Dass sich Aves One aus dem Massengeschäft mit See-Containern verabschiedet, ist zunächst einmal keine Überraschung. Kaum eine Kapitalmarktpräsentation des Vorstands in den vergangenen Quartalen, auf der diese Option nicht ausführlich thematisiert wurde. Auch die jetzt gewählte Variante eines Komplettverkaufs an einen institutionellen Investor wurde immer diskutiert. Schließlich ist es erklärtes Ziel des Bestandshalters von Güterwaggons und eben auch Containern, sich komplett auf das Eisenbahngeschäft zu konzentrieren. Hier erzielt Aves One nicht nur eine höhere Wertschöpfung, sondern arbeitet auch weitgehend frei von Währungsrisiken, während das internationale Containergeschäft in Dollar abgerechnet wird, was in den Bilanzen der Hamburger regelmäßig zu heftigen Schwankungen geführt hat. Zu allem Überfluss hatten sich zuletzt auch die Preise von Gebraucht-Containern ungewöhnlich deutlich von der Entwicklung der Neupreise entkoppelt, so dass Aves One beim Abverkauf von Containern zuletzt schmerzliche Buchverluste hinnehmen musste.
Soweit die kurze Einleitung in die Thematik: Dass Aves One mit dem jetzt in Aussicht gestellten Komplettverkauf des See-Containerportfolios für 182,5 Mio. Dollar an die US-Investmentgesellschaft Oak Hill Advisors (HIER) nun aber eine Sonderabschreibung von bis zu 33,5 Mio. Euro avisiert, kommt für boersengefluester.de dann aber doch recht überraschend. Dem Vernehmen nach wirkt sich bei dem Verkauf nachteilig aus, dass die Aves One-Container weitgehend vermietet sind – allerdings zu aus heutiger Sicht eher ungünstigen Konditionen. Inklusive eines Paketabschlags geht der Verkaufspreis also scheinbar in Ordnung. Ein kniffliger Punkt ist, dass die Wertberichtigungen nach Möglichkeit noch im 2020er-Abschluss verarbeitet werden sollen, was das vorhandene Eigenkapital auf ein Minimum drücken wird. Wie die Gesellschaft auf einem Analysten-Call versicherte, wird dies jedoch keine Verlustanzeige nach sich ziehen.
Völlig unerwartet ist für uns indes der angekündigte Rückzug von Jürgen Bauer aus dem Vorstand. Schließlich war Bauer nicht nur das „Gesicht“ von Aves One gegenüber dem Kapitalmarkt, sondern eben auch derjenige, der den Wandel hin zu einer Rail-Company vorantreiben sollte. Schwer einzuschätzen, ob seine Mission mit dem Oak Hill-Deal nun einfach nur erfüllt ist, oder ob es darüber hinaus Dissonanzen gab. Offiziell ist davon freilich nicht die Rede. Der Aves One-Aufsichtsrats-Chef Ralf Wohltmann lässt sich zu der Personalie wie folgt zitieren: „Wir bedanken uns bei Jürgen Bauer für die langjährige, erfolgreiche und vertrauensvolle Zusammenarbeit. Wir wünschen ihm für seine Zukunft alles erdenklich Gute.“ In diese Aussage lässt sich nun alles und nichts herein interpretieren. Vielleicht spielt auch einfach eine Rolle, dass Jürgen Bauer von Wien aus agiert und die Distanz nach Hamburg in Corona-Zeiten eher noch länger geworden ist.
An der Börse halten sich die Kursreaktionen auf die Doppelpack-Meldung – trotz eines Minus von gut vier Prozent – in überraschend engen Grenzen. Hier hatten wir mit deutlich heftigeren Kursbewegungen gerechnet. Nun: Positiv formuliert ist das leidige Dauerthema See-Container damit nun vom Tisch und die 2020er-Bilanz ebenfalls bald abgehakt. Die Analysten von Metzler Capital Markets sprechen in ihrer neuesten Studie gar von einer „ value creating transaction“ und heben das Kursziel für die Aves One-Aktie leicht auf 16,20 Euro herauf. Derweil betont der Aves One-Vorstand erneut, dass zurzeit „verschiedene Finanzierungsmaßnahmen“ geprüft werden. „Dies schließt Eigenkapitalmaßnahmen sowie anderweitige Beteiligungen von Investoren ein“, wie es offiziell heißt. Wie zu hören ist, steht hier momentan aber keine Transaktion ganz konkret an.
Erst kürzlich hatte Aves One zudem eine Finanzierungslinie der KfW IPEX-Bank über 75 Mio. Euro erreicht, die die Zinskosten zusätzlich drückt. Tatsächlich schielt die Börse aber natürlich eher darauf, ob es zu einer größeren Barkapitalerhöhung kommt, zumal Aves One über diverse Töchter im Bondbereich ohnehin recht aktiv ist. Insgesamt stufen wir die Neuigkeiten nicht ganz so zuversichtlich ein wie die Analysten von Metzler. Eine Halten-Position ist der Titel für boersengefluester.de aber schon.
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