Ganz besonders findige Anleger hätten bereits mit ein paar Stunden Vorsprung auf die Aktie von Bio-Gate tippen können. Mit Datum 27. Oktober gaben die Nürnberger Verkehrsbetriebe VAG nämlich bekannt, wie sie sich für den Corona-Herbst rüsten wollen. In der Pressemitteilung dazu (HIER) heißt es: „… Darüber hinaus behandeln wir in den nächsten Monaten die relevanten Oberflächen wie Haltestangen oder Sitze in allen Fahrzeugen mit einer antiviralen, antibakteriellen und antimikrobiellen Lösung, um den passiven Hygienestandard weiter zu verbessern. Erste Tests ergaben, dass dadurch die Keimbelastung im Mittel um 90 Prozent für mehr als eine Woche reduziert werden konnte. Zum Einsatz kommt ein Verfahren eines Nürnberger Medizinprodukteunternehmens, das auf innovative Technologien für Gesundheit und Hygiene spezialisiert ist.“
Zugegeben: Hieraus gleich auf Bio-Gate schließen zu können, ist schon die hohe Kunst der Spezialwerteschule. Letztlich hat nun aber auch Bio-Gate selbst den Schleier gelüftet und berichtet von der Einführung ihres MSBG-Tec Imprägnier-Sprays im öffentlichen Nahverkehr in Nürnberg. Dem Vernehmen nach ist die VAG – neben einem weiteren inländischen Verkehrsbetrieb und Kunden im Ausland – einer der ersten Verwender des Imprägnier-Sprays. Finanzielle Details zu den Deals nennt Bio-Gate nicht. Aber es ist wohl wenig verwunderlich, dass die Investoren in der aktuellen Gemengelage auf die Meldung aufspringen und dem Aktienkurs einen Schub von in der Spitze fast 25 Prozent verpassen. Bevor jetzt noch mehr Anleger einsteigen wollen, sollten sie sich zumindest ein wenig näher mit dem Unternehmen auseinandersetzten. Vereinfacht ausgedrückt bieten die Nürnberger auf mikroporösem Silber basierende Beschichtungsprodukte für den Einsatz in der Medizintechnik auf orthopädischen Implantaten, in der Kosmetik oder auch für die Wundversorgung an. Aber auch als Pflanzenhilfsmittel oder im Bereich der Tiermedizin (Klauen-, Haut- und Fellpflege) kommen die Produkte von Bio-Gate zum Einsatz.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 3,83 | 3,69 | 3,49 | 5,13 | 6,24 | 5,90 | 7,25 | |
EBITDA1,2 | 0,05 | -0,64 | -0,75 | -0,52 | -0,35 | -1,55 | -1,33 | |
EBITDA-Marge3 | 1,31 | -17,34 | -21,49 | -10,14 | -5,61 | -26,27 | -18,35 | |
EBIT1,4 | -0,19 | -0,89 | -1,05 | -0,82 | -0,54 | -1,79 | -1,59 | |
EBIT-Marge5 | -4,96 | -24,12 | -30,09 | -15,98 | -8,65 | -30,34 | -21,93 | |
Jahresüberschuss1 | -0,18 | -0,87 | -1,03 | -0,80 | -0,56 | -1,81 | -1,62 | |
Netto-Marge6 | -4,70 | -23,58 | -29,51 | -15,59 | -8,97 | -30,68 | -22,35 | |
Cashflow1,7 | -0,11 | -0,57 | -1,01 | -0,60 | -0,63 | -2,16 | -0,98 | |
Ergebnis je Aktie8 | -0,03 | -0,14 | -0,16 | -0,11 | -0,07 | -0,22 | -0,19 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: Rödl & Partner |
Wer denkt, dass Bio-Gate bestimmt ein Unternehmen mit vielen hundert Millionen Euro Umsatz und entsprechend stattlichem Börsenwert sein muss, bekommt jetzt aber einen Dämpfer. Letztlich pendeln die Erlöse seit Jahren gerade einmal zwischen gut 2 und knapp 4 Mio. Euro – bei kontinuierlich roten Zahlen. Die Marktkapitalisierung beträgt trotz des jüngsten Hüpfers weniger als 20 Mio. Euro, wovon gerade einmal 7,6 Prozent dem Streubesitz zuzurechnen sind. Größter Aktionär mit 51,2 Prozent ist die Syntos Beteiligungs GmbH, maßgeblich beteiligt mit 18,9 Prozent ist aber auch die Mountain Technology AG aus dem Umfeld der ebenfalls börsennotierten Beteiligungsgesellschaft Mountain Alliance, die Ende Mai 2020 am so erfolgreichen IPO des Datenbankspezialisten Exasol beteiligt war. Langjährige Firmenkenner von Bio-Gate werden – ohne mit der Wimper zu zucken – bestätigen, dass der Hygienespezialist schwierige Zeiten hinter sich hat und es immer wieder Rückschläge gab. Zumindest aus heutiger Sicht deutlich wichtiger ist jedoch, dass sich Bio-Gate – nicht nur wegen des COVID-19-Geschäfts – auf einem guten Weg befindet.
Die Halbjahreszahlen zeigten bereits spürbares Umsatzwachstum und einen auf 283.000 Euro signifikant verringerten Fehlbetrag. Im Frühjahr 2020 gab es zudem eine kleine Kapitalerhöhung, die brutto rund 500.000 Euro in die Kassen spülte. Die Eigenkapitalquote beträgt zurzeit rund 50 Prozent. Auffällig auch, dass Bio-Gate – was die Kapitalmarktkommunikation angeht – ziemlich unauffällig agiert. Auf den einschlägigen Investorenkonferenzen ist die Gesellschaft nicht zu finden, was in diesem Fall nicht negativ gemeint ist. Letztlich hatte das Vorstandsteam um CEO Marc Lloret-Grau genügend operative Themen vor der Brust, die es erst einmal zu erledigen galt. Das geht definitiv vor. Womöglich ist es nun aber an der Zeit, sich vorsichtig aus der Deckung zu wagen. Summa summarum gehört der Micro Cap also mindestens auf die Beobachtungsliste. An dieser Stelle unbedingt der Hinweis auf die geringe Handelsliquidität in dem Titel. Und dass sich Bio-Gate mit dem Schutz vor Corona-Viren beschäftigt, ist auch keine ganz neue Erkenntnis. Dafür bauchte man nur das Vorwort des im Juni erschienen Geschäftsberichts 2019 zu lesen.
Foto: © VAG – Dieter Kachelrieß