Fürchterlich viel ist noch nicht passiert beim Aktienkurs von Apontis Pharma. Gut zwei Monate nach dem Börsengang im Frankfurter Spezialsegment Scale notiert der Anteilschein weiter in unmittelbarer Sichtweite zum Ausgabepreis von 19 Euro. Markant überschritten hat die Notiz den Emissionspreis dabei noch gar nicht, das Tief lag Anfang Juni bei 16,60 Euro. Gemessen daran signalisieren die Analystenstudien von Hauck & Aufhäuser mit einem Kursziel von 31 Euro sowie Warburg Research, die den fairen Wert der Apontis-Aktie sogar bei 41 Euro ansiedeln, ein erkleckliches Aufwärtspotenzial. In einem Updategespräch mit boersengefluester.de haben CEO Karlheinz Gast und Produktvorstand Thomas Milz jetzt – nachdem die Hektik zum IPO ein wenig verflogen ist – noch einmal die Investmentstory des aus dem Deutschlandgeschäft der früher selbst einmal börsennotierten Schwarz Pharma hervorgegangenen Apontis erläutert (ein erstes Interview mit boersengefluester.de gab es bereits Ende April HIER).
Immerhin sind Single Pills – also Tabletten, die zwei bis drei pharmazeutische Wirkstoffe enthalten und anstelle mehrerer Einzelpräparate eingenommen werden – eine eher neue Geschichte für den heimischen Aktienmarkt. Dabei sind Karlheinz Gast und Thomas Milz, soviel wird im Gespräch schnell deutlich, zwei Pharma-Manager der alten Schule mit der Mission etwas Gutes zu erreichen: Nämlich möglichst viele Patientenleben zu verlängern oder gar zu retten. „Single Pills sind einer losen Kombination weit überlegen, einfach weil die Einnahmetreue steigt“, sagt Gast. Immerhin verfehlen etliche Therapien am Ende ihre gewünschte Wirkung, weil kaum ein Patient über die gesamte Behandlungsdauer den mitunter üppigen Tablettencocktail konsequent einnimmt. Entsprechend ist es eine enorme Erleichterung, wenn man zwei oder drei Tabletten zu einer zusammenfassen kann. Das wiederum erhöht den Behandlungserfolg und vermeidet gleichzeitig teure Krankenhausaufenthalte, was sich – wirtschaftlich aus Sicht der Krankenkassen betrachtet – am Ende in um bis zu rund einem Drittel niedrigeren Patientenkosten widerspiegelt.
Die wesentlichen Indikationen der zurzeit acht Single Pills im Portfolio von Apontis sind Hypertonie (Bluthochdruck) und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Allesamt Volkskrankheiten mit einer Vielzahl von etablierten und hoch wirksamen Leitsubstanzen, weshalb sich die forschenden Pharmafirmen oder gar Biotechs hier längst zurückgezogen haben. Dominant sind Generika, die Originalpräparate haben längst ihren Patentschutz verloren. Um mit Single Pills in dieses beinahe geschlossene Ökosystem einzudringen, gilt es insbesondere die Ärzte, aber auch die Apotheker zu überzeugen. Umso wichtiger, dass das Vertriebsteam von Apontis – schon allein aus der Schwarz Pharma-Historie – einen traditionell guten Zugang zu den Arztpraxen hat. Ebenfalls positiv: Mit der AXA Krankenversicherung hat sich kürzlich ein großer Kostenträger auf die Seite der Therapievariante Single Pills gestellt.
Mit dem Emissionserlös von brutto 38 Mio. Euro aus dem Börsengang will das in Monheim am Rhein ansässige Unternehmen insbesondere die Entwicklung neuer Produkte vorantreiben, aber auch in Marketing und Vertrieb investieren. „Bis Ende 2023 planen wir vier neue Single Pills auf den Markt zu bringen“, sagt Gast. Ein durchaus anspruchsvolles Unterfangen. Das wird schnell klar, wenn man sich den Entwicklungsprozess einer neuer Single Pill von Produktvorstand Thomas Milz genau erklären lässt. Selbst hergestellt wird bei Apontis übrigens nicht, Produktion und Lagerhaltung sind ausgegliedert. Mehr als zwei Drittel der Mitarbeiter sind demnach Vertriebsleute. Interessant aus Anlegersicht ist zudem der Umstand, dass eine neue entwickelte Single Pill, auch wenn sie im Grunde aus bekannten Wirkstoffen abgeleitet ist, einen sogenannten Unterlagenschutz für die Dauer von zehn Jahren bekommt. Potenzielle Wettbewerber haben es also schwer, sich an Apontis ranzuhängen.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 54,71 | 44,80 | 40,04 | 39,24 | 51,18 | 55,73 | 36,96 | |
EBITDA1,2 | 12,40 | 2,81 | -1,72 | 1,00 | 2,36 | 5,57 | -13,28 | |
EBITDA-Marge3 | 22,66 | 6,27 | -4,30 | 2,55 | 4,61 | 9,99 | -35,93 | |
EBIT1,4 | 11,74 | 2,50 | -2,29 | -0,66 | 0,62 | 3,77 | -15,16 | |
EBIT-Marge5 | 21,46 | 5,58 | -5,72 | -1,68 | 1,21 | 6,77 | -41,02 | |
Jahresüberschuss1 | 11,58 | 2,37 | -2,39 | -1,18 | -0,75 | 2,69 | -12,68 | |
Netto-Marge6 | 21,17 | 5,29 | -5,97 | -3,01 | -1,47 | 4,83 | -34,31 | |
Cashflow1,7 | 31,09 | 4,46 | -0,24 | 1,45 | 3,43 | 11,02 | -12,60 | |
Ergebnis je Aktie8 | 1,36 | 0,28 | -0,28 | -0,14 | -0,09 | 0,32 | -1,49 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: RSM Ebner Stolz |
Hinweis: Die Zahlen für 2016 bis 2018 in der Tabelle sind nur bedingt vergleichbar mit den Angaben von 2019 und 2020. Schätzungen für 2021 von borsengefluester.de
Den Halbjahresbericht 2021 wird das Unternehmen im August veröffentlichen. Nach vier Monaten standen Erlöse von 15,1 Mio. Euro sowie ein Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) von 1,6 Mio. Euro zu Buche. Die bislang kommunizierte Vorschau für das Gesamtjahr sieht Erlöse von 48,5 Mio. Euro vor. Mit Blick auf das EBITDA kalkulieren die Analysten derweil eine Spanne von 5,5 bis 5,7 Mio. Euro. Bereits 2023 sollte das EBITDA laut den Bankstudien dann aber in eine zweistellige Millionen-Euro-Region vordringen. Dem wiederum steht ein Börsenwert von zurzeit 161,5 Mio. Euro entgegen – bei einer Netto-Liquidität von gegenwärtig vermutlich rund 30 Mio. Euro. Anspruchsvoll bewertet ist der Small Cap, sofern die Prognosen eintreffen, also nicht unbedingt.
Kein Wunder, dass die Analysten so forsche Kursziele ausgeben. Wer also noch nach einer Depotbeimischung aus dem Pharmasektor sucht und keinen gesteigerten Wert auf Dividenden legt, ist bei Apontis vermutlich gut aufgehoben. Und manchmal dauert es eben seine Zeit, bis eine Aktie nach dem IPO zündet. Davon können die Aktionäre der Dermapharm Holding übrigens nur zu gut ein Lied singen. Mittlerweile – rund 3,5 Jahre nach der Erstnotiz – ist der Titel aber weit mehr als ein Verdoppler und bietet noch immer überdurchschnittliches Potenzial. Ansonsten dürften Medios und mit Abstrichen auch die auf rezeptfreie Medikamente spezialisierte PharmaSGP die am ehesten mit Apontis vergleichbaren Unternehmen auf dem heimischen Kurszettel sein.
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