Fast zurück auf das Corona-Tief vom März 2020 ist der Aktienkurs von Berentzen gekippt. Die Logik der Börse ist denkbar einfach: Schon im bisherigen Jahresverlauf litt der Anbieter von alkoholischen und nicht alkoholischen Getränken sowie Saftpressen für den Einsatz in Gastronomie und Einzelhandel unter den Folgen von Corona. Da kommen mit den neuerlichen Einschränkungen für Restaurants, Hotels und Privatfeiern Befürchtungen hoch, dass Berentzen womöglich auch seine bereits nach unten revidierten Jahresziele – Umsatz: 153 bis 160 Mio. Euro, Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT): 4 bis 6 Mio. Euro – nicht erreichen wird. Immerhin ist das Abschlussquartal mit den vielen Feiertagen traditionell besonders wichtig für das Unternehmen aus Haselünne.
Im Hintergrundgespräch mit boersengefluester.de zeigt sich CEO Oliver Schwegmann aber überraschend entspannt: „Natürlich stehen unsere Produkte für Geselligkeit, und hier gibt es gerade erhebliche Einschränkungen. Insgesamt hat sich unser Geschäftsmodell aber als relativ krisenresistent erwiesen.“ Vor allem die neuen Premium- und Medium-Produktkonzepte für den Einzelhandel – hervorzuheben sind hier wohl Rum und Gin – zeigen robustes Wachstum und gleichen die Dellen in anderen Bereichen zumindest partiell aus. Zudem wandert ein Teil des Konsums aus dem Gastrobereich in den privaten Sektor. Naturgemäß ist es aber so, dass in den eigenen vier Wänden eher weniger Softdrinks wie Sinalco Cola getrunken werden als bei einem Restaurantbesuch.
Und bei den Frischsaftpressen von Citrocasa war Berentzen gleich doppelt gekniffen: Zum einen gehen die meisten Menschen momentan eher weniger einkaufen und haben dann auch noch Berührungsängste. Zum anderen lief der Absatz von Neugeräten eher schleppend, da die Anschaffung für Gastronomen durchaus ein Investment ist, was momentan vielfach eher geschoben wird. Zumindest was die Ansteckungssorge der Endkunden angeht, hat Citrocasa schnell reagiert und setzt nun auf nachrüstbare Fußschalter zur Bedienung. „Wir sind hier durchaus zuversichtlich, was die weitere Entwicklung angeht“, sagt Schwegmann. Jedenfalls gibt es keinerlei Überlegungen, sich von dem Orangensaft-Geschäft wieder zu trennen.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 172,13 | 162,17 | 167,40 | 154,59 | 146,11 | 174,22 | 185,65 | |
EBITDA1,2 | 16,41 | 17,33 | 18,36 | 14,13 | 15,30 | 16,70 | 16,00 | |
EBITDA-Marge3 | 9,53 | 10,69 | 10,97 | 9,14 | 10,47 | 9,59 | 8,62 | |
EBIT1,4 | 9,22 | 9,80 | 9,81 | 5,21 | 6,65 | 8,30 | 7,71 | |
EBIT-Marge5 | 5,36 | 6,04 | 5,86 | 3,37 | 4,55 | 4,76 | 4,15 | |
Jahresüberschuss1 | 2,56 | 5,17 | 4,93 | 1,23 | 3,66 | 2,10 | 0,87 | |
Netto-Marge6 | 1,49 | 3,19 | 2,95 | 0,80 | 2,51 | 1,21 | 0,47 | |
Cashflow1,7 | 4,12 | 5,59 | 16,61 | 13,63 | 11,62 | 4,91 | -3,06 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,27 | 0,55 | 0,52 | 0,13 | 0,39 | 0,22 | 0,09 | |
Dividende8 | 0,22 | 0,28 | 0,28 | 0,13 | 0,22 | 0,22 | 0,09 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: PricewaterhouseCoopers |
Ergebnistechnisch nur geringe Auswirkungen hat derweil die per Ende 2020 von Pepsico Deutschland beendete Kooperation mit Berentzen. Das Abfüllgeschäft stand zwar für rund sieben Prozent der Konzernerlöse, brachte aber kaum Ertrag. Derzeit befindet sich die Berentzen-Tochter Vivaris in diversen Ausschreibungen, um die frei werdenden Kapazitäten in Grüneberg wieder zu füllen. Es bleibt also abzuwarten, ob sich hier was Neues ergibt oder eventuell Strukturmaßnahmen bei der Tochter anstehen. Nun: Letztlich wollte Berentzen die Lohnabfüllung für Dritte ohnehin herunterfahren, so dass die Entscheidung von Pepsico kein nachhaltiger Schaden ist. Schwieriger zu beurteilen ist schon, wie sich das Unternehmen hinsichtlich der Dividende aufstellen wird.
Zur Hauptversammlung im Sommer 2020 hatte Berentzen nochmals 0,28 Euro pro Aktie ausgeschüttet, was damals auf eine Rendite von immerhin 4,4 Prozent hinauslief. Grundsätzliche Absicht der Gesellschaft ist es, rund die Hälfte des Gewinns auszukehren. Demnach müssen sich die Anleger zur kommenden Hauptversammlung wohl auf eine markante Kürzung einstellen. Ein Drahtseilakt: Das weiß auch CEO Schwegmann, der sich der Dividende als herausragendes Investmentkriterium für die Berentzen-Aktie bewusst ist. Im Gespräch betont er jedenfalls die „sehr wohlwollende Dividendenpolitik“ des Unternehmens. Als Argument für die eigene Aktie sieht Schwegmann aber noch einen ganz anderen Punkt: „In unserer Branche kann man mit guten Ideen wahnsinnig schnell wachsen.“ Gezeigt hat Berentzen das etwa mit der Limonadenserie Mio Mio. Mehr als ein Hoffnungsträger ist aber auch der kürzlich aus Österreich erworbene Cider-Anbieter Goldkehlchen, dessen Cider-Flaschen so ein wenig in der Fritz-Optik daherkommen.
Für Anleger, die in erster Linie auf harte Fundamentaldaten setzen, ist freilich die allgemein recht günstige Bewertung der Berentzen-Aktie das stärkste Kaufargument. Immerhin entspricht der Börsenwert von 50 Mio. Euro nur etwa einem Drittel des grundsätzlich profitablen Umsatzes. Zudem gibt es den im General Standard gelisteten Spezialwert für gerade einmal etwas mehr als den Buchwert zu haben.
Foto: Goldkehlchen KG