Das Nebenwertesegment ist doch immer für Überraschungen gut. Als boersengefluester.de am 7. Juni 2023 – wie jeden Tag – den elektronischen Bundesanzeiger nach den neuesten Hauptversammlungen und Dividendenbekanntmachungen durchforstet hat, fiel uns die HV-Einladung von aovo Touristik auf. Zum einen, weil wir den bereits seit 2006 im Freiverkehr gelisteten Titel gar nicht in unserer ansonsten extrem umfassenden Datenbank haben. Noch wesentlich überraschter waren wir jedoch über den Dividendenvorschlag von 0,95 Euro je Aktie zur Hauptversammlung am 18. Juli 2023. Immerhin entspricht diese Ausschüttung einer ungewöhnlichen Dividendenrendite von mehr als 27 Prozent. Grund genug, rund zwei Stunden Zeit zu investieren und sämtliche Stammdaten des Anbieters von Kurz- und Erlebnisreisen zusammenzutragen und den Titel neu in unsere Datenbank zu nehmen.
Schon an dieser Stelle sei gesagt: aovo Touristik gehört mit einem Börsenwert von nicht einmal 4 Mio. Euro zu den kleinsten Unternehmen aus unserer redaktionellen Coverage, entsprechend sporadisch sind auch die Handelsumsätze. Als Investment kommt das Papier also für kaum jemand in Frage. Da wir auf boersengefluester.de aber auch Kleinstaktien eine Bühne geben, schreiben wir die wesentlichen Eckpunkte der Kapitalmarktstory gern zusammen – zumal sie in diesem Fall auch einen guten Einblick in den Börsenalltag von Microcaps geben. Zunächst einmal hat es bei uns insofern recht schnell „Klick“ gemacht, weil uns der Name aovo Touristik doch irgendwie bekannt vorkam. Und tatsächlich: Bis Anfang 2021 gehörte das Unternehmen aus Hannover zum Portfolio der ebenfalls börsennotierten Beteiligungsgesellschaft U.C.A. um Vorstand Jürgen Steuer.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | |
EBITDA1,2 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | |
EBITDA-Marge3 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | |
EBIT1,4 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | |
EBIT-Marge5 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | |
Jahresüberschuss1 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | |
Netto-Marge6 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | |
Cashflow1,7 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
Mittlerweile ist die ebenfalls in Hannover ansässige etravelworld GmbH um aovo-Aufsichtsrat Norbert Stoeck sowie Sandra Freitag aus dem Managementteam Ankeraktionär von aovo. Wenig verwunderlich indes, dass ein vergleichsweise kleiner Reiseveranstalter wie aovo in der Corona-Zeit erheblich zu leiden hatte und staatliche Hilfsprogramme in Anspruch nehmen musste. Besonders bitter für aovo war, dass 2020 die Oberammergauer Passionsspiele wegen COVID abgesagt werden mussten, immerhin ist das Projekt für aovo als exklusiver Vertriebs- und Marketingdienstleister von enormer Bedeutung. Nun: Corona hat seinen Schrecken verloren und von Mai bis Oktober 2022 wurden die Passionsspiele mit rund 450.000 Besuchern super erfolgreich nachgeholt. Und genau dieses Ereignis spiegelt sich jetzt in den Zahlen des abgelaufenen Geschäftsjahrs sowie dem Dividendenvorschlag wider.
So kamen die Umsatzerlöse 2022 überraschend deutlich von 2,80 auf 8,39 Mio. Euro voran. Der Überschuss kletterte dank eines starken Beteiligungsergebnisses von mehr als 3 Mio. Euro von 206.000 Euro auf 1,59 Mio. Euro. Die geplante erstmalige Ausschüttung seit dem Börsenstart vor fast 17 Jahren entspricht übrigens einer Dividendensumme von knapp 1,33 Mio. Euro. Die Hannoveraner gehen also beinahe in die Vollen, was angesichts der ruppigen Rahmenbedingungen – etwa bedingt durch die Inflation und ihre Folgen – nicht ganz unproblematisch ist. Aovo-Vorstand Gerhard Griebler bezeichnet das laufende Geschäftsjahr als „schwierige Periode des Übergangs“ und plant für die Jahre 2023 und 2024 mit einem jeweils bestenfalls ausgeglichenen Ergebnis.
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Deutliche Worte stehen im Lagebericht zudem hinsichtlich der Kapitalmarktpräsenz: „Die Börse hat sich für ein Unternehmen der Größenordnung und Geschäftstätigkeit der aovo Touristik AG an verschiedenen Stellen als eher nachteilig herausgestellt: beispielhaft die sich zunehmend verschärfenden regulativen Rahmenbedingungen und dadurch verursachten Kosten sowie eine zunehmende Transparenz, die zu Wettbewerbsnachteilen führt, ohne dass diesen Entwicklungen Vorteile für das Unternehmen oder die Aktionäre gegenüberstehen.“ Angesichts solcher Aussagen würde es boersengefluester.de nicht wundern, wenn auch aovo perspektivisch ein Delisting-Ticket bucht.
Und dass die Gesellschaft auf absehbare Zeit in die Situation kommt, frisches Geld via Barkapitalerhöhung aufnehmen zu können, scheint sich das Management ohnehin abgeschminkt zu haben. „Da touristische Unternehmen … ehedem große Schwierigkeiten haben, potenzielle Investoren für ihre branchentypischen Geschäftsmodelle zu begeistern, scheinen selbst unter optimistischen Annahmen keine Chancen für die aovo Touristik AG zu bestehen, einen solchen Schritt erfolgreich durchführen zu können“, heißt es im Geschäftsbericht 2022. Rumms. Das sitzt. Trotzdem zeigt sich Vorstand Gerhard Griebler zuversichtlich, dass die Gesellschaft ihren Weg gehen wird. Seine Formel lautet: Neue Produkte, zusätzliche Kunden, optimierte Prozesse. Nun: Zumindest die Dividendenankündigung hat schon einmal ungeahnte Kurspower freigesetzt und die Notiz aus dem Stand um ein Viertel in die Höhe befördert. Bleibt zu hoffen, dass der Titel dieses Niveau zumindest verteidigt und ein paar Handelsumsätze in die Aktie kommen. Die nächsten Passionsspiele in Oberammergau finden allerdings erst wieder 2030 statt.
Foto: Unsplash+
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