Kurz und bündig kommentiert der Vorstand der Palgon AG die Ergebnisse der jüngsten Hauptversammlung (HV) vom 30. Dezember 2022: „Alle Beschlüsse wurden einstimmig angenommen. Es gab ansonsten keine besonderen Vorkommnisse. Wir bedanken uns bei allen, die uns dabei geholfen und unterstützt haben.“ Klingt nicht gerade nach einschneidenden Veränderungen, doch das Gegenteil ist der Fall: So wurde auf dem Aktionärstreffen der bislang als Beratungsgesellschaft nicht wirklich auffällig gewordenen Palgon AG (de facto war die Gesellschaft wohl operativ inaktiv) die Einbringung der ungleich größeren Teltec AG – einem Anbieter von professionellem Elektronik-Equipment für Film und Fernsehproduktionen – in den Börsenmantel der Palgon beschlossen. Kurz zur Einordnung: Teltec gilt als Wachstumstreiber in der Branche und kam 2021 auf Umsatzerlöse von mehr als 100 Mio. Euro. Getuschel um Kapitalmarktambitionen von Teltec gab zwar früher schon hin und wieder, nun befindet sich die Gesellschaft aber tatsächlich auf der Zielgeraden.
Auf dem Kurszettel wird das Unternehmen aber nicht unter Teltec auftreten, sondern unter dem neuen Namen Avemio. Die Umfirmierung sollte zeitnah ins Handelsregister eingetragen sein. Einher geht die Transaktion mit umfangreichen Kapitalmaßnahmen, an deren Ende sich die Aktienzahl von bislang 300.000 auf vorläufig 3.432.150 Stück erhöhen wird. Beim aktuellen Kurs von 47 Euro kommt Avemio demnach auf einen Börsenwert von 161 Mio. Euro. In einem ersten Schritt kauft die im Düsseldorfer Freiverkehr notierte Palgon AG von den beiden Teltec-Großaktionären BuCon und TFM 164.850 Teltec-Aktien – entsprechend 5 Prozent des bisherigen Kapitals der Teltec AG – für einen Preis von 3 Mio. Euro in bar – entsprechend 18,20 Euro pro Anteilschein. Die restlichen 95 Prozent an der Teltec werden dann via Sacheinlage in die bisherige Palgon eingebracht.
Hochgerechnet auf den vereinbarten Preis für die 5 Prozent würde Teltec auf diese Weise mit rund 60 Mio. Euro bewertet. Das wirtschaftliche Gutachten für die Einbringung wurde dabei von der Prüfungsgesellschaft Morison Köln erstellt – ist bislang aber nicht öffentlich. Nach Abschluss des Deals ist dann eine weitere Barkapitalerhöhung um bis zu 343.215 Aktien – also ein klassischer „Zehn-Prozenter“ – geplant. Mit dem Erlös aus dieser Maßnahme soll die Barkomponente des Teltec-Kaufs finanziert werden. Soweit das technische Rahmengerüst des Reverse-IPOs. Was noch offen ist, sind wichtige Punkte wie die perspektivisch notwendige Verbreiterung des Streubesitzes, ein mögliches Uplisting in ein höheres Marktsegment sowie die detaillierte operative Wachstumsstrategie – inklusive belastbarem Zahlenwerk – von Avemio-Vorstand Ralf P. Pfeffer.
Offiziell verrät Ralf P. Peffer derzeit nur so viel: „Es existiert ein Plan, wie wir im Rahmen einer Buy-and-Build-Strategie vor allem international wachsen werden. Die europäische Medienbranche ist in verschiedenen Handelssegmenten stark fragmentiert; so wie dies noch vor einigen Jahren in Deutschland im Broadcastmarkt der Fall war. Eine gute Gelegenheit, um mit ausländischen Handelsunternehmen Partnerschaften einzugehen.“ So will sich Avemio in den kommenden Jahren von der größten deutschen Handelsgruppe für professionelle Film- und Fernsehtechnik zu einem international agierenden Medientechnologiekonzern entwickeln. Stand jetzt hat der Small Cap zwar noch keine wirkliche Depotqualität.
Als auf Nebenwerte spezialisierte Seite will boersengefluester.de aber frühzeitig die interessante Sondersituation vorstellen. Sobald es weitere Infos gibt, werden wir die Story nochmals aufgreifen. Am ehesten vergleichbar auf dem heimischen Kurszetttel wird Avemio wohl mit Stemmer Imaging sein, selbst wenn Stemmer aus der Bildverarbeitungstechnologie kommt und seine Distributionswurzeln zunehmend durch eigene Lösungen erweitert.
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