Eigentlich hätte es ein guter Tag für die Aktionäre von Aixtron werden sollen. Immerhin hatte der Spezialmaschinenbauer für die Chipindustrie zuletzt regelmäßig starke Zahlen präsentiert – entsprechend positiv die Rahmenbedingungen vor der Veröffentlichung des Geschäftsberichts für 2023. Der Stimmungskiller kam aber bereits am Abend vor der Bilanzvorlage in Form einer Ad-hoc-Mitteilung von ams-Osram, in der der Spezialist für Sensorik, Medtech und Beleuchtungen seine gesamte Micro LED-Strategie auf den Prüfstand stellt, weil der wichtigste Kunde in diesem Spezialbereich der Flachbildschirmtechnologie – etwa für Smart Watches oder auch Premium-TVs – seinen Auftrag unerwartet storniert hat. Für ams-Osram stellt sich damit unter anderem die Frage, was mit den aufgebauten Fertigungskapazitäten in Malaysia künftig passieren soll.
Vorsorglich reagiert der ams-Vorstand mit einer Sonderabschreibung zwischen 600 und 900 Mio. Euro auf die Vermögensgegenstände. Konkrete Namen werden in dem Sektor nur selten genannt, doch Experten gehen davon aus, dass Apple hinter der Stornierung steckt. Die Aktie von ams-Osram knickte jedenfalls um 40 Prozent auf die Schocknachricht ein. Was hat das nun alles mit Aixtron zu tun? Ganz unmittelbar vielleicht gar nicht so viel, doch das Thema Micro LED spielt auch in der Investitions- und Wachstumsstrategie von Aixtron eine zentrale Rolle. Entsprechend nervös reagiert der Kapitalmarkt und befördert den Aktienkurs des MDAX-Konzerns mit Sitz in Herzogenrath um im Tief beinahe 22 Prozent nach unten. In absoluten Zahlen hat Aixtron damit innerhalb weniger Stunden 773 Mio. Euro an Börsenwert eingebüßt – bei einer aktuellen Marktkapitalisierung von 3.043 Mio. Euro.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 230,38 | 268,81 | 259,63 | 269,25 | 428,95 | 463,17 | 629,88 | |
EBITDA1,2 | 22,65 | 51,41 | 49,14 | 44,39 | 108,81 | 113,56 | 168,38 | |
EBITDA-Marge3 | 9,83 | 19,13 | 18,93 | 16,49 | 25,37 | 24,52 | 26,73 | |
EBIT1,4 | 4,93 | 41,47 | 39,00 | 34,84 | 98,98 | 104,70 | 156,77 | |
EBIT-Marge5 | 2,14 | 15,43 | 15,02 | 12,94 | 23,08 | 22,61 | 24,89 | |
Jahresüberschuss1 | 6,53 | 45,86 | 32,48 | 34,47 | 94,84 | 100,47 | 145,19 | |
Netto-Marge6 | 2,83 | 17,06 | 12,51 | 12,80 | 22,11 | 21,69 | 23,05 | |
Cashflow1,7 | 70,09 | 12,95 | 42,81 | -39,16 | -13,49 | 37,14 | -47,29 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,06 | 0,41 | 0,29 | 0,31 | 0,85 | 0,89 | 1,29 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,11 | 0,30 | 0,31 | 0,40 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: KPMG |
Nun wäre das Minus vermutlich nicht ganz so heftig ausgefallen, wenn die Zahlen für 2023 – und insbesondere der Ausblick für das laufende Jahr – mehr Dynamik gezeigt hätten. Doch es hat offenbar nicht sollen sein für die Aixtron-Aktie. Die für das vergangene Jahr gezeigten Umsätze liegen mit knapp 630 Mio. Euro exakt in der Mitte der zuletzt avisierten Spanne von 600 bis 660 Mio. Euro. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) erreichte annähernd 157 Mio. Euro, womit die prognostizierte EBIT-Spanne zwischen 25 und 27 Prozent knapp am unteren Ende verpasst wurde. Für das laufende Jahr peilt CEO Felix Grawert Erlöse in einer Bandbreite von 630 bis 720 Mio. Euro an – bei einer EBIT-Marge im Bereich um 24 bis 26 Prozent. Zum Vergleich: Die Erwartungen der Analysten an die operative Rendite liegen im Schnitt um einen Prozentpunkt höher bei rund 27 Prozent.
Nun sind die Abweichungen längst nicht so groß, dass sie den immensen Verlust an Marktkapitalisierung hinreichend begründen. Doch die Furcht vieler Investoren ist eben, dass die Erwartungen an den Bereich microLED möglicherweise grundsätzlich zu hoch waren und auch Aixtron dies am Ende zu spüren bekommen wird. Im Geschäftsbericht 2023 heißt es: „Mit zunehmender Reife der Micro LED-Technologie erwartet Aixtron, dass der aktuell noch sehr junge Markt für Micro LEDs sich sowohl technisch als auch kommerziell weiterentwickelt.“ Noch lässt sich das alles nicht valide abschätzen und vielleicht ist der Kursabsacker sogar die Einstiegsgelegenheit, auf die viele Investoren lange gewartet haben.
Immerhin ist Aixtron deutlich mehr als eine Wette auf die microLED-Technologie und hat zuletzt viele attraktive neue Produkte lanciert. „In vielen Segmenten nimmt Aixtron eine Schlüsselrolle bei der Produktion von Verbindungshalbleitern in großen Volumina ein“, sagt Felix Grawert. Last but not least verfügt die Gesellschaft über eine kerngesunde Bilanz mit einer Netto-Liquidität von insgesamt fast 182 Mio. Euro. Eher kein so großes Thema ist derweil, dass Aixtron die Dividende zur Hauptversammlung am 15. Mai 2024 von 0,31 auf 0,40 Euro je Aktie heraufsetzen will. Dafür ist die damit verbundene Dividendenrendite von rund 1,5 Prozent einfach zu niedrig als maßgebliches Investitionskriterium.
Foto: Clipdealer
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