Absolut frustrierend das Chartbild von Binect. Abgesehen von kleineren Erholungen, befindet sich die Aktie des Anbieters von Digitalisierungslösungen für die Bearbeitung von Geschäftspost seit Jahresbeginn 2023 in einem kontinuierlichen Abwärtsstrudel. Keine dramatischen Bewegungen, doch ausgehend vom Januar-Hoch bei rund 2,80 Euro türmt sich das Kursminus zum Jahrestief mittlerweile auf etwas mehr als ein Viertel. Parallel dazu ist der Börsenwert auf nur noch 6,6 Mio. Euro geschrumpft. Damit gehört Binect zu den kleinsten Werten aus der rund 640 Titel umfassenden Datenbank von boersengefluester.de – nur rund fünf Prozent der Unternehmen haben einen noch niedrigeren Börsenwert. In gewisser Weise ein Teufelskreis, denn je mehr Micro die Kapitalisierung, desto schwieriger wird es am Kapitalmarkt eine ansprechende Bewertung und auch Resonanz zu bekommen.
Zumindest für boersengefluester.de ist der geringe Börsenwert kein Grund, die Aktie zu meiden, daher haben wir uns auch eine gute Stunde Zeit genommen und den von der BankM organisierten Halbjahres-Call mit CEO Frank Wermeyer am 26. September angehört. „Wir sind auf einem guten Weg“, fasst Wermeyer den Zwischenbericht für die ersten sechs Monate 2023 zusammen. So kommt der Umsatz um 15,0 Prozent auf 6,95 Mio. Euro voran. Das Ergebnis vor Steuern verbessert sich um 26,7 Prozent auf knapp 247.000 Euro. Einen maßgeblichen Anteil am Gewinnanstieg haben dabei allerdings die um 300.000 auf 667.000 Euro aktivierten Eigenleistungen für die Software-Plattform Binect ONE. Ein Bilanzierungsposten, auf den First Class-Softwareanbieter aus dem Nebenwertesektor wie zum Beispiel Mensch und Maschine oder auch USU Software so nicht zurückgreifen würden, der andererseits aber durchaus übliche Praxis ist.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 6,62 | 1,16 | 8,86 | 9,08 | 10,11 | 12,48 | 14,78 | |
EBITDA1,2 | -4,31 | -0,10 | -3,77 | 1,15 | 0,63 | 0,74 | 0,85 | |
EBITDA-Marge3 | -65,11 | -8,62 | -42,55 | 12,67 | 6,23 | 5,93 | 5,75 | |
EBIT1,4 | -17,37 | -0,13 | -5,28 | 0,45 | 0,19 | 0,32 | 0,35 | |
EBIT-Marge5 | -262,39 | -11,21 | -59,59 | 4,96 | 1,88 | 2,56 | 2,37 | |
Jahresüberschuss1 | -16,46 | -13,65 | -4,76 | 0,45 | 0,10 | 0,15 | 0,10 | |
Netto-Marge6 | -248,64 | -1.176,72 | -53,72 | 4,96 | 0,99 | 1,20 | 0,68 | |
Cashflow1,7 | -3,15 | -13,61 | 0,59 | 0,85 | -0,46 | 1,45 | 0,97 | |
Ergebnis je Aktie8 | -7,07 | -11,20 | -1,79 | 0,17 | 0,03 | 0,05 | 0,03 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: ba audit |
Wichtig an dieser Stelle die Botschaft, dass die aktivierten Eigenleistungen perspektivisch rückläufig sein werden. Immerhin betont Frank Wermeyer: „Binect ONE steht kurz vor dem Abschluss.“ Entsprechend zuversichtlich ist der Vorstand auch, dass nach der Investmentphase nun die Zeit der Skalierung naht. Einer der größten Kunden, die AOK Niedersachsen, ist bereits komplett auf den neuen WebClient migriert. Zudem entfallen mittlerweile bereits 69 Prozent der Umsätze auf eigene Standardsoftwarelösungen – vor nicht allzu langer Zeit lag der Anteil noch bei deutlich unter 50 Prozent. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass das ursprüngliche Ziel, den Auftragsbestand im laufenden Jahr deutlich zu steigern, so nicht aufgegangen ist. Dafür ist das allgemeine Umfeld weiterhin zu ruppig, gerade potenzielle Neukunden warten mit der Auftragserteilung häufig ab und schieben eigentlich notwendige Projekte immer wieder in die Zukunft.
In die richtige Richtung scheint derweil die Kooperation mit dem bayerischen Softwareanbieter One Click Solutions zu gehen. Ziel ist es hier, verstärkt Kunden für die digitale Posteingangsverarbeitung zugewinnen. Diese Erweiterung ist für Binect enorm wichtig, denn bislang ist das Unternehmen auf die Postausgangsseite fokussiert. Stillstand herrscht dagegen beim Geschäft mit dem DAX-Konzern Deutsche Post im Bereich der E-Post Business Box. Das liegt zum einend daran, dass auch kleinere Kunden zunehmend alternative Versendungen für ihre Post ausprobieren. Ein Manko scheint aber auch, dass Binect nicht selbst für das Vermarktung der Business Box verantwortlich ist. Umso aktiver will die Gesellschaft bei der Forcierung der Aktivitäten rund um die ONE-Plattform werden. „Auf der Marketingseite geben wir mehr Gas“, verspricht Wermeyer. Insbesondere Posteingang und der Einsatz von KI-Modellen stehen oben auf der Agenda.
Zudem erschließt sich auch Binect alternative Zusteller und Fullfillmentpartner – die Kooperation mit Campaign aus dem Bertelsmann-Verbund ist hier offenbar nur der Anfang. Positiv auch, dass sich trotz der schwierigen Rahmenbedingungen die Erlöse zuletzt weiter gut entwickelt haben. Frank Wermeyer spricht gar davon, am „obersten Rand der Prognose“ unterwegs zu sein. Dabei sieht der offizielle Ausblick für 2023 ein Umsatzwachstum von 10 bis 15 Prozent vor – bei einem deutlich positiven Ergebnis vor Steuern. Die Analysten der BankM gehen davon aus, dass das Unternehmens mit Sitz in Weiterstadt erstmals im Jahr 2025 die Schwelle von 1 Mio. Euro Gewinn vor Steuern signifikant knackt – wobei zwischen brutto und netto aufgrund der bestehenden Verlustvorträge kein großer Unterschied besteht. Vor diesem Hintergrund sieht die Bewertung der Aktie schon jetzt sehr attraktiv aus.
„Die Kursentwicklung läuft konträr zur operativ guten Entwicklung“, sagt Frank Wermeyer, ohne jetzt zu sehr auf diesem Thema rumreiten zu wollen. Schließlich weiß auch er, dass es nicht die vorderste Aufgabe des Vorstands ist, den eigenen Aktienkurs zu kommentieren. Gleichsam lässt Wermeyer durchblicken, dass er IR-technisch möglicherweise ebenfalls mehr in die Offensive geht, um die Schere zwischen Aktienkurs und Geschäft wieder zu schließen. Es gibt also Hoffnung für die Binect-Aktionäre.
Foto: Unsplash+
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