Der heimische Neuemissionsmarkt läuft auf Hochtouren. Am 30. April startet die Zeichnungsfrist für Aktien der Apontis Pharma AG. Noch bis zum 6. Mai können Investoren die Anteilscheine des führenden Pharma-Unternehmens für Single Pills auf dem deutschen Markt zeichnen. Die Preisspanne bewegt sich zwischen 18,50 und 24,50 Euro. Für den 11. Mai ist die Notierungsaufnahme im Scale-Segment der Frankfurter Börse geplant. Der erhoffte Emissionserlös beträgt rund 40 Mio. Euro. Mit einem prognostizierten Umsatzwachstum von 24 Prozent für das laufende Geschäftsjahr gegenüber 2020 präsentiert sich das in Monheim am Rhein ansässige Unternehmen sehr dynamisch, weitere Single Pills stehen kurz vor der Markteinführung. Grund genug für boersengefluester.de, bei CEO Karlheinz Gast und Chief Product Officer Thomas Milz nachzufragen und Details zum Geschäftsmodell sowie den Wachstumsperspektiven in Erfahrung zu bringen.
Herr Gast, in der vergangenen Woche haben Sie Ihre Börsenpläne öffentlich gemacht, heute startet bereits das öffentliche Angebot, ab Dienstag können die Aktien von Apontis Pharma auch über DirectPlace an der Frankfurter Börse gezeichnet werden. Warum haben Sie es so eilig auf Ihrem Weg auf das Parkett?
Karlheinz Gast: Wir haben auf unsere Ankündigung, eine Notierung an der Frankfurter Wertpapierbörse anzustreben, eine sehr positive Resonanz von Investorenseite erhalten. Dieses Momentum gibt uns Rückenwind beim geplanten Börsengang, der für uns der nächste logische Schritt ist, um auf unserer einzigartigen Positionierung und der Marktführerschaft von Apontis Pharma als „The Single Pill Company“ aufzubauen.
Unter „The Single Pill Company” können sich wohl nur wenige unserer Leser etwas Konkretes vorstellen. Was ist das Besondere an Ihren Single Pills?
Karlheinz Gast: Unser Ziel ist eine optimale Versorgung des Patienten. Hier kommen Single Pills ins Spiel, das sind Arzneimittel, die zwei bis drei pharmazeutische Wirkstoffe, die Patienten typischerweise als einzelne Arzneimittel zusammen verschrieben werden, in einer Single Pill, sprich in einer Tablette oder einer Kapsel, kombinieren. Insbesondere bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, der häufigsten Todesursache in Deutschland, werden Medikamente oft nicht im verordneten Rahmen eingenommen. Chronisch kranke Patienten sind zuweilen mit der schieren Anzahl der Pillen, die sie täglich einnehmen müssen, überfordert. Ein direkter Vergleich der Einnahme von Kombinationspräparaten und loser Kombination einzelner Tabletten hat die besondere Wirksamkeit der Single Pill-Therapie gezeigt und deren Vorteile deutlich hervorgehoben.
Herr Milz, kann man diese Vorteile auch quantifizieren?
Thomas Milz: Durchaus. Die zugrunde liegende START-Studie mit 60.000 Teilnehmern hat eine statistisch signifikant erhöhte Therapietreue von 70 bis 80 Prozent bei der Einnahme von Single Pills im Vergleich zu 20 bis 50 Prozent bei der Verwendung einer identischen losen Kombination von Tabletten gezeigt. Diese durch die Single Pills geförderte Therapietreue führt nachweislich zu erheblichen gesundheitlichen Vorteilen für die Patienten, wie einer steigenden Lebenserwartung, aber zum Beispiel auch zu weniger Krankenhauseinweisungen. Als positiver Nebeneffekt sinken gleichzeitig die Kosten für das Gesundheitssystem, da die Gesundheitskosten insgesamt unter einem Single Pill-Therapieregime günstiger sind als unter der losen Kombination.
Apontis Pharma bietet aktuell bereits acht Single Pills zur Behandlung von Hypertonie und Herz-Kreislauf-Erkrankungen an. Wie sieht Ihre weitere Pipeline aus?
Thomas Milz: Unser Antrieb ist es, ein besseres Leben für unsere Patienten zu schaffen. Die acht seit 2013 von uns am Markt eingeführten Single Pills wurden bereits zur Behandlung von Hunderttausenden von Patienten eingesetzt – entsprechend sehen wir hier einen First-Mover-Vorteil für uns. Bis Ende 2023 wollen wir vier weitere Präparate, davon ein bis zwei noch 2021 auf den Markt bringen. Nach unseren Schätzungen werden die Bestandteile dieser vier Single Pills derzeit als separate Arzneimittel von weit über 1,4 Mio. Patienten im deutschen Markt eingenommen. Darüber hinaus arbeiten wir konsequent am Ausbau unseres Single Pill-Portfolios für chronische Erkrankungen vorwiegend im kardiovaskulären Bereich.
Wie kosten- und zeitintensiv ist die Entwicklung neuer Single Pills und wie sind diese gegenüber Konkurrenzpräparaten geschützt?
Thomas Milz: Die Entwicklungskosten in neue Single Pills amortisieren sich in der Regel nach zwei Jahren. Der Unterlagenschutz für Single Pills von zehn Jahren ab ihrer Zulassung kombiniert mit unserer zentralen Wettbewerbsstärke sowie der Vertriebs- und Marketingpower bildet einen breiten Burggraben um unser Geschäftsmodell.
Herr Gast, welche Synergien gibt es zwischen dem Single Pill-Geschäft und dem Co-Marketing-Bereich, Ihrem zweiten Standbein?
Karlheinz Gast: Wir vermarkten innovative Medikamente. Single Pills und Co-Marketing-Lösungen bieten dabei Synergieeffekte über kombinierte Vertriebs- und Marketingaktivitäten, welche die Beziehung zu den Ärzten vertiefen. Über unsere Co-Marketing- und Co-Promotion-Vereinbarungen vermarkten wir auch eine Reihe von pharmazeutischen, patentgeschützten Produkten für verschiedene chronische Krankheiten wie Diabetes und Atemwegserkrankungen. Dort zählen globale Pharmaunternehmen wie zum Beispiel AstraZeneca und Novartis Pharma zu unseren Partnern, die wir mit unserer erfahrenen Vertriebsmannschaft bei der Vermarktung noch patentrechtlich geschützter Arzneimittel unterstützen. Diese meist langjährigen Verträge gewährleisten zuverlässige, wiederkehrende Einnahmeströme.
Sie streben einen Nettoerlös von rund 40 Mio. Euro an. Benötigen Sie das Kapital für die Weiterentwicklung Ihres Single Pill-Portfolios?
Karlheinz Gast: Neben der schnelleren Entwicklung und Lizenzierung der bereits angesprochenen Produktpipeline ist der Ausbau des Marktanteils unserer bestehenden Produkte ein wesentliches Element unserer Wachstumsstrategie. Um dies zu erreichen, wollen wir unter anderem unsere Marketing- und Vertriebsaktivitäten intensivieren. Einen Teil der IPO-Erlöse wollen wir aber auch für ausgewählte, wertsteigernde Akquisitionen verwenden, um durch die Erweiterung des Indikationsspektrums und die Ergänzung des bestehendes Produktportfolios unsere Position als führender Anbieter von Single Pills zu stärken.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 54,71 | 44,80 | 40,04 | 39,24 | 51,18 | 55,73 | 36,96 | |
EBITDA1,2 | 12,40 | 2,81 | -1,72 | 1,00 | 2,36 | 5,57 | -13,28 | |
EBITDA-Marge3 | 22,66 | 6,27 | -4,30 | 2,55 | 4,61 | 9,99 | -35,93 | |
EBIT1,4 | 11,74 | 2,50 | -2,29 | -0,66 | 0,62 | 3,77 | -15,16 | |
EBIT-Marge5 | 21,46 | 5,58 | -5,72 | -1,68 | 1,21 | 6,77 | -41,02 | |
Jahresüberschuss1 | 11,58 | 2,37 | -2,39 | -1,18 | -0,75 | 2,69 | -12,68 | |
Netto-Marge6 | 21,17 | 5,29 | -5,97 | -3,01 | -1,47 | 4,83 | -34,31 | |
Cashflow1,7 | 31,09 | 4,46 | -0,24 | 1,45 | 3,43 | 11,02 | -12,60 | |
Ergebnis je Aktie8 | 1,36 | 0,28 | -0,28 | -0,14 | -0,09 | 0,32 | -1,49 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: RSM Ebner Stolz |
Hinweis: Die Zahlen für 2016 bis 2018 in der Tabelle sind nur bedingt vergleichbar mit den Angaben von 2019 und 2020. Schätzungen für 2021 von borsengefluester.de
Wie schätzen Sie die Wachstumsperspektiven für Apontis Pharma ein?
Karlheinz Gast: Die Akzeptanz von Single Pills als Therapie für chronische Indikationen nimmt kontinuierlich zu. Dies bietet uns ebenso attraktive Wachstumsperspektiven wie der demografische Wandel sowie Bluthochdruck als eines der wichtigsten chronischen Gesundheitsprobleme unserer Zeit. Diese Einschätzung wird durch die Entwicklung von Behandlungsrichtlinien unterstützt, die von der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie („ESC“) eingeführt wurden und die eine Single Pill-Therapie als Erstbehandlung für Bluthochdruck empfehlen. Für das laufende Geschäftsjahr peilen wir einen Anstieg des Gesamtumsatzes um rund 24 Prozent auf 48,5 Mio. Euro an. Besonders dynamisch wird sich dabei voraussichtlich das Geschäft mit Single Pills entwickeln, für das wir in diesem Jahr einen Erlösanstieg um voraussichtlich 44 Prozent erwarten. Damit würden Single Pills 2021 bereits einen Umsatzanteil von 57 Prozent erreichen. Auf mittelfristige Sicht können wir uns eine Steigerung des Anteils der Single Pills am Gesamtumsatz auf 85 bis 90 Prozent vorstellen, da wir potenzielle zusätzliche Umsätze mit Single Pills in der Größenordnung von 100 Mio. Euro pro Jahr anpeilen.
Und wie sieht es mit Ihrer Margensituation aus?
Karlheinz Gast: Die Fokussierung auf die Profitabilität der Single Pills ermöglicht es uns, die Gewinne aus den Markteinführungen dieser Produkte zu maximieren. So erzielen wir mit Single Pills attraktive Bruttogewinnmargen von durchschnittlich 70 Prozent. Auf Basis unseres skalierbaren Geschäftsmodells, bei dem wir unsere gesamte Produktion an eine Reihe von Drittanbietern von Auftragsfertigungsunternehmen oder Drittzulieferern outsourcen, sind mittelfristig EBITDA-Margen von 30 Prozent möglich.
Herr Gast, Herr Milz, besten Dank für das Interview.
Karlheinz Gast ist seit 2018 CEO bei Apontis Pharma. Er begann seine berufliche Laufbahn 1986 bei Klinge Pharma, wo er verschiedene Positionen innehatte.1995 wechselte der gebürtige Landauer (Jahrgang 1956) zu Asta Medica. Im Jahr 1997 begann er dann als Sales Director bei der Schwarz Pharma Deutschland GmbH – quasi der Vorgängergesellschaft von Apontis. Hintergrund: 2006 wurde Schwarz Pharma aus Monheim von UCB erworben. Der belgische Pharmakonzern spezialisierte sich auf die Fachbereiche Neurologie und Immunologie. 2016 kam es dann der Entschluss, den Bereich Innere Medizin als selbstständige Einheit anzutrennen. Im Zuge dessen erfolgte der Verkauf an die Investmentgesellschaft Paragon mit der späteren Umfirmierumg in Apontis. Schwarz Pharma selbst war von 1995 bis 2009 ebenfalls börsennotiert. Nach der Übernahme durch UCB kam es jedoch zum Squeeze-out.
Thomas Milz (Jahrgang 1964) ist für die strategische Geschäftsentwicklung von Apontis Pharma verantwortlich. Von 1993 bis 1996 war er Produktmanager bei Schwarz Pharma, wechselte anschließend für kurze Zeit zur Kölner Madaus-Gruppe. 1997 kehrte er dann als Leiter des Produktmanagements für Gefäßerkrankungen zu Schwarz Pharma zurück. Im Jahr 2007 übernahm er die Position des Direktors für strategische Projekte und Marktzugang bei UCB Pharma. Seit 2019 ist Thomas Milz – geboren in Neuss – bei Apontis Deutschland tätig.
Fotos: AdobeStock, Fotografie Lebensnah, Apontis Pharma AG