Brutal, wie es den Aktienkurs der Bike24 Holding in den vergangenen zehn Monaten zerschossen hat. Von in der Spitze über 27 Euro ging es im Tief zuletzt bis auf weniger als 3 Euro bergab. Angesichts dieser Entwicklung ist boersengefluester.de auch nicht mehr sonderlich überrascht, dass die Dresdner ihre Ziele für 2022 jetzt erneut nach unten anpassen mussten. Allerdings geht es diesmal ordentlich zur Sache, mit der Vorlage des Q1-Berichts im Mai hatte der Vorstand seine Erwartungen für die Entwicklung von Umsatz und EBITDA ja „nur“ an das untere Ende der zuvor kommunizierten Spanne nachjustiert. So kalkuliert das seit Juni 2021 gelistete Unternehmen nun mit einer Umsatzveränderung zwischen minus 5 und plus 5 Prozent gegenüber 2021 – bei einer bereinigten EBITDA-Marge in einer Bandbreite von 3 bis 6 Prozent. Zum Vergleich: Die bisherige Vorschau des Vorstands sah ein Erlöswachstum von eher 10 Prozent sowie eine um die Aufwendungen für das Aktienoptionsprogramm adjustierte EBITDA-Rendite um die 9 Prozent vor.
Zu der ohnehin schon angespannten Situation im Beschaffungsmarkt hat sich nun eben noch die wegen der allgegenwärtigen Inflation spürbar eingetrübte Stimmung der Konsumenten gesellt. Ein schwieriger Mix, der sich wohl auch erstmal nicht vertreiben lässt. Aber was heißt das nun alles für die Bewertung und damit auch die künftigen Kursaussichten der im streng regulierten Segment Prime Standard gehandellten Bike24-Aktie? Zunächst einmal ist die 2021er-Umsatzbasis von rund 250 Mio. Euro ziemlich hoch, so dass selbst ein Rückgang von bis zu 5 Prozent auf dann etwa 240 Mio. Euro noch immer kein Debakel wäre. Heftiger sind da schon die Effekte aufs operative Ergebnis: Gemäß der neuen Prognose würde sich hier ein Korridor von gut 7 bis etwas mehr als 14 Mio. Euro ergeben. Die Effekte aus dem Optionsprogramm lassen sich nur schwer abschätzen. Boersengefluester.de taxiert das tatsächlich ausgewiesene EBITDA um vielleicht 2 bis 3 Mio. Euro niedriger.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 103,63 | 118,66 | 137,10 | 199,15 | 250,16 | 261,52 | 226,34 | |
EBITDA1,2 | 11,25 | 12,66 | 15,24 | 23,97 | 20,34 | 7,21 | -6,08 | |
EBITDA-Marge3 | 10,86 | 10,67 | 11,12 | 12,04 | 8,13 | 2,76 | -2,69 | |
EBIT1,4 | 7,55 | 3,15 | 6,33 | 10,33 | 6,11 | -7,78 | -83,50 | |
EBIT-Marge5 | 7,29 | 2,65 | 4,62 | 5,19 | 2,44 | -2,98 | -36,89 | |
Jahresüberschuss1 | 2,62 | -9,07 | -4,08 | 0,56 | 2,23 | -6,63 | -80,40 | |
Netto-Marge6 | 2,53 | -7,64 | -2,98 | 0,28 | 0,89 | -2,54 | -35,52 | |
Cashflow1,7 | 2,19 | -1,03 | 3,46 | 21,10 | -9,54 | -11,88 | 6,20 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,06 | -0,21 | -0,09 | 0,01 | 0,05 | -0,15 | -1,82 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: KPMG |
Angesichts der doch recht üppigen Abschreibungen und des klar negativen Finanzergebnisses wird unterm Strich ein stattlicher Verlust stehen. Zu beachten ist allerdings, dass Bike24 momentan kräftig in die Internationalisierung sowie Bauprojekte wie das Logistikzentrum in der Nähe von Barcelona investiert. Die Verlustphase sollte also eher von temporärer Natur sein – so zumindest unsere Hoffnung. Ab 2024 dürfte das Unternehmen auch unter KGV-Gesichtspunkten wieder sinnvoll zu bewerten sein. Bis dahin bietet sich die Relation von Unternehmenswert (Marktkapitalisierung plus Netto-Finanzverbindlichkeiten) zum EBITDA als Kennzahl an. Und diesbezüglich sieht es gar nicht so schlecht aus: Selbst auf der schwachen 2022er-Basis kommt Bike24 hier auf eine Multiple von etwa 14. Bereits mit Blick auf 2023 sollte diese Kennzahl dann eher einstellig sein.
Die Analysten von Berenberg haben ihr Kursziel für die Bike24-Aktie erst kürzlich von rund 15 auf knapp 6 Euro nochmals drastisch gekappt. Positiv formuliert hat der Titel damit aber immer noch ein Potenzial von beinahe 100 Prozent – so tief ist die Notiz abgestürzt. Zur weiteren Einordnung: Der aktuelle Buchwert liegt bei etwa 5 Euro, auch dass ein beachtliches Signal, selbst wenn das Eigenkapital wegen der operativen Verluste im Lauf des Jahres weiter schmelzen wird. Grundsätzlich findet boersengefluester.de das Geschäftsmodell um die Online-Plattform für Fahrräder, Zubehör und Artikel für angrenzende Themen wie Outdoor oder Fitness durchaus attraktiv und auch geeignet, um sich dauerhafte Kundenbeziehungen aufzubauen. Ein Risiko – aber eben auch Chance – ist die Internationalisierung. Hier haben sich schon viele börsennotierte E-Commerce-Hoffnungen finanziell verhoben. Zurzeit sieht es bei Bike24 jedoch nicht danach aus, selbst wenn sich momentan viele Belastungsfaktoren auftürmen. Aber damit haben zurzeit ja nahezu alle Unternehmen zu kämpfen.
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