 | 11,18 | 11,52 | 15,01 | 34,47 | 25,41 | 30,30 | 15,18 | |
EBITDA-Marge3 | 7,89 | 6,54 | 6,65 | 14,86 | 9,50 | 8,72 | 5,55 | |
EBIT1,4 | 8,48 | 6,60 | 4,65 | 21,37 | 7,82 | 16,96 | -13,51 | |
EBIT-Marge5 | 5,98 | 3,75 | 2,06 | 9,21 | 2,93 | 4,88 | -4,94 | |
Jahresüberschuss1 | 40,01 | 4,62 | 2,82 | 16,49 | 4,72 | 10,44 | -20,28 | |
Netto-Marge6 | 28,22 | 2,62 | 1,25 | 7,11 | 1,77 | 3,00 | -7,42 | |
Cashflow1,7 | 3,15 | 0,28 | 1,84 | 12,60 | 12,44 | 16,99 | 19,60 | |
Ergebnis je Aktie8 | 10,05 | 1,16 | 0,71 | 4,15 | 1,24 | 2,78 | -4,02 | |
Dividende8 | 1,00 | 0,75 | 0,75 | 1,00 | 0,85 | 0,90 | 0,65 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: Deloitte |
Für Oliver Kolbe steht derweil – auch persönlich – deutlich mehr auf dem Spiel. Ihm haftet in der Kapitalmarktöffentlichkeit derzeit die Rolle des Buhmanns an, obwohl er das vermutlich gar nicht ist. Vielleicht war es von Anfang an auch irgendwie ein Missverständnis. Aber die Zeit lässt sich nunmal nicht zurückdrehen. Umso wichtiger, dass alle Parteien sich möglichst schnell auf einen vernünftigen Weg einigen. Bislang sind nämlich die vielen Streubesitzaktionäre von Blue Cap die eigentlich Gelackmeierten – und das nervt boersengefluester.de dann doch mächtig gewaltig.
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