Trotz eines vergleichsweise geringen Börsenwerts von knapp 45 Mio. Euro gehört Artnet mit zu den am intensivsten diskutierten Aktien aus dem heimischen Smallcap-Bereich. Zu einem nicht unerheblichen Teil liegt das am langjährigen Großaktionär Weng Fine Art (WFA), der das das Kunstdatenunternehmen umstrukturieren und Profitabilität trimmen will. Eine brisante Gemengelage, da die formal in Berlin ansässige Familiengesellschaft Artnet die Vorstöße von WFA regelmäßig abblockt und auf die eigene Wachstumsstrategie pocht. Zumindest aus der Außenperspektive prallen hier zwei Welten aufeinander. Kein Wunder, dass die Story am Kapitalmarkt mit so großem Interesse verfolgt wird. Schließlich will jeder Investor gern wissen, wie der Konflikt gelöst wird und Artnet wiederum zu einer nachhaltig profitablen Company wird. Last but not least befindet sich der Kunstmarkt durch das angespannte wirtschaftliche Umfeld sowie den Veränderungen im Zuge der Digitalisierung in einer Transformationsphase. Im Exklusiv-Interview auf boersengefluester.de spricht Artnet-CEO Jacob Pabst über das langfristige Potenzial von Artnet, die Gespräche mit WFA sowie eine mögliche Dividendenfähigkeit des im Prime Standard gelisteten Unternehmens.
Herr Pabst, für alle Anleger, denen Artnet noch nicht so präsent ist. Was sind die Eckpfeiler Ihres Geschäftsmodells?
Jacob Pabst: Artnet ist ein globaler Marktplatz für bildende Kunst, der mit der Bereitstellung von Daten und Informationen den Kunstmarkt revolutioniert hat. Artnet ist ein einzigartiges Unternehmen, da es Sammlern und Profis eine Anlaufstelle bietet, wo sie Kunstpreise recherchieren, Kunst mit anderen Anlageformen vergleichen, Kunstwerke kaufen und verkaufen sowie die neuesten Entwicklungen der Kunst und des Kunstmarktes nachlesen können.
Wie läuft es zurzeit innerhalb der einzelnen Segmente Daten, Marktplatz und Medien?
Jacob Pabst: “Daten sind das neue Öl” lautet die Binsenweisheit, und Artnet hat eine einzigartige Datenbank von Preisinformationen über 30 Jahre aufgebaut, die für Marktteilnehmer weltweit, von den großen Auktionshäusern bis zu gelegentlichen Sammlern, unersetzbar ist. Unsere Preisdatenbank ist unser Kernprodukt und hat den Kunstmarkt grundlegend verändert. Die Weiterentwicklung des Datenspeichers in ein Produkt zur Vorhersage von Preisentwicklungen und seine Verknüpfung mit dem Marktplatz sind jetzt vorrangige Aufgaben. Im Jahr 2022 haben wir außerdem das Nutzererlebnis optimiert und bieten jetzt zusätzlich auch Enterprise Datendienste an.
Und in den anderen Bereichen?
Jacob Pabst: Das Segment Medien ist eine totale Erfolgsgeschichte denn Artnet News ist die weltweit am meisten gelesene Publikation über Kunst und den Kunstmarkt. Größer als die vier nächsten Konkurrenten zusammen. Mit über 158 Millionen Seitenaufrufen auf Artnet News und eine Umsatzsteigerung von 38 Prozent auf 9,1 Mio. Dollar im Jahr 2022 ist Artnet News die größte unabhängige Kunst Publikation in der Welt. Was den Marktplatz betrifft, haben wir schon 1995 vorausgesehen, dass Online-Transaktionen die Zukunft des Kunstmarkts sein werden. Die Entwicklung hat uns recht gegeben. Die Pandemie hat dann den Online-Handel von Kunstwerken zusätzlich beschleunigt. Heute werden mehr als 16 Prozent aller Umsätze in Kunst online angestoßen und bei Artnet haben wir 300.000 Kunstwerke von über 1000 Galerien auf der Seite.
Kritiker werfen Artnet vor, dass die Gesellschaft chronisch ertragsschwach bzw. defizitär sei und ihr Potenzial bei weitem nicht ausschöpfe. Was halten Sie dem entgegen?
Jacob Pabst: Artnet ist ein Unternehmen, das nicht nur für Transparenz und Vertrauen steht, sondern für nachhaltig positive Innovation und Neugestaltung im Kunstmarkt. Vor 35 Jahren haben wir den Preisdatenspeicher eingeführt. Anschließend das Galerien Netzwerk. Dann in 2008 die Online-Auktionen und kurz darauf die Artnet News und zuletzt die NFT-Seite. All das wurde aus eigenen Erträgen finanziert. Gleichzeitig hat Artnet in einem zunehmend wettbewerbsintensiven Umfeld agiert. In den vergangenen zehn Jahren sind fast 1 Milliarde Dollar in die Entwicklung von Online-Kunstmarktunternehmen geflossen. Die meisten dieser Unternehmen existieren heute nicht mehr und haben sich trotz viel Kapital nicht gegen Artnet durchsetzen können. Natürlich mussten wir aggressiv investieren, um unsere führende Stellung behaupten zu können.
Trotz aller Investitionen und dem generell schwierigen Umfeld auch im Kunstbereich. Welche operativen Margen halten Sie für den Artnet-Konzern perspektivisch für erreichbar?
Jacob Pabst: Wir gehen in Zukunft von höheren Umsätzen und operativen Margen aus. Für dieses Jahr rechnen wir von einem Umsatz von 28 bis 30 Mio. Dollar sowie einem EBIT (Ergebnis vor Zinsen und Steuern) zwischen 1,0 und 1,6 Mio. Dollar, wie auch schon in unserem Geschäftsbericht 2022 bekannt gegeben wurde.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 18,43 | 18,32 | 19,54 | 18,94 | 20,89 | 25,03 | 23,35 | |
EBITDA1,2 | 0,77 | 1,26 | 1,52 | 1,55 | 0,63 | -0,14 | -0,20 | |
EBITDA-Marge3 | 4,18 | 6,88 | 7,78 | 8,18 | 3,02 | -0,56 | -0,86 | |
EBIT1,4 | 0,36 | 0,77 | 0,18 | 0,19 | -0,75 | -1,63 | -1,90 | |
EBIT-Marge5 | 1,95 | 4,20 | 0,92 | 1,00 | -3,59 | -6,51 | -8,14 | |
Jahresüberschuss1 | 0,70 | 1,04 | -0,01 | 1,92 | -0,80 | 0,12 | -1,00 | |
Netto-Marge6 | 3,80 | 5,68 | -0,05 | 10,14 | -3,83 | 0,48 | -4,28 | |
Cashflow1,7 | 1,01 | 1,11 | 1,63 | 2,71 | 0,56 | 2,66 | 0,98 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,12 | 0,19 | 0,00 | 0,35 | -0,09 | 0,02 | -0,18 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: Rödl & Partner |
Wenn an der Börse über Artnet geredet wird, geht es schnell um den Disput mit dem Großaktionär Weng Fine Art (WFA), der Artnet „strukturell weiterentwickeln und auf Profitabilität trimmen will. Wie verhärtet sind die Fronten wirklich?
Jacob Pabst: Um nachhaltige Profitabilität zu erreichen, muss Artnet die technische Entwicklung weiterführen und skalieren. Diese Strategie ist allen, die sich mit Technologieunternehmen auskennen und die notwendige Erfahrung haben, gut bekannt und nachvollziehbar. Zudem beruhen Artnets Wert, Marke und Business Modell auf dem Angebot vertrauenswürdiger Informationen und der unabhängigen Aggregation diversifizierter Marktteilnehmer. Ohne dessen verfällt das Prinzip des Geschäfts. Wenn diese Punkte wahrgenommen werden, sehen wir keinen Grund für irgendwelche Auseinandersetzungen. Wir wollen ja schließlich alle – Aktionäre sowie das Management –, dass Artnet sich weiterhin nachhaltig positiv entwickelt und ihre zentral wichtige Stellung im Kunstmarkt beibehält.
Trotzdem: Wie wollen Sie die Situation mit WFA lösen?
Jacob Pabst: Wir bleiben wie immer in Gesprächen mit allen unseren Aktionären und natürlich auch mit WFA. Wir möchten Artnet optimal für die Zukunft aufstellen und dazu gehört ein offener Austausch. Wir haben hierzu in letzter Zeit auch eine erhöhte Bereitschaft seitens der WFA erkennen können, möglicherweise auch wegen der jetzigen Marktumgebung. Wir sind zuversichtlich, dass wir eine Lösung finden können.
Ist die Bilanz von Artnet Ihrer Meinung nach stark genug, um dauerhaft aus eigener Kraft zu wachsen oder braucht es nicht doch einen finanzkräftigen Partner?
Jacob Pabst: Artnet wächst seit 35 Jahren aus eigener Kraft und kann durchaus so weiter wachsen. Mit einem finanzkräftigen Partner, der unsere Vision für artnet und den Kunstmarkt teilt, würde es natürlich viel schneller gehen.
Tipp: Alle Geschäftsberichte von Artnet seit 2008 zum kostenlosen Download. Diesen Service bietet Ihnen die boersengefluester.de-Zweitseite geschaeftsberichte-download.de.
Als ausgeprägtes Familienunternehmen müssen Sie diesbezüglich einen Spagat hinlegen. Gibt es so etwas wie eine Mindestgröße bei den Stimmrechten, die die Familie Neuendorf keinesfalls unterschreiten möchte?
Jacob Pabst: Wir sind ein kapitalmarktorientiertes Unternehmen mit den Werten eines Familienunternehmens, das auf nachhaltiges Wachstum und Innovation achtet. Uns ist wichtig, dass Artnet in 20 Jahren mindestens so relevant, beliebt und innovativ ist wie heute und wollen die zukünftige Entwicklung deshalb weiter aktiv begleiten. Gleichzeitig sind wir überzeugt davon, dass eine Kooperation mit einem finanzstarken Partner das Wachstum der Artnet beschleunigen kann und würden das natürlich begrüßen. Genau deshalb stellen wir auch eine Kapitalerhöhung immer auf die Tagesordnung unserer Hauptversammlung.
Am 17. Mai 2024 steht für Artnet das 25jährige Börsenjubiläum an. Die Performance der Aktie war bislang alles andere als berauschend. Dividenden gab es noch gar keine. Was unterschätzt der Kapitalmarkt bei Artnet Ihrer Meinung nach am meisten?
Jacob Pabst: Dabei ist der Aktienkurs in den vergangenen drei Jahren sehr gestiegen. Das ist vor allem auf unsere Performance sowie den Wandel hin zu Online-Transaktionen zurückzuführen. Wir sind der absolute Marktführer und haben uns gegen eine Vielzahl von mit viel Kapital ausgestatteten Wettbewerbern durchgesetzt – und das ohne selbst Kapital aufzunehmen beziehungsweise Schulden zu machen. Das Wachstum der Firma sowie unsere Marktstellung weiter auszubauen sind unsere Hauptziele und das wird sich auf die Entwicklung der Firma und damit den Aktienkurs auszahlen und bald dazu führen, dass wir Dividenden ausschütten werden.
Die Kunstszene befindet sich durch die Möglichkeiten der Digitalisierung mitten in einem Umbruchprozess. Zudem gewinnen Finanzinvestoren – neben klassischen Sammlern – immer mehr an Bedeutung. Was heißt das für die Entwicklung von Artnet?
Jacob Pabst: Das bewerten wir durchaus sehr positiv. Wir haben diese Entwicklung vorausgesagt und die richtigen Instrumente für diese Art von Kunst Investoren entwickelt. Wir haben die Daten, die für diesen Prozess notwendig sind. Vor allem unser Artnet Analytics-Produkt ist bei Privatsammlern sowie Firmen wie UBS oder Deloitte sehr geschätzt. Es ermöglicht den Vergleich zwischen Kunst oder bestimmten Künstlern und anderen Anlagen. Zum Beispiel: Die Preisentwicklung von Gerhard Richter im Vergleich zu Gold und dem S&P 500-Index.
Kürzlich haben die Pläne der Kunstplattform Artex für Schlagzeilen gesorgt, wonach einzelne Bilder von bekannten Malern börsengehandelt werden sollen. Wie schätzen Sie diese Pläne ein?
Jacob Pabst: Das ist ein Kapitalmarktprodukt und hat mit Kunst nur insofern zu tun, als der zugrundeliegende Wert ein Kunstwerk ist. Außerdem gibt es im Vergleich zur traditionellen Börse nicht genügend Bewegung, um den Handel interessant oder rentabel zu gestalten. Der Börsenhandel von einzelnen Bildern wird schon länger von mehreren Marktteilnehmern angeboten mit leicht unterschiedlichen Geschäftsmodellen. Anleger sollten sich der damit verbundenen Schwierigkeiten bewusst sein. Wir fokussieren uns auf die Kunst und achten auf Entwicklungen, die für unsere Kunden und unsere Aktionäre nachhaltigen Wert haben.
Ganz allgemein: Wie reif ist Ihrer Meinung nach generell der Markt für Plattformen, über die man – etwa via Token – in Kunst investieren kann?
Jacob Pabst: Tokenisierung ist einer der Schlagwörter du Jour. Die Idee klingt gut, nur fehlt dann oft die Nachfrage. Anbieter sollten genau auf den Verwendungszweck und die Ausführung achten. Ein
wirklich skalierbares Produkt ist dann meistens mit sehr viel Kapitalbedarf verknüpft. Wir haben schmerzhaft erfahren müssen, dass der Kunstmarkt sich nur langsam neuen Technologien öffnet.
Zum Schluss noch eine Frage bezüglich Ihrer Investor Relations-Strategie. Zuletzt hat man Artnet wieder häufiger auf Kapitalmarktkonferenzen gesehen. Welche Fragen müssen Sie am häufigsten beantworten und welche Rolle spielen Privatanleger für Artnet?
Jacob Pabst: Wir freuen uns immer an den Konferenzen teilzunehmen, denn uns ist es wichtig, die Ideen und auch die Kritik der potentiellen Anleger und Aktionäre zu besprechen. Am häufigsten werden wir natürlich gefragt, wie die zukünftige Entwicklung der Artnet sein wird und auch, wie sehr sich Kunst als Anlage etabliert.
Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Pabst!
Jacob Pabst ist CEO von Artnet und verfügt über viele Jahre Erfahrung in der Kunstwelt. Angefangen bei Artnet hat der studierte Volkswirt im Jahr 2000 – zunächst in der Produktentwicklung und in der Technik. Von 2009 bis Ende 2011 zeichnete Pabst als Vorstand Informationstechnologie (CIO) für die Bereiche Produktentwicklung, Technik, Qualitätssicherung, SEO sowie Content Management verantwortlich. Aus dieser Position heraus wurde Pabst im Januar 2012 Präsident der Artnet Worldwide Corporation und leitete das operative Geschäft in New York. Unter seiner Leitung wurden die Website und die Infrastruktur von artnet wesentlich verbessert, der Vertrieb neu ausgerichtet und artnet erfolgreich in Social Media eingeführt. Pabst startete mehrere neue Geschäftsbereiche, darunter artnet Auctions (2008) und artnet Analytics (2012). Zusätzlich optimierte er die Produktentwicklung und die interne Organisation auf Effizienz und Einsparungen hin.
Fotos: Artnet AG
Jetzt für unseren wöchentlichen Newsletter BGFL WEEKLY anmelden. Das Angebot ist kostenlos und präsentiert die Highlights von boersengefluester.de (BGFL) sowie Interna aus der Redaktion. Der Erscheinungstag ist immer freitags. Wer Interesse hat und noch nicht registriert ist, kann das gern unter diesem LINK tun. Wir freuen uns auf Sie! Selbstverständlich behandeln wir Ihre E-Mail-Adressen vertraulich und verwenden sie ausschließlich für den Versand des Newsletters BGFL WEEKLY.