Seit dem Börsengang im Oktober 2013 zu einem Ausgabepreis von 7,50 Euro galt Bastei Lübbe als eher ruhiges und dividendenstarkes Unternehmen. Die Mittel aus dem IPO nutzten die Kölner, um das Geschäft durch Zukäufe auf eine breitere Basis zu stellen und darüber hinaus die Digitalisierung der Angebote zu forcieren. Mitte 2016 sorgten dann Medienberichte um eine vermeintlich irreführende Bilanzierung für Unruhe und ließen den Aktienkurs absacken. Zeitgleich mit dem Start der Frankfurter Buchmesse hat Bastei Lübbe nun einen geänderten Abschlussbericht für das Geschäftsjahr 2015/16 veröffentlicht. Darüber hinaus hat das Unternehmen den Ausblick präzisiert. Boersengefluester.de sprach mit Thomas Schierack, dem Vorstandsvorsitzenden von Bastei Lübbe, über die Hintergründe und wesentlichen Änderungen der Neubilanzierung, den strategischen Zielen, die Dividende und darüber, welche Lehren die Gesellschaft aus den Turbulenzen gezogen hat.
Herr Schierack, Bastei Lübbe hat einen geänderten Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 2015/16 (31. März) vorgelegt. Könnten Sie bitte noch einmal kurz erläutern, warum dieser Schritt notwendig geworden ist?
Thomas Schierack: Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG hat die Verträge zwischen der Bastei Lübbe AG und der Blue Sky Tech Ventures Limited trotz zweimaliger vorheriger Prüfung und Testierung überraschend neu bewertet. Dies geschah zeitlich nach der Testierung unseres Jahresabschlusses für das Geschäftsjahr 2015/16. Im Kern der hoch bilanztechnischen Umbewertungen ist es nun so, dass die Bastei Lübbe AG im Sinne von Ziffer 10 IFRS Verfügungsgewalt über Blue Sky Tech Ventures Limited hat – obwohl wir keinerlei Anteile beziehungsweise Beteiligung an dieser Gesellschaft halten. Trotzdem sahen wir uns dadurch gezwungen, den Jahresabschluss zu ändern. Der gesamte Vorgang der plötzlichen Neubewertung alter Verträge hat uns umso mehr überrascht, als wir diese Verträge im Vorfeld, das heißt vor dem eigentlichen Abschluss, mit der KPMG abgestimmt haben.
Was sind die größten Unterschiede bei Bilanz und GuV im Vergleich zur ursprünglichen Version?
Thomas Schierack: Es werden insbesondere die nach IFRS vorgeschriebenen bilanziellen Fair-Value-Bewertungen der Beteiligungen an der oolipo AG und der Daedalic Entertainment GmbH zurückgedreht. Konkret heißt dies für das Geschäftsjahr 2014/15, dass eine Höherbewertung von circa 7,2 Mio. Euro für die oolipo AG rückgängig gemacht wird und im Geschäftsjahr 2015/16 rund 6,4 Mio. Euro für die Daedalic Entertainment GmbH.
Bedeutet dies, dass die neue Bilanz mehr stille Reserven enthält – oder haben Sie vorher die Werte Ihrer Töchter zu optimistisch angesetzt?
Thomas Schierack: Nach unserer Auffassung enthält die Bilanz jetzt mehr stille Reserven, weil sowohl die oolipo AG als auch die Daedalic Entertainment GmbH mit den Anschaffungskosten bilanziert werden – also zu Kaufpreisen. Im Fall oolipo sind das etwa 525.000 Euro. Inzwischen haben sich die Unternehmen und damit aus unserer Sicht auch deren Bewertungen enorm weiterentwickelt. Was die ursprüngliche Ansetzung der Werte in der Bilanz angeht: Natürlich bewertet man damit ein Stück Zukunftsaussicht, aber zu optimistisch waren wir sicher nicht, sondern wir haben auch hier die Höherbewertungen im Einzelnen jedes Mal mit der KPMG abgestimmt.
Die britische Gesellschaft Blue Sky Tech Ventures gehört nun ebenfalls zum Konsolidierungskreis des Bastei Lübbe-Konzerns. Wird das dauerhaft so bleiben?
Thomas Schierack: Nein, das ist nur ein temporärer Vorgang. Spätestens am 30. November 2016 wird die Konsolidierung von Blue Sky Tech Ventures Limited (Blue Sky) bei der Bastei Lübbe AG wieder enden. Entweder zahlt Blue Sky bis dahin den Kaufpreis oder die Anteile von Blue Sky an der oolipo AG und Daedalic Entertainment GmbH fallen an uns zurück. In beiden Fällen wird Blue Sky danach nicht mehr konsolidiert.
Welche Mitschuld trägt der Bastei Lübbe-Vorstand an den Turbulenzen um die Bilanzierung der Tochtergesellschaften? Und welche Erkenntnisse und Lehren haben Sie daraus gezogen?
Thomas Schierack: Natürlich hinterfragen wir unsere Managemententscheidungen immer wieder – so wie es sich für ein gutes Management gehört. Und natürlich ist die Gesellschaft für die Aufstellung der Bilanzen letztlich verantwortlich. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass wir aufgrund der komplexen Konstruktion eine erfahrene internationale Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit der Prüfung beauftragt haben. Und wir haben zweimal ein Testat der KPMG für unsere Bilanzen erhalten. Auf die Probleme, die nun aufgetaucht sind, waren wir weder vorbereitet noch dafür sensibilisiert. Dennoch würden wir den Schritt so sicher nicht noch einmal gehen. Wir müssen uns den Vorwurf des Fehlers berechtigterweise anhören, wenn Bilanzen später geändert werden müssen. Wirkliche Erkenntnisse und Lehren daraus zu ziehen, ist aber schwierig. Streng genommen könnte man eine weitere Prüfung durch eine andere Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Auftrag geben. Aber das würde weitere enorme Zeit in Anspruch nehmen und zusätzliche hohe Kosten verursachen. Dem Ganzen jetzt auf Dauer nachzuhängen ist unsinnig. Wir blicken daher nach vorne und konzentrieren uns auf die Umsetzung unserer Strategie.
Im Rahmen Ihrer Digitalstrategie setzen Sie große Hoffnungen auf das Streaming-Portal oolipo. Wie sind Ihre weiteren Pläne mit oolipo? Wie wollen Sie die Marke bekannt machen?
Thomas Schierack: Es gibt Untersuchungen, dass digitales Lesen zukünftig hauptsächlich oder sogar fast ausschließlich auf Smartphones stattfindet. Heute sind hierfür aber noch nicht die richtigen Inhalte verfügbar, weil sie zu komplex, zu stark an klassische Bücher angelehnt und zu wenig multimedial sind. Genau in diese Lücke stößt oolipo mit seinen kurzen Serieninhalten, die Smartphone-optimiert und multimedial aufbereitet sind. Die Beta-Version für Apple-Geräte ist bereits verfügbar. Der eigentliche Launch von oolipo in DACH (Deutschland, Österreich, Schweiz) und UK soll wahrscheinlich noch dieses Jahr, spätestens bis Februar nächsten Jahres stattfinden. Bezüglich der Bekanntmachungen der Marke liegt ein umfangreiches Presse- und Marketingkonzept vor.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 140,17 | 94,92 | 81,49 | 92,69 | 94,51 | 100,02 | 110,33 | |
EBITDA1,2 | 0,49 | 7,60 | 6,36 | 13,37 | 15,84 | 12,63 | 17,58 | |
EBITDA-Marge3 | 0,35 | 8,01 | 7,80 | 14,42 | 16,76 | 12,63 | 15,93 | |
EBIT1,4 | -18,05 | 2,71 | 4,13 | 10,87 | 14,66 | 7,19 | 13,98 | |
EBIT-Marge5 | -12,88 | 2,86 | 5,07 | 11,73 | 15,51 | 7,19 | 12,67 | |
Jahresüberschuss1 | -16,24 | 0,85 | -9,07 | 7,87 | 11,02 | 3,97 | 8,80 | |
Netto-Marge6 | -11,59 | 0,90 | -11,13 | 8,49 | 11,66 | 3,97 | 7,98 | |
Cashflow1,7 | 5,47 | 14,43 | 14,27 | 16,88 | 12,85 | 10,42 | 2,66 | |
Ergebnis je Aktie8 | -0,96 | 0,05 | -0,46 | 0,57 | 0,83 | 0,30 | 0,66 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,29 | 0,40 | 0,16 | 0,30 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: RSM Ebner Stolz |
Sie streben nach wie vor einen Weiterverkauf der von Blue Sky Tech Ventures gehaltenen oolipo-Anteile an. Wann soll dies erfolgen und welche Effekte auf das Konzernergebnis würden sich daraus ergeben?
Thomas Schierack: Hier müssen wir zwischen zwei Szenarien unterscheiden: Wenn der Kaufpreis durch Blue Sky bis zum 30. November 2016 gezahlt wird, dann ist der gesamte Kaufpreis im Geschäftsjahr 2016/17 als Gewinn anzusetzen. Gleichzeitig müssten wir auch bei den von uns gehaltenen oolipo-Anteilen wieder eine Rolle rückwärts vollführen und sie nach IFRS neu bewerten. Diese Bewertung ist mit Sicherheit deutlich höher, als die jetzt aktivierten circa 240.000 Euro. Sollte der Kaufpreis jedoch nicht bezahlt werden, würden wir ab Dezember 2016 die dann an uns zurückgefallenen Anteile an der oolipo AG weiterveräußern. Hier würden wir einen erheblichen Ergebniseffekt erzielen, da die Veräußerung deutlich über dem jetzt aktivierten Betrag erfolgen würde. Sobald wir durch die Anteilsverkäufe dann insgesamt bei oolipo unter die 50-Prozent-Schwelle rutschen, käme dann noch der IFRS-Höherbewertungseffekt wie oben beschrieben hinzu.
Wie geht es bei Ihrer Spiele-Tochter Daedalic weiter? Gibt es hier weiteren Finanzierungsbedarf?
Thomas Schierack: Die Daedalic Entertainment GmbH befindet sich auf einem guten Weg. Nächstes Jahr kommt mit dem Spiel „Die Säulen der Erde“ weltweit gemeinsam mit dem neuen Buch von Ken Follett ein Blockbuster-Spiel heraus. Verträge bezüglich weiterer namhafter Spiele stehen kurz vor dem Abschluss. Das alles ist durch die Darlehensaufnahme finanziert. Im Spielebereich tut sich derzeit aber enorm viel, beispielsweise im Bereich Virtual Reality. Auch hier könnte Daedalic einsteigen. Der genaue Finanzierungsbedarf für diese Sparte steht noch nicht fest. Hier laufen Überlegungen, wie der Finanzierungsbedarf gedeckt werden soll.
In wenigen Tagen, am 26. Oktober, wird die Unternehmensanleihe 2011/16 fällig. Werden Sie die Anleihe im Volumen von 30 Mio. Euro fristgerecht zurückzahlen? Wie wird sich Bastei Lübbe künftig finanzieren und mit welcher Entlastung rechnen Sie bei den Zinsaufwendungen?
Thomas Schierack: Wir werden die Anleihe fristgerecht zurückzahlen. Die Refinanzierung der Anleihe hatten wir letztes Jahr bereits mit einer Bankenfinanzierung sichergestellt. Diese ist jetzt im Zusammenhang mit der Änderung der Bilanzen nochmals bestätigt worden. Der Zinssatz ist deutlich günstiger als der Zinssatz der Anleihe. Allerdings haben wir durch die Investitionen der letzten Monate (BuchPartner GmbH und LYX) auch eine höhere Verschuldung, so dass die Entlastung bei den Zinsaufwendungen ab dem Geschäftsjahr 2017/18 bei jährlich etwa 600.000 Euro liegen sollte.
Die ordentliche Hauptversammlung soll voraussichtlich am 30. November 2016 nachgeholt werden. Wird es dann beim Dividendenvorschlag von 0,10 Euro je Aktie bleiben?
Thomas Schierack: Das hatten wir so versprochen. Und wir können das einhalten. Es wird bei dem Dividendenvorschlag von 0,10 Euro pro Aktie bleiben.
Welche Ziele haben Sie sich für das Geschäftsjahr 2016/17 nun gesetzt und wie abhängig sind Sie dabei vom Erfolg der bereits angesprochenen Investorensuche bei oolipo?
Thomas Schierack: Für das Geschäftsjahr 2016/17 gehen wir von einem Konzern-Umsatz von 150 bis 160 Mio. Euro und einem EBITDA von 13 bis 15 Mio. Euro aus. Das ist das operativ zu erwartende Ergebnis. Die oben angesprochenen Ergebnisverbesserungen durch oolipo sind hier noch nicht eingerechnet und würden im laufenden Geschäftsjahr 2016/17 zu einer erheblichen Verbesserung des EBITDA führen.
Blicken wir abschließend noch auf das Geschäftsjahr 2017/18: Am 26. September 2017 wird der neue Roman „ORIGIN“ des Bestsellerautors Dan Brown erscheinen. Wie sehr fiebern Sie diesem Datum entgegen?
Thomas Schierack: Das Geschäftsjahr 2017/18 wird für uns ein Jahr mit Highlights werden, wie wir es noch nicht erlebt haben. Bereits im Frühjahr 2017 wird der neue historische Roman von Rebecca Gablé erscheinen, im September dann der neue Dan Brown und im gleichen Monat der neue Ken Follett. Im November 2017 kommt außerdem Gregs Tagebuch, Band 12. Wir sehen dem neuen Geschäftsjahr mit großer Spannung entgegen.
Thomas Schierack studierte zunächst in Bonn Volkswirtschaftslehre und anschließend Rechtswissenschaften. Seit seiner Zulassung als Rechtsanwalt war er seit Juni 1989 zunächst als angestellter Anwalt und seit 1992 als Partner in mehreren Rechtsanwaltskanzleien tätig. Seit Januar 2008 ist Schierack Geschäftsführer und seit August 2013 Vorsitzender des Vorstands von Bastei Lübbe. Dort ist er für die Ressorts Finanzen, Recht, Personal und IT verantwortlich.