Sieht fast so aus, als wären gerade „Beteiligungs-Wochen“ auf boersengefluester.de. Immerhin haben wir erst kürzlich die Aktien der Mittelstands-Holdings Gesco und Mediqon Group vorgestellt – und nun also den Anteilschein von Blue Cap. Ein wenig Zufall sicher auch dabei, andererseits bieten die zurzeit enormen Discounts auf den fairen Wert nunmal attraktive Einstiegschancen für Anleger. Bei Blue Cap etwa klafft momentan eine ungewöhnlich große Lücke von 45 Prozent zwischen Börsenwert und Net-Asset Value – kurz: NAV. Um die Gründe für die Diskrepanz zu verstehen, hat sich boersengefluester.de jetzt – wenige Tage vor Veröffentlichung der Neun-Monats-Zahlen – in Frankfurt zum Hintergrundgespräch mit Blue Cap-CEO Tobias Hoffmann-Becking getroffen. Was die konkreten Daten zu Umsatz und Ergebnis angeht, musste sich der Vorstand entsprechend zurückhalten. Unangenehme Überraschungen sind aber wohl nicht zu befürchten. „Die Zahlen für das dritte Quartal liegen im Rahmen der Erwartungen“, sagt Tobias Hoffmann-Becking.
Das Update mit allen Zahlen und Detailinfos gibt es dann am 24. Oktober 2022 auf dem von Montega veranstalteten virtuellen Round Table, auch dort wird boersengefluester.de vor Ort sein. Demnach bleibt es wohl bei der Aussage, dass für 2022 mit Erlösen zwischen 335 und 350 Mio. Euro sowie einem bereinigten Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (adj. EBITDA) in einer Bandbreite von rund 27 bis 32 Mio. Euro zu rechnen sei. Das entspricht einer adjustierten EBITDA-Marge von 8 bis 9 Prozent. Zur Einordnung: Zum Halbjahr hatte Blue Cap die für das Gesamtjahr zu erwartende Umsatzspanne von zuvor 305 bis 325 Mio. Euro heraufgesetzt, dafür aber die ehemals prognostizierte EBITDA-Rendite von 9 bis 10 Prozent an beiden Enden um einen Prozentpunkt gekürzt.
Übersetzt heißt das: Operativ läuft es – auch dank höherer Absatzpreise – durchaus robust. Allerdings fressen die Belastungen in Form von teurer Energie und gestörten Lieferketten einen Teil der Marge wieder auf. Ein Bild, was zurzeit von vielen Unternehmen gezeichnet wird. „Die Bremsspuren in Q4 werden größer“, sagt Tobias Hoffmann-Becking. Schließlich ist die in München ansässige Blue Cap AG in energieintensiven Branchen wie dem Plastiksektor – von der Belieferung für den Automotivesektor bis hin zum Joghurtbecher – unterwegs. Insgesamt umfasst das Konzernportfolio zurzeit neun Unternehmen: 3 x Plastics, 2 x Klebstoffe bzw. Glasuren, 2 x Business Services (Übersetzungen/Sprachdienstleistungen sowie Elektronikdistribution), 1 x „Others“ (Messsysteme) plus die Minderheitsbeteiligung von 42 Prozent an dem Laborausstatter Inheco. Als klassischer Corona-Profiteur galt Inheco zwischenzeitlich sogar als Kandidat für ein eigenes IPO. Zwar laufen die Geschäfte bei Inheco aus Planegg noch immer ziemlich gut, doch von den Börsenplänen haben die Gesellschafter dem Vernehmen nach Abstand genommen und wollen das Unternehmen in den nächsten Jahren aus eigener Kraft weiter entwickeln.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 141,76 | 176,11 | 225,67 | 232,00 | 267,35 | 347,51 | 273,32 | |
EBITDA1,2 | 11,18 | 11,52 | 15,01 | 34,47 | 25,41 | 30,30 | 15,18 | |
EBITDA-Marge3 | 7,89 | 6,54 | 6,65 | 14,86 | 9,50 | 8,72 | 5,55 | |
EBIT1,4 | 8,48 | 6,60 | 4,65 | 21,37 | 7,82 | 16,96 | -13,51 | |
EBIT-Marge5 | 5,98 | 3,75 | 2,06 | 9,21 | 2,93 | 4,88 | -4,94 | |
Jahresüberschuss1 | 40,01 | 4,62 | 2,82 | 16,49 | 4,72 | 10,44 | -20,28 | |
Netto-Marge6 | 28,22 | 2,62 | 1,25 | 7,11 | 1,77 | 3,00 | -7,42 | |
Cashflow1,7 | 3,15 | 0,28 | 1,84 | 12,60 | 12,44 | 16,99 | 19,60 | |
Ergebnis je Aktie8 | 10,05 | 1,16 | 0,71 | 4,15 | 1,24 | 2,78 | -4,02 | |
Dividende8 | 1,00 | 0,75 | 0,75 | 1,00 | 0,85 | 0,90 | 0,65 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: Deloitte |
Zu den Dauerthemen aus dem Blue Cap-Beteiligungskreis gehört das Engagement bei dem früher selbst einmal börsennotiert gewesenen Folienspezialisten Neschen. „Hier ist der Boden mehr als erreicht“, sagt Tobias Hoffmann-Becking mit Blick auf die operativen Fortschritte. Eine Option, die sich momentan in der Prüfung befindet, ist jedoch die Neschen-Vetriebseinheiten von teilweise zu schließen oder zu verkaufen. Neschen würde damit zwar 7 bis 8 Mio. Euro an Umsatz einbüßen, dafür aber an Profitabilität gewinnen. Insgesamt also eine vorteilhafte Entwicklung. Weiterhin Stillstand herrscht derweil bei einem aus Börsensicht ganz heiklen Punkt: Der Aktionärsstruktur. Rund 42 Prozent hält die schon seit geraumer Zeit in Auflösung befindliche PartnerFonds AG.
Klar ist, dass im Zuge der Liquidation die Anteile an der Blue Cap AG veräußert werden sollen. Nur tut sich hier eben nichts. Und bei Kursen leicht oberhalb von 20 Euro ist auch nicht unbedingt zu erwarten, dass Bewegung in den zähen Prozess kommt. Dabei wären ein höherer Streubesitz und die damit verbundene bessere Handelsliquidität enorm wichtig für die weitere Performance des im Frankfurter Freiverkehrssegment Scale gelisteten Titel. Schon jetzt dürfte es so sein, dass der potenzielle Aktienüberhang durch PartnerFonds so manchen Anleger abschreckt und damit das mittelfristige Ziel eines Börsenwerts nördlich von 200 Mio. Euro zusätzlich schwieriger zu erreichen wird.
Auf der Habenseite sollte dagegen auch zur nächsten Hauptversammlung eine ansprechende Dividendenrendite stehen. Zwar ist es für den Vorschlag zur Gewinnverwendung noch viel zu früh und es gibt gerade jetzt auch gute Argumente dafür, die Reserven zu stärken. Doch für den Normalfall geht boersengefluester.de davon aus, dass es für 2022 erneut eine Dividende von 0,85 Euro je Aktie geben wird. Immerhin gehört eine verlässliche Dividende auch zur Equity Story der meisten Beteiligungsgesellschaften. Bleibt die Frage nach dem so großen Abstand zwischen Börsenwert und NAV. Nun: Vermutlich nimmt der Kapitalmarkt zu einem gewissen Teil einfach vorweg, dass der zum Halbjahr 2022 berechnete NAV von 168,5 Mio. Euro – entsprechend etwas mehr als 38 Euro je Aktie – im kommenden Jahr rückläufig sein dürfte. Immerhin sind die allgemeinen Bewertungsmultiples allesamt auf Südkurs.
Das nächste Update von Blue Cap hierzu wird es freilich erst mit Veröffentlichung des Geschäftsberichts 2022 im kommenden Frühjahr geben. Mit den Q3-Zahlen ist keine Aktualisierung des NAV geplant. Das sportliche Investor Relations-Ziel von CEO Tobias Hoffmann-Becking bleibt es derweil, den Abstand zwischen Aktienkurs und Substanzwert auf eine Größenordnung von 10 bis 20 Prozent zu reduzieren. Nun: Um das zu erreichen, müsste für unseren Geschmack insbesondere das PartnerFonds-Thema gelöst werden. Damit wäre viel erreicht, denn ansonsten macht das Team um Tobias Hoffmann-Becking einen guten Job und hat der früher manchmal etwas angestaubt wirkenden Beteiligungsgesellschaft deutlich mehr Dynamik verpasst.
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