Schlechter hätte das Timing für unsere Berichterstattung zur Binect-Aktie (HIER) kaum sein können. Immerhin hat die Notiz des Dienstleisters für die digitale Bearbeitung von Firmenpost seit Anfang September 2021 kontinuierlich den Rückwärtsgang eingelegt und war zuletzt sogar kurz unter die Marke von 2,60 Euro getaucht. Per saldo entspricht das einem Verlust an Börsenwert von rund einem Drittel. Meldungen von Unternehmensseite, die den Kursrutsch erklären, gibt es keine. Daher hat boersengefluester.de bei CEO Frank Wermeyer nachgefragt, um mögliche Ursachen zu erörtern. „Operativ bewegen wir uns absolut im Rahmen der Erwartungen. Und dies in jeglicher Hinsicht: Sowohl beim Umsatz, der sich auf Planniveau bewegt, als auch bei der Optimierung der Software-Plattform“, sagt Wermeyer und zeigt sich ebenfalls enttäuscht vom Chartverlauf. So steht Wermeyer weiterhin zu der Prognose, wonach für 2021 mit einem Umsatzwachstum in einer Bandbreite zwischen 15 und 20 Prozent sowie einem positiven Jahresergebnis zu rechnen sei.
Wo genau Binect am Jahresende herauskommt, wird sich freilich erst kurz vor Toreschluss entscheiden. Dem Vernehmen nach lief das dritte Quartal in einzelnen Sektoren, wie dem Gesundheitswesen oder auch dem Öffentlichen Bereich, noch vergleichsweise schleppend. Neben dem Dauerthema Corona entpuppte sich im Behördengeschäft die Bundestagswahl als Bremsfaktor. Sehr erfreulich kommen seit dem vierten Quartal hingegen die Aktivitäten mit den Kunden aus der Wohnungswirtschaft voran. Überhaupt: Mut macht, dass es seit November auf breiter Front aufwärts geht. Sollten zum Jahresende noch größere Massenversendungen – etwa von einer Krankenkasse – digitalisiert werden, sollte sich das direkt positiv bemerkbar machen. Trotzdem: Wenn wir die Tonalität von Wermeyer richtig deuten, sollten Anleger jetzt keine Wunderdinge erwarten. Nach Einschätzung von boersengefluester.de wäre vermutlich ein Erlösplus von 15 oder 16 Prozent für 2021 ein – gemessen an den noch immer herausfordernden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen – bereits ein schöner Erfolg.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 6,62 | 1,16 | 8,86 | 9,08 | 10,11 | 12,48 | 14,78 | |
EBITDA1,2 | -4,31 | -0,10 | -3,77 | 1,15 | 0,63 | 0,74 | 0,85 | |
EBITDA-Marge3 | -65,11 | -8,62 | -42,55 | 12,67 | 6,23 | 5,93 | 5,75 | |
EBIT1,4 | -17,37 | -0,13 | -5,28 | 0,45 | 0,19 | 0,32 | 0,35 | |
EBIT-Marge5 | -262,39 | -11,21 | -59,59 | 4,96 | 1,88 | 2,56 | 2,37 | |
Jahresüberschuss1 | -16,46 | -13,65 | -4,76 | 0,45 | 0,10 | 0,15 | 0,10 | |
Netto-Marge6 | -248,64 | -1.176,72 | -53,72 | 4,96 | 0,99 | 1,20 | 0,68 | |
Cashflow1,7 | -3,15 | -13,61 | 0,59 | 0,85 | -0,46 | 1,45 | 0,97 | |
Ergebnis je Aktie8 | -7,07 | -11,20 | -1,79 | 0,17 | 0,03 | 0,05 | 0,03 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: ba audit |
Noch nicht in die Karten schauen lässt sich Wermeyer auch bezüglich des zu erwartenden Ergebnisses. Angesichts der umfangreichen Investitionen in die Harmonisierung der Plattformen dürfte der Zwischenstand vom Halbjahr – per 30. Juni 2021 fiel der Überschuss um knapp 15 Prozent auf 152.000 Euro zurück – aber eine gute Indikation für das Gesamtjahr sein. Sprich: Vermutlich wird der Überschuss auch am Jahresende leicht unter dem entsprechenden Vorjahreswert liegen, was damit ebenfalls im Rahmen unserer Erwartungen liegt. Ein nicht unerheblicher Teil des Ertrags wird dabei aus der Aktivierung von Eigenleistungen – sprich der Investitionen – stammen. Mit Blick auf 2022 geht boersengefluester.de davon aus, dass beim Umsatz mit ähnlichen Wachstumsraten wie für 2021 zu rechnen ist. Dabei steht die Erweiterung des Geschäfts auf den Bereich Posteingang weiter auf der Agenda. Perspektivisch wird sich Binect ohnehin als Komplettanbieter für Lösungen in den Bereichen Postausgang und Posteingang – digital und papierbasiert – positionieren müssen. Die Kooperation mit dem Archivierungs- und Digitalisierungsspezialisten Reisswolf ist dabei wohl nur ein Baustein – weitere Produktpartner dürften folgen. So viel scheint jetzt schon klar zu sein.
Mit Blick auf die Aktie könnte auch ein Analysten-Research für frische Impulse sorgen. Bislang gibt es nämlich keine Coverage, was die Visibilität am Kapitalmarkt einengt. Erster Ansprechpartner dürfte da die BankM sein, die auch als Designated Sponsor in Sachen Kursstellung für Binect aktiv ist. Wobei: Angesichts von Umsatzerlösen in der Region nördlich von 10 Mio. Euro sowie einem Eigenkapital von rund 8,5 Mio. Euro, ist ein Börsenwert von zurzeit nur knapp 9 Mio. Euro alles andere als ambitioniert. Da braucht es gar keine großen Discounted Cashflow-Modelle, um dies zu erkennen.
Die Mini-Kapitalisierung ist freilich auch eine Bürde, da sie mit entsprechend geringen Handelsumsätzen einhergeht. Immerhin befinden sich die Anteilscheine zum Großteil im Streubesitz. Offiziell beträgt der Freefloat 94 Prozent. Selbst wenn man einige größere Adressen davon abzieht, dürften noch gut 70 Prozent dem freien Umlauf zuzurechnen sein. Per saldo ist die Aktie aber dennoch nur für sehr risikobereite Investoren geeignet – schon allein wegen des niedrigen Börsenwerts. Zur Einordnung: Von den zurzeit 650 Aktien aus unserer Datenbank haben nur 30 Firmen eine Kapitalisierung von weniger als 10 Mio. Euro.
Foto: Clipdealer