Wegen seiner katastrophalen Performance hat der Neuemissionsjahrgang 2021 fast schon eine traurige Berühmtheit in der Börsenszene. Aktien wie Veganz, Fashionette, Cherry, Mister Spex oder die Auto1 Group bescherten Anlegern – allein im laufenden Jahr – Verluste von bis zu 80 Prozent. Mit zu diesen IPO-Zitronen gehört die Bike24 Holding, deren Anteilschein nach nun knapp einem Jahr an der Börse um 75 Prozent unterhalb des Ausgabekurses notiert. Das ist zunächst einmal insofern erstaunlich, weil die Nachfrage nach Fahrrädern ja immer noch enorm hoch ist und Kunden lange Wartezeiten in Kauf nehmen müssen. Hinzu kommt, dass Bike24 über die Zubehörschiene – von Radfahren bis hin zu Outdoor-Produkten – über ein vergleichsweise stabiles Geschäftsmodell mit wiederkehrenden Erlösen verfügt. Aus Sicht der Unternehmen spürbar kritischer geworden ist freilich die Situation auf dem Beschaffungsmarkt – gepaart mit den rasant steigenden Preisen. Hinzu kommt für die Onlinehändler, dass die während des harten Lockdowns geschlossenen stationären Geschäfte, längst wieder normal geöffnet haben.
Insgesamt stellt sich aber doch die Frage, welches Szenario der Markt bei Bike24 derzeit spielt. Auf dem jetzigen Niveau bringt es das Unternehmen nämlich nur noch auf einen Börsenwert von 172 Mio. Euro, was einem Abschlag von bald fast einem Viertel zum zuletzt ausgewiesenen Eigenkapital von 223 Mio. Euro entspricht. Dabei ist die Finanzlage stabil, die Mittel aus dem Börsengang setzt das Unternehmen aus Dresden vorrangig zur Umsetzung der europaweiten Expansion ein. Die jüngsten Investitionen gelten etwa dem Aufbau eines Logistikzentrums in Barcelona. Abstriche machen muss Vorstand Andrés Martin-Birner aber was den Ausblick für das Gesamtjahr angeht.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 103,63 | 118,66 | 137,10 | 199,15 | 250,16 | 261,52 | 226,34 | |
EBITDA1,2 | 11,25 | 12,66 | 15,24 | 23,97 | 20,34 | 7,21 | -6,08 | |
EBITDA-Marge3 | 10,86 | 10,67 | 11,12 | 12,04 | 8,13 | 2,76 | -2,69 | |
EBIT1,4 | 7,55 | 3,15 | 6,33 | 10,33 | 6,11 | -7,78 | -83,50 | |
EBIT-Marge5 | 7,29 | 2,65 | 4,62 | 5,19 | 2,44 | -2,98 | -36,89 | |
Jahresüberschuss1 | 2,62 | -9,07 | -4,08 | 0,56 | 2,23 | -6,63 | -80,40 | |
Netto-Marge6 | 2,53 | -7,64 | -2,98 | 0,28 | 0,89 | -2,54 | -35,52 | |
Cashflow1,7 | 2,19 | -1,03 | 3,46 | 21,10 | -9,54 | -11,88 | 6,20 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,06 | -0,21 | -0,09 | 0,01 | 0,05 | -0,15 | -1,82 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: KPMG |
Demnach rechnet er nun nur noch mit einem Umsatzwachstum im unteren Bereich der ursprünglichen Prognos zwischen 10 und 17 Prozent sowie einer – im Wesentlichen um Effekte aus Aktienoptionsprogrammen – bereinigten EBITDA-Marge von 9 bis 10 Prozent. Unterm Strich sollte Bike24 im laufenden Jahr auf Erlöse von knapp 275 Mio. Euro sowie ein adjustiertes EBITDA von rund 25 Mio. Euro zusteuern. Das tatsächlich ausgewiesene EBITDA dürfte um vielleicht 2 bis 3 Mio. Euro niedriger sein. Liquide Mittel und Finanzschulden halten sich bei Bike24 momentan ungefähr die Waage, so dass die Gesellschaft nun etwa mit dem knapp Siebenfachen des EBITDA gehandelt wird. Dabei dürften die operativen Ergebnisse in den kommenden Jahren weiter deutlich wachsen. Normalerweise eine aus Anlegersicht vorteilhafte Bewertung, die vom Markt so allerdings nicht honoriert wird.
Wann die Notiz einen Boden ausbilden wird, lässt sich leider kaum sagen. Allein der Blick auf den Buchwert wird als Stimmungsaufheller kaum reichen, dafür ist der Trend Richtung Süden zu ausgeprägt. Dennoch steht die Aktie bei boersengefluester.de auf „Kaufen“. Am Ende ist der Titel aus unserer Sicht sogar eine kleine Gegenposition auf die so sehr in der Diskussion stehenden Spritpreise. Normalerweise kann das zweite Börsenjahr für die im streng regulierten Prime Standard gelistete Bike24-Aktie fast nur besser werden.
Foto: Tim Foster auf Unsplash