Frank Wermeyer weiß, dass es nicht zwingend gut ankommt, wenn sich Vorstände über den eigenen Aktienkurs auslassen. Auf dem Investoren-Call zur Vorlage des Geschäftsberichts 2022 am 13. April 2023 machte der CEO des Postdienstleisters Binect trotzdem eine Ausnahme. Demnach spiegelt sich die anhaltend positive operative Entwicklung im Chartbild immer noch nicht wider. „Da könnte aus unserer Sicht mehr gehen“, sagt Frank Wermeyer. Tatsächlich hangelt sich die Notiz nun schon seit deutlich mehr als einem Jahr in einer Bandbreite zwischen 2 und 3 Euro hin und her, ohne nachhaltig an Terrain zu gewinnen. Keine Frage: Mit einem Börsenwert von zurzeit knapp 8,5 Mio. Euro gehört Binect zu den kleinsten Unternehmen aus der rund 650 Titel umfassenden Datenbank von boersengefluester.de, entsprechend niedrig ist die Handelsliquidität.
Gerade in unsicheren Zeiten machen viele Investoren eher einen Bogen um solche Papiere – unabhängig von der fundamentalen Bewertung. Umso wichtiger für Binect, dass sich doch vergleichsweise viele Anleger für den nahezu komplett im Streubesitz befindlichen Titel interessieren. Dafür spricht auch, dass sich die Zahl der Teilnehmer an der von der BankM organisierten virtuellen Veranstaltung gegenüber Vorjahr nochmals erhöht hat. Zudem pflegt Frank Wermeyer eine offene Investor Relations-Politik und präsentiert regelmäßig auf Veranstaltungen wie der Frühjahrskonferenz in Frankfurt oder der von GBC veranstalteten MKK Münchner Kapitalmarkt Konferenz. Wirtschaftlich nimmt die vor wenigen Jahren noch ein Restrukturierungsfall gewesene Gesellschaft immer besser Fahrt auf und verkraftet selbst die anhaltende Investitionsphase für eine komplette Neuaufsetzung der technischen Plattform sowie die Erweiterung des bislang auf die Digitalisierung von Ausgangspost ausgerichteten Geschäftsmodells – etwa Richtung Lösungen für den Posteingang – überraschend robust.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 6,62 | 1,16 | 8,86 | 9,08 | 10,11 | 12,48 | 14,78 | |
EBITDA1,2 | -4,31 | -0,10 | -3,77 | 1,15 | 0,63 | 0,74 | 0,85 | |
EBITDA-Marge3 | -65,11 | -8,62 | -42,55 | 12,67 | 6,23 | 5,93 | 5,75 | |
EBIT1,4 | -17,37 | -0,13 | -5,28 | 0,45 | 0,19 | 0,32 | 0,35 | |
EBIT-Marge5 | -262,39 | -11,21 | -59,59 | 4,96 | 1,88 | 2,56 | 2,37 | |
Jahresüberschuss1 | -16,46 | -13,65 | -4,76 | 0,45 | 0,10 | 0,15 | 0,10 | |
Netto-Marge6 | -248,64 | -1.176,72 | -53,72 | 4,96 | 0,99 | 1,20 | 0,68 | |
Cashflow1,7 | -3,15 | -13,61 | 0,59 | 0,85 | -0,46 | 1,45 | 0,97 | |
Ergebnis je Aktie8 | -7,07 | -11,20 | -1,79 | 0,17 | 0,03 | 0,05 | 0,03 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: ba audit |
So stiegen die Erlöse im vergangenen Jahr um 23,5 Prozent auf 12,48 Mio. Euro. Beachtlich: Fast 64 Prozent davon entfallen bereits auf die im strategischen Fokus stehenden Standardprodukte und zeichnen sich durch eine entsprechend gute Planbarkeit aus. Das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) kletterte deutlich von 633.000 Euro auf rund 714.000 Euro. Noch sehr viel deutlich schnellte der 2021 noch durch eine negativen Sondereffekt belastete Cashflow in die Höhe: Er drehte von minus 465.000 Euro auf plus 1,45 Mio. Euro. „Damit haben wir die Erwartungen klar übertroffen“, fasst Frank Wermeyer die wesentlichen Kennzahlen zusammen. Für das laufende Jahr peilt das Unternehmen mit Sitz in dem unweit von Darmstadt gelegenen Weiterstadt einen weiteren Erlöszuwachs zwischen 10 und 15 Prozent auf dann wohl mindestens 14 Mio. Euro an. Das EBITDA soll weiter wachsen und „deutlich positiv“ sein.
Auf eine quantitative Bandbreitenprognose will sich Frank Wermeyer aber auch in diesem Jahr nicht hinreißen lassen. Immerhin betont der Manager, dass das erste Quartal „sehr erfreulich“ verlaufen sei und die kostenintensivste Phase des technischen Umbaus vor ihrem Abschluss steht. Nach Auffassung von boersengefluester.de könnte es demnach gut möglich sein, Binect 2023 beim EBITDA an die Marke von 1 Mio. Euro kommt. Ein Selbstläufer ist der Ausblick aber nicht. „Es gibt mittlerweile einen Stau von Digitalisierungsprojekten. Das kann dazu führen, dass Aufträge geschoben werden“, sagt Frank Wermeyer. Ein Phänomen, was offenbar gerade im öffentlichen Sektor zu beobachten ist. Ansonsten hat Binect durch eine Ausweitung des Kundenstamms um Bereiche wie Krankenkassen oder auch die Wohnungswirtschaft mittlerweile eine gute Balance gefunden.
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Spannend wird, welche Performance das mit der Deutschen Post betriebene Geschäft um die E-Postbusiness Box künftig entfalten wird. Zuletzt waren die Sendungsmengen hier nämlich rückläufig. Anderseits schafft die Verlängerung des Rahmenvertrags (inklusive vereinbarter Mindestmengen) mit dem DAX-Konzern bis Ende 2025 die Möglichkeit, das hardwarebasierte Angebot zu einer modernen SaaS-Lösung weiter zu entwickeln. „Wir wollen das Produkt gemeinsam mit der Deutschen Post zukunftsfest machen“, verspricht Frank Wermeyer. Der Transformationsprozess der für Mittelstandskunden konzipierten E-Postbusiness Box befindet demnach bereits auf der Schiene. Bilanziell ist bei Binect derweil längst wieder alles im grünen Bereich. Das 2022 leicht auf 8,68 Mio. Euro gestiegene Eigenkapital macht nicht nur stattliche 75 Prozent der Bilanzsumme aus, sondern entspricht auch beinahe genau dem Börsenwert.
Mit anderen Worten: Die Bincet-Aktie wird derzeit gerade einmal zum Buchwert gehandelt. Die Analysten der BankM haben den fairen Wert des Titels zuletzt bei etwas mehr als 4 Euro angesetzt, normalweise sollte es zur jetzt erfolgten Vorlage des Geschäftsberichts aber eine Update-Studie geben. Zumindest mit Blick auf die Präsentation von Frank Wermeyer gibt es aber eher keinen Grund, warum sich an dieser Einschätzung etwas gravierend geändert haben sollte. Wer sich als Anleger an Mini-Aktien wie der nur im Freiverkehr gelisteten Binect herantraut, findet hier also eine feine Investmentstory.
Foto: Nicolas Houdayer auf Unsplash