Mitte Juli stand es Spitz auf Knopf um Alno. An der Börse waberten Gerüchte, wonach der Küchenhersteller kurz vor einer Insolvenz stehen würde. Der ohnehin schwache Kurs der Alno-Aktie taumelte im Tief bis auf 0,54 Euro. Die eilig veröffentlichten vorläufigen Zahlen zum zweiten Quartal vermochten die Börsianer jedoch wieder ein wenig beruhigen. Immerhin sprachen die Pfullendorfer von einer Trendwende und verwiesen auf die positive Entwicklung des Auftragsbestands. Fast aus dem Stand schoss die Notiz des Penny Stocks bis auf 0,90 Euro in die Höhe. Das zeigt, mit welchem Hebel die Alno-Aktie ausgestattet ist. Doch der Aufschwung war nicht nachhaltig. Der nun vorgelegte Halbjahresbericht enthüllt, wie brisant die Lage zu der Zeit tatsächlich war.
So erklärte sich die Bauknecht Hausgeräte GmbH bereit, einen Teil ihrer Rechnungen zu stunden und darüber hinaus eine – eigentlich im September 2014 fällige – Darlehenstilgung von 10 Mio. Euro bis September 2015 zu verlängern. Auch die Rückzahlung von 8,5 Mio. Euro Schulden gegenüber der Alno-Vorstand Max Müller zurechenbaren Comco Holding wurde bis April 2015 geschoben. Das gibt ein wenig Handlungsspielraum. Doch die Zeit tickt unbarmherzig, und nach der Übernahme des schweizerischen Anbieters AFP Küchen haben sich die Nettofinanzschulden auf fast 133 Mio. Euro erhöht. Klar ist: Sollten die Geschäfte nicht drehen und der AFP-Deal nicht den erhofften Rentabilitätssprung bringen, wird Alno unter der Schuldenlast ersticken.
Wie ernst die Lage ist, zeigt auch ein Blick auf die im Vorjahr von Alno emittierte Anleihe. Der Bond (WKN: A1R1BR) notiert bei gerade einmal 68 Prozent des Nennwerts. Anders ausgedrückt: Die Börsianer gehen nicht wirklich davon aus, dass die Gesellschaft ihre Zinsen stets pünktlich zahlen wird und die Schuldverschreibung 2018 zu 100 Prozent zurückzahlt. Derweil ist Alno voll damit beschäftigt, die AFP-Gruppe zu integrieren und das Stammwerk in Pfullendorf nahe des Bodensees endlich auszulasten – zumindest im Ein-Schicht-Betrieb. Doch auch diese Maßnahmen verschlingen vorerst weiteres Geld und Managementkapazitäten. „Alles kommt auf den Prüfstand, es gibt erst einmal keine Tabus“, sagt Müller. Aber die Geduld der Börsianer ist arg strapaziert. Zu lange schon warten sie bei Alno auf die Trendwende.
Für das laufende Jahr stellt Müller einen Umsatz von 580 bis 600 Mio. Euro in Aussicht – bei einem Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) von 20 bis 25 Mio. Euro. Grund für die schwarzen Zahlen sind allerdings im Wesentlichen erhebliche positive bilanzielle Einmaleffekte aus der Integration von AFP. Der auf den ersten Blick bescheiden anmutende Alno-Börsenwert von rund 51 Mio. Euro ist also zu relativieren. Gleiches gilt bei der Betrachtung des mit 10,6 Mio. Euro mittlerweile wieder positiven Konzerneigenkapitals. Auch hier spielten Bewertungseffekte eine maßgebliche Rolle. Der „ewige Turnaroundkandidat“ Alno bleibt also eine ganze heiße Aktie. Boersengefluester.de geht davon aus, dass es perspektivisch zu einer Neuordnung der Finanzierungsstruktur kommen wird. Das heißt: Bisherige Anleihengläubiger könnten zu Aktionären werden – mit entsprechenden Verwässerungseffekten für die Inhaber der Altaktionäre. Ähnliche Beispiele gab es in den vergangenen Monaten zur Genüge.
Doch es gibt auch positive Aspekte: Die Integration von AFP birgt noch immer enorme Chancen. Fraglich ist nur, ob Alno noch die nötige Zeit hat, die Prozesse entsprechend umzusetzen. Denn klar ist: Gerüchte um mögliche Schieflagen sind Gift fürs tägliche Geschäft. Wer bestellt sich schon noch eine Küche bei Alno, wenn er nicht sicher weiß, ob sie in drei Monaten auch tatsächlich ausgeliefert wird? Wer den Titel im Depot hat und sehr risikobereit ist, sollte engagiert bleiben. Zu Neuengagements rät boersengefluester.de zurzeit allerdings nicht. Letztlich ist es fast wie bei einem 50:50-Joker. Kann gut gehen, muss es aber nicht. Und Lotterie ist nicht jedermanns Sache an der Börse.
Foto: Alno AG