Vor gut einem Jahr tobte noch eine heiße Übernahmeschlacht um Artnet. Letztlich musste sich die dem russischen Investor Vladimir Evtushenkov zurechenbare Redline Capital allerdings geschlagen geben. Artnet-Gründer Hans Neuendorf und sein Sohn Jacob Pabst, der seit Mitte 2012 Artnet anführt, blieben standhaft. Einen guten Schnitt mit der Artnet-Spekulation machte damals auch Rüdiger K. Weng, Vorstandschef des ebenfalls börsennotierten Kunsthauses Weng Fine Art (WFA). Laut Aktionärsbrief zum Verlauf des Geschäftsjahrs 2012/13 (per 31. Juli) entfiel damals „ein großer Anteil“ der sonstigen betrieblichen Erträge von 682.000 Euro auf Geschäfte mit Artnet-Aktien. Nun wagt Weng – für Branchenkenner nicht ganz überraschend – erneut einen Vorstoß und hat sich klammheimlich mit 5,33 Prozent bei Artnet eingekauft.
Diesmal scheint Rüdiger Weng aber nicht nur zocken zu wollen: „Das Engagement bei Artnet ist der ideale Startpunkt für unser künftiges Beteiligungsportfolio an der Schnittstelle zwischen Kunst- und Online-Welt. Dieses wird den Aufbau unserer eigenen E-Commerce-Aktivitäten beschleunigen und dazu beitragen, dass Internet-Geschäfte bereits in zwei bis drei Jahren eine wichtige Ertragssäule der WFA sein können“, sagt Weng. Bei Artnet dürfte das Engagement von Weng alles andere als Freudensprünge auslösen. Im Gespräch mit boersengefluester.de während des Frankfurter Eigenkapitalforums – also kurz bevor Weng den neuerlichen Einstieg bei Artnet meldete – zeigten sich Neuendorf und Pabst wenig überzeugt vom Konzept des Krefelders. Ihrer Meinung nach hat Weng vor allem deswegen ein Interesse an Artnet, weil er nur so die Unmöglichkeit der Skalierbarkeit seines Geschäfts vertuschen kann. Diesen Punkt dürfte Weng natürlich komplett anders sehen.
Interessant ist ein Blick auf den Börsenwert der beiden Gesellschaften. Die frühere Neuer-Markt-Firma Artnet bringt gegenwärtig etwa 15,6 Mio. Euro auf die Waage. Davon dürften sich gut 50 Prozent im Streubesitz befinden. Wichtigster Aktionär – mit rund 27 Prozent – ist Firmengründer Neuendorf. Im vergangenen Geschäftsjahr kamen die Berliner auf Erlöse von 13,49 Mio. Euro. Weng Fine Art ist mit 33,8 Mio. Euro kapitalisiert – bei einem allerdings deutlich geringeren Freefloat von 27,3 Prozent. Dominiert wird die Aktionärsstruktur von Rüdiger Weng, der 72,7 Prozent der Anteile hält. Im Geschäftsjahr 2012/13 (per 31. Januar) setzte Weng 7,68 Mio. Euro um – deutlich weniger als Artnet. Gemessen am Erlös sieht die Weng-Aktie also recht hoch bewertet aus. Angesichts des geringen Streubesitzes handelt es sich in gewisser Weise vermutlich wohl auch um „Knappheitspreise“. Andererseits kann Weng beim Kurs-Buchwert-Verhältnis punkten. So ist sein Börsenwert zu rund 28 Prozent mit Eigenkapital unterlegt. Bei Artnet sind es gegenwärtig nur etwa 15 Prozent.
Was hat Weng nun also vor mit Artnet? „Sofern sich attraktive Gelegenheiten ergeben, wird die WFA ihren Artnet-Anteil weiter aufstocken. Eine Übernahme von Artnet ist derzeit nicht geplant – das WFA-Management kann sich jedoch eine verstärkte operative Zusammenarbeit mit Artnet vorstellen“, dämpft Weng übertriebenen Optimismus. Ob er bei Artnet auf offene Ohren stößt, ist allerdings fraglich. Unabhängig davon: Börsianer werden die weitere Entwicklung gespannt verfolgen. Insbesondere der Artnet-Aktie ist die neuerliche Bewegung im Aktionärskreis bislang gut bekommen. Seit Anfang November ist die Notiz bereits um 53 Prozent in die Höhe geschossen. Die Neun-Monats-Zahlen von Artnet sind dabei beinahe in den Hintergrund getreten.
Wirklich spektakulär war der Zwischenbericht allerdings auch nicht. Nach einem hohen Vorjahresverlust hat Artnet zwar die Rückkehr in die schwarzen Zahlen gemeistert. Mit 32.535 Euro fiel der Gewinn jedoch noch eher mager aus. Immerhin richtet sich die Gesellschaft konsequent auf das Internet aus, und auch die Zeit spielt für Artnet. „Bislang gab es beim Onlinekauf immer viel Gegenwind. Doch das hat sich nun gewandelt. Ich bin daher zu 100 Prozent sicher, dass sich der Online-Kunsthandel durchsetzen wird“, sagt Neuendorf. Fast 14 Jahre nach dem Börsengang scheint die Internetstory Artnet also nun endlich in Schwung zu kommen. Für boersengefluester.de bietet der Titel noch immer überdurchschnittliches Potenzial. In der Weng-Aktie sehen wir eine Halten-Position.
Foto: Artnet AG