Unter normalen Umständen wäre bet-at-home.com so etwas wie die Mutter aller „stay-at-home-Aktien“. Da den Linzern im Zuge der Corona-Pandemie aber quasi ihr Hauptprodukt – Sportwetten auf die Fußballspiele der großen europäischen Ligen – verloren ging, bekam der Anteilschein von bet-at-home.com eher den umgekehrten Schwung von Anteilscheinen wie Delivery Hero, Hellofresh oder Home24. Mit Blick auf die Performance seit Jahresbeginn liegt bet-at-home.com per saldo ähnlich weit hinten wie die Aktien von Borussia Dortmund, ProSiebenSat.1 Media oder CTS Eventim. So gesehen sortiert der Kapitalmarkt den Anbieter von Online-Sportwetten und Glücksspielen momentan klar in die Rubrik der Corona-Verlierer. Das eigentlich Interessante ist nun aber, dass die Umsatz- und Ergebniszahlen eine ganz andere Sprache sprechen: Nachdem bereits das erste Quartal 2020 besser als erwartet ausgefallen ist, konnte sich das Unternehmen auch im zweiten Jahresviertel erstaunlich stabil halten und hat auch die bisherige Prognose für das Gesamtjahr bestätigt.
So blieben die Brutto-Wett- und Gamingerträge – also das Spielvolumen minus ausbezahlter Gewinne – im zweiten Jahresviertel mit 30,06 Mio. Euro nur um 11,2 Prozent hinter dem entsprechenden Vorjahresniveau zurück. Das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) fiel um 21,2 Prozent auf 8,65 Mio. Euro zurück. Zum Halbjahr steht damit ein EBITDA von 15,84 Mio. Euro (Vorjahr: 21,32 Mio. Euro) zu Buche. Die EBITDA-Prognose für das Gesamtjahr lässt Finanzvorstand Michael Quatember in einer Spanne von 23 bis 27 Mio. Euro. Keine Frage: Natürlich wären die Resultate bei einem klassischen Ligaspielplan klar besser ausgefallen, zudem hat bet-at-home.com weiterhin mit den regulatorischen Beschneidungen in Polen und der Schweiz zu kämpfen. Insgesamt hat das ehemalige SDAX-Unternehmen all die negativen Einflussfaktoren aber bemerkenswert gut kompensiert. „Online-Gaming wie etwa Casino hat einen sehr stabilen Umsatzbeitrag“, sagt Quatember im Hintergrundgespräch mit boersengefluester.de.
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Tatsächlich steht der – freilich wesentlich margenschwächere – Bereich Online-Gaming zum Halbjahr für mehr als 64 Prozent der Umsätze. „Das zeigt, wie wichtig es ist, dass unser Geschäft auf zwei Säulen basiert.“ Zudem weist Quatember auf den wachsenden Anteil von eSports – also virtuellen Sportveranstaltungen – hin. Einen spürbaren Einfluss übt zudem das vergleichsweise niedrige Marketingbudget von 13,6 Mio. Euro zum Halbjahr aus. Positiv ist hier, dass die Österreicher noch keine markanten Werbegelder für die dann abgesagte Fußball-EM ausgegeben hatten. Last but not least haben die Kunden von bet-at-home.com ihre Einsätze ganz pragmatisch auf exotischere Fußball-Ligen oder gar auf Randsportarten wie zum Beispiel Tischtennis verlagert.
Ohnehin ist der Vergleich zwischen den einzelnen Quartalen verzerrt, weil etwa die Finalrunden für die Champions League oder auch die Europa League im laufenden Jahr in das dritte Quartal fallen und das sonst übliche Sommerloch damit kaum zum Tragen kommt. Sollten sämtliche Veranstaltungen stattfinden – wovon nach heutigem Stand auszugehen ist –, sieht die aktuelle Prognose für das Gesamtjahr also sogar durchaus konservativ aus. Immerhin hat bet-at-home.com zum Halbjahr bereits rund die Hälfte der avisierten Erlöse und zwischen 59 und 69 Prozent des geplanten EBITDA in den Büchern stehen. Positiv aus Investorensicht ist zudem, dass das Eigenkapital in den ersten sechs Monaten 2020 um rund 10 Mio. Euro auf 51,58 Mio. Euro gewachsen ist. Gleichzeitig erhöhten sich die (bei diversen Großbanken sicher angelegten) liquiden Mittel und Termineinlagen um knapp elf Prozent auf 60,72 Mio. Euro – entsprechend 8,65 Euro je Aktie. Fairerweise sei aber gesagt, dass der Dividendenabfluss von rund 14 Mio. Euro aufgrund der auf den 7. Juli 2020 verschobenen Hauptversammlung diesmal erst im dritten Quartal bilanziell erfasst wird.
Keine nennenswerten Veränderungen gibt es derweil auf regulatorischer Ebene, insbesondere was die Neuordnung des Glückspielstaatsvertrags in Deutschland angeht. Aber auch das für bet-at-home.com ehemals so wichtige Polen-Geschäft hat Quatember auf die lange Sicht nicht abgeschrieben und bezeichnet den aktuellen Status nur als eine „Momentaufnahme“. Weiterhin sehr genau geprüft wird zudem die Entwicklung in Märkten wie USA oder Kanada. Ein gutes Zeichen aus Anlegersicht ist derweil auch, dass Großaktionär Betclic Everest seinen Anteil im zweiten Quartal von 52,3 auf 53,9 Prozent aufgestockt hat. Schließlich sollte der französische Entertainmentkonzern sehr genau wissen, was er tut. Nun: Ein um das Netto-Cash bereinigter Unternehmenswert von 174 Mio. Euro entspricht gerade einmal dem 1,4fachen des weiterhin sehr profitablen Umsatzes. Höchste Zeit also, dass die Aktie endlich ihren „at-home“-Bonus ausspielt.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 145,39 | 143,35 | 143,29 | 126,93 | 59,35 | 53,53 | 46,18 | |
EBITDA1,2 | 35,47 | 36,22 | 35,17 | 30,95 | 13,97 | 2,11 | 0,81 | |
EBITDA-Marge3 | 24,40 | 25,27 | 24,54 | 24,38 | 23,54 | 3,94 | 1,75 | |
EBIT1,4 | 34,13 | 34,95 | 33,24 | 28,92 | 11,67 | -0,11 | -0,84 | |
EBIT-Marge5 | 23,47 | 24,38 | 23,20 | 22,78 | 19,66 | -0,21 | -1,82 | |
Jahresüberschuss1 | 32,85 | 32,61 | 17,96 | 23,29 | -16,31 | 11,91 | -1,51 | |
Netto-Marge6 | 22,59 | 22,75 | 12,53 | 18,35 | -27,48 | 22,25 | -3,27 | |
Cashflow1,7 | 25,90 | 24,81 | 29,88 | 18,15 | 10,50 | -5,02 | 0,16 | |
Ergebnis je Aktie8 | 4,68 | 4,65 | 2,56 | 3,32 | -2,32 | 1,62 | -0,21 | |
Dividende8 | 7,50 | 6,50 | 2,00 | 2,50 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: PKF Fasselt Schlage |
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