Die Börsianer sind offenbar zufrieden. Knapp drei Wochen nach dem auf der außerordentlichen Hauptversammlung vom 4. September 2013 beschlossenen Neubesetzung des Aufsichtsrats, zeigt sich die Balda-Aktie wie befreit und marschiert Richtung 5 Euro. Vorangegangen war eine monatelange Fehde um den Machteinfluss und die künftige Ausrichtung des Spezialisten für Kunststoffprodukte, die auch die Notiz des SDAX-Konzerns in eine Starre versetzte. An der Spitze des Aufsichtsrats steht nun der Berliner Rechtsanwalt Thomas van Aubel, der über die von ihm zurechenbare Gesellschaft Elector knapp 30 Prozent an Balda hält. Ebenfalls aus dem Lager von Elector stammt die Juristin Frauke Vogler. Den dritten Kontrollposten besetzt Klaus Rueth, der früher bei einer Tochterfirma des US-Pharmakonzerns Merck & Co. tätig war. Er ist der Wunschkandidat der beiden US-Fonds Texas Pacific Group und Indaba Capital Fund, die zusammen fast 13,3 Prozent an Balda halten. Der bisherige Aufsichtsratsvorsitzende Michael Naschke räumte kurz vor dem neuerlichen Aktionärstreffen zähneknirschend seinen Posten.
Wie es nun tatsächlich weitergeht bei Balda, ist allerdings immer noch völlig unklar. Kritiker werfen van Aubel vor, dass er mit seine wahren Absichten nicht rausrückt. So kursierten etliche Varianten über die künftig strategische Ausrichtung: Von der Beibehaltung der jetzigen Strategie, die eine starke Positionierung innerhalb der Healthcare-Branche vorsieht, bis hin zu Gerüchten über ein Engagement im Solarbereich – alles scheint denkbar. Vorstandschef Dominik Müser sieht Balda mit seiner Fokussierung auf hochwertigen Spritzguss dagegen auf einem guten Weg. Neben der Medizintechnik sieht er Balda zudem in den Bereichen „Optics“ und „Electronics“ aufgehoben. Mittelfristig soll das Unternehmen Erlöse zwischen 150 und 200 Mio. Euro erzielen, und dabei – vor Abzug von Zinsen, Steuern und Abschreibungen – eine Rendite von mindestens 15 Prozent erzielen. Eine vergleichbare EBITDA-Marge erzielte die Gesellschaft aus dem ostwestfälischen Bad Oeynhausen im Jahr 2008. Ohne Zukäufe ist das Umsatzziel freilich nicht erreichbar. Im letzten vollen Geschäftsjahr 2011 kam Balda auf Erlöse von rund 66 Mio. Euro.
Geld für Akquisitionen ist reichlich vorhanden. Balda hatte die Beteiligung an dem taiwanesischen Touchscreenhersteller TPK in mehreren Tranchen für annähernd 500 Mio. Euro verkauft. Rund 194 Mio. Euro von dem Erlös bekamen die Balda-Aktionäre bereits in Form von zwei Sonderausschüttungen auf ihre Konten überwiesen. Eine dritte Rate sollte auf der nächsten ordentlichen Hauptversammlung beschlossen werden. Gemäß der bisherigen Aussagen von Müser, wonach inklusive der dritten Extradividende fast 60 Prozent des TPK-Erlöses an die Balda-Aktionäre zurückfließen sollten, sollte das auf eine neuerliche Ausschüttung von 1,50 Euro pro Aktie hinauslaufen. Aber: Noch gibt es weder einen Termin für Hauptversammlung, noch ist klar, ob dieses Vorhaben unter den geänderten Vorzeichen die Zustimmung des Aufsichtsrats findet. Thomas van Aubel scheint zwar grundsätzlich nichts gegen die Extra-Dividende – immerhin wäre er ja einer der Hauptprofiteure – zu haben, aber ein klares Bekenntnis von ihm gibt es auch nicht. Laut Finanzkalender soll das nächste ordentliche Aktionärstreffen im „Herbst 2013“ stattfinden. Demzufolge dürfte die Entscheidung bis spätestens Ende November 2013 gefallen sein.
Ebenfalls für den Herbst 2013 ist die Veröffentlichung der Zahlen für das Geschäftsjahr 2012/13 (endet am 30. Juni) geplant. Nach neun Monaten kam Balda in den fortgeführten Geschäftsbereichen bei Erlösen von 35,6 Mio. Euro auf einen Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) vor Sondereffekten von 2,6 Mio. Euro. Inklusive des bereits 2011 verkauften Handyschalengeschäfts sowie dem mittlerweile veräußerten Standort Malysia erreichte Balda einen Gewinn von 11,9 Mio. Euro. Maßgeblichen Einfluss hat hier allerdings das stattliche Finanzergebnis von rund 25 Mio. Euro. Einen laut Vorstandschef Müser „erfreulichen Ergebnisbeitrag“ lieferten dabei die zum dritten Quartal erstmals in den Abschluss mit einbezogenen amerikanischen Kunststoffspezialisten C. Brewer und HK Plastics. Die EBITDA-Marge der Anfang 2013 für 38 Mio. Euro erworbenen Zukäufe liegt bei rund zehn Prozent. Für das Gesamtjahr rechnet der Vorstand im fortgeführten Geschäft mit Erlösen von 60 bis 65 Mio. Euro und einem „klar positiven EBTDA“. Angesichts der enormen Sondereffekte aus dem Verkauf der restlichen TPK-Anteile ist unterm Strich mit einem recht hohen Gewinn zu rechnen. Die Aussagekraft dieser Größe für Kennzahlen wie das KGV ist allerdings sehr begrenzt.
Innerhalb des SDAX gehört die Balda-Aktie zu den am schwersten greifbaren Unternehmen. Der Börsenwert beträgt 275 Mio. Euro und ist nahezu komplett durch Finanzmittel abgedeckt. Per Ende März erreichte die Eigenkapitalquote nicht alltägliche 90 Prozent. Das sieht auf den ersten Blick top aus. Nun kommt es aber darauf an, dass endlich Ruhe einkehrt und die leidigen Strategiediskussionen und Spekulationen um die Absichten der Großaktionäre endlich ein Ende finden. Dann sollte auch die Notiz von Balda auf einen nachhaltigen Aufwärtstrend schwenken. Kurzfristig steht das die Umsetzung der dritten Dividendentranche aus dem TPK-Verkauf auf der Agenda. Sollte es nicht bei der angekündigten Ausschüttung von 1,50 Euro pro Aktie bleiben, würde dies zu einem Gesichtsverlust von Vorstandschef Müser führen – und die Querelen gingen in eine neue Runde. Wer sich die Balda-Aktie ins Depot legt, muss Überraschungen einkalkulieren. Dafür bietet der Titel im Gegenzug aber auch eine super interessante Investmentstory.
Foto: Balda AG