HV-Einladungen sind in der Regel eher spröder Lesestoff, selbst wenn die Texte wichtige – und mitunter sogar brisante – Informationen für Aktionäre enthalten. Aber die Tagesordnungspunkte der Hauptversammlung sind nun mal keine Prosa, sondern im Juristendeutsch verfasst. Da macht auch die Bekanntmachung zur ordentlichen Hauptversammlung (HV) der artnet AG am 18. November 2024 keine Ausnahme. Daher hat boersengefluester.de sich die wesentlichen Inhalte einmal vorgenommen und mit ein wenig Leben gefüllt. Die zunächst einmal offenkundigste Veränderung: Nachdem die HVs in den Jahren 2020, 2021, 2022 und auch 2023 durchgängig im virtuellen Format stattgefunden haben, wechselt das Kunstdaten-Unternehmen 2024 zurück in die Präsenzvariante.
Das ist gut, zumal es immer wieder den Vorwurf gibt, dass Unternehmen im virtuellen HV-Format sich der kritischen Auseinandersetzung mit den Aktionären entziehen. Längst hat sich in der Szene der Begriff „Vorstandsfernsehen“ für digitale Hauptversammlungen etabliert. Umso gespannter dürfen Investoren sein, wie sich die artnet-HV 2024 atmosphärisch gestalten wird. Immerhin sind sich die wesentlichen Aktionärsgruppen der Berliner um die Gründerfamilie Neuendorf sowie auf der anderen Seite die ebenfalls börsennotierte Weng Fine Art (WFA) nicht gerade supergrün – wie hinlänglich in den Finanzmedien beschrieben. Der Ort der Hauptversammlung wird – wie zuletzt 2019 – das Auditorium Friedrichstraße in Berlin Mitte sein. Auffällig auch die späte Terminierung im November. Nur bei den HVs der Jahre 2020 und 2021 fanden Treffen letztlich noch später, jeweils im Dezember, statt.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 18,43 | 18,32 | 19,54 | 18,94 | 20,89 | 25,03 | 23,35 | |
EBITDA1,2 | 0,77 | 1,26 | 1,52 | 1,55 | 0,63 | -0,14 | -0,20 | |
EBITDA-Marge3 | 4,18 | 6,88 | 7,78 | 8,18 | 3,02 | -0,56 | -0,86 | |
EBIT1,4 | 0,36 | 0,77 | 0,18 | 0,19 | -0,75 | -1,63 | -1,90 | |
EBIT-Marge5 | 1,95 | 4,20 | 0,92 | 1,00 | -3,59 | -6,51 | -8,14 | |
Jahresüberschuss1 | 0,70 | 1,04 | -0,01 | 1,92 | -0,80 | 0,12 | -1,00 | |
Netto-Marge6 | 3,80 | 5,68 | -0,05 | 10,14 | -3,83 | 0,48 | -4,28 | |
Cashflow1,7 | 1,01 | 1,11 | 1,63 | 2,71 | 0,56 | 2,66 | 0,98 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,12 | 0,19 | 0,00 | 0,35 | -0,09 | 0,02 | -0,18 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: Rödl & Partner |
Gründe für die Verschiebungen waren bereits 2021 die Diskussionen mit WFA, 2020 gab artnet gesundheitliche Probleme des Alleinvorstands an. Derweil sehen die Tagesordnungspunkte der HV 2024 zunächst einmal auffällig normal aus: Feststellung des Jahresabschlusses, Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat und auch die Wiederwahl des für 2023 erstmals beauftragten Wirtschaftsprüfers Rödl & Partner. Interessanter wird dann schon die Wahl des Aufsichtsrats unter Tagesordnungspunkt 5, denn artnet schlägt die komplette Wiederwahl des bisherigen Gremiums um Pascal Decker (Vorsitzender), Michaela Diener und Hans Neuendorf vor. Diese Konstellation würde dafürsprechen, dass das Team WFA bei seinen Bemühungen um eine Neuordnung bei artnet – inklusive der Beteiligung eines strategischen Investors – nicht entscheidend vorangekommen ist.
Andererseits können, wie in der Vergangenheit mehrfach vorgekommen, noch Gegenanträge zur HV eingereicht werden. Boersengefluester.de ist gespannt, ob Weng Fine Art in die Offensive geht. Bei der artnet-HV 2023 hielt sich WFA-Vorstand und Großaktionär Rüdiger Weng diesbezüglich zurück – wohl auch um die Investorengespräche nicht zu torpedieren. Das Thema Vergütung von Vorstand und Aufsichtsrat sparen wir an dieser Stelle aus. Damit wird sich die Hauptversammlung ausgiebig beschäftigen. Knifflig wird auf jeden Fall Punkt 9 der Tagesordnung: Die Schaffung eines Genehmigten Kapitals im Umfang von rund 20 Prozent, inklusive der Möglichkeit eines Bezugsrechtsausschlusses etwa um die Basis für eine Aktien-Dividende zu ermöglichen.
Zwar betont artnet-Alleinvorstand Jacob Pabst: „Konkrete Pläne für eine Ausnutzung des Genehmigten Kapitals 2024 bestehen derzeit nicht. Der Vorstand wird in jedem Fall sorgfältig prüfen, ob die Ausnutzung der Ermächtigung im Interesse der Gesellschaft und ihrer Aktionäre ist.“ Gleichwohl kann sich boersengefluester.de nur schwer vorstellen, dass die Gruppe um WFA diese Ermächtigung vorbehaltlos unterstützt. Andererseits steht auch Rüdiger K. Weng im November eine stürmische Hauptversammlung bevor. Schließlich ist der Aktienkurs des Kunsthandelsunternehmens massiv abgestürzt. Noch gibt es aber kein konkretes Datum für die HV. Fest steht aber, dass es erneut eine Präsenzveranstaltung wird. So oder so wird es aber höchste Zeit, dass das Thema Investor-Einstieg bei artnet final entschieden wird. Der ewig lange Kommunikationsstillstand schadet längst allen Investoren.
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