Eine saftige Gewinnwarnung für 2023 von Artnet – und das mitten in der heißen Phase der Übernahmeverhandlungen durch angelsächsische Investoren. Vordergründig natürlich eine schlechte Nachricht, die das Interesse der Käufer an dem Kunstdatenunternehmen aus Berlin mit starker Expertise in New York merklich zügeln könnte. Schließlich ist es naheliegend, dass sich die bisherigen Preisvorstellungen (11 bis 13 Euro je Artnet-Aktie) von Großaktionär Weng Fine Art (WFA) sowie der Artnet-Gründerfamilie Neuendorf in den Augen der Investoren als möglicherweise überdimensioniert erweisen, was den ohnehin schon laufenden Verhandlungsmarathon nochmals in die Länge ziehen könnte. Immerhin ist es kein Pappenstiel, dass die im streng regulierten Börsensegment Prime Standard notierte Artnet AG statt des bislang für 2023 avisierten Ergebnisses vor Zinsen und Steuern (EBIT) von 1,0 bis 1,6 Mio. Dollar jetzt mit einem negativen EBIT von minus 0,7 Mio. Dollar rechnet.
Und auch der Umstand, dass „einige größere Medien- und Daten-Einnahmen, die aus unvorhersehbaren Gründen nicht mehr im Geschäftsjahr 2023, sondern voraussichtlich erst im ersten Quartal des Geschäftsjahres 2024 realisiert werden können“, lenkt nicht wirklich davon ab, dass es sich insgesamt um eine dicke Enttäuschung handelt. Die Erwartung an den 2023er-Umsatz drosselt Artnet dabei auf rund 26 Mio. Dollar – nach einer zuvor in Aussicht gestellten Bandbreite zwischen 28 und 30 Mio. Dollar. Gleichwohl könnte die Gewinnwarnung die laufenden Prozesse aber eben auch beschleunigen, da sich die Verhandlungsposition von Familie Neuendorf nicht gerade verbessert hat.
Für WFA wiederum handelt es sich um ein zweischneidiges Schwert: Einerseits verliert die angebotene Artnet-Beteiligung an Attraktivität, andererseits bestätigt die Gewinnwarnung das grundsätzliche Szenario der Monheimer, wonach Artnet ein Unternehmen mit tollen Produkten und großen Werten sei, deren Potenzial aber beherzt freigelegt werden muss. Neben den bereits eingeleiteten operativen Maßnahmen kommt dabei dem Faktor Zeit eine nicht unerhebliche Bedeutung bei. WFA-Vorstand Rüdiger K. Weng hat zuletzt immer betont, dass er für die zweite Jahreshälfte 2024 mit einem Turnaround beim derzeit schwierigen Kunstmarkt rechnet. Mit anderen Worten: Der Erwerber einer Mehrheitsbeteiligung an Artnet würde – zumindest so das Szenario von Weng eintritt – vergleichsweise schnell einen doppelten Ertragshebel bei Artnet haben. Das wiederum könnte den negativen Einfluss der jetzigen Gewinnwarnung spürbar limitieren. Die kommenden Wochen und Monate bleiben also hochgradig spannend: Und zwar für die Aktien von Artnet und Weng Fine Art. Rein mit Blick auf den Börsenwert liegen beide Unternehmen übrigens ziemlich dicht beieinander.
Foto: Clipdealer
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