Analysten bezeichnen die wohl nur Insidern bekannte Aktie von Agrob Immobilien als „soliden Substanzwert“ oder „Cashflowperle“. Und in der Tat: Die Kursausschläge des Betreibers eines Gewerbeimmobilienparks sind an den meisten Tagen kaum messbar. Noch geringer ist fast nur die Ertragsdynamik der Münchner. Für Anleger mit Weitblick ist der Small Cap dennoch eine Überlegung wert. Sollte sich der Großaktionär HypoVereinsbank eines Tages von seinem Aktienpaket trennen, dürfte die Notiz explodieren. Einen Vorgeschmack bekamen Anleger bereits im Jahr 2007, als entsprechende Gerüchte die Runde machten.
Preisfrage: Was haben der Pumpenhersteller KSB und Agrob Immobilien gemeinsam? Antwort: Sie wurden beide beinahe im selben Jahr gegründet und zeigen sich auch heute noch Topform. Als eine der ersten bayerischen Aktiengesellschaften wurde die „Actien – Ziegelei München“ im Jahr 1867 aus der Taufe gehoben. Ab 1940 begann dann unter dem neuen Namen Agrob (AG für Grob- und Feinkeramik) die Produktion von keramischen Belagsmaterialien. Doch das Geschäft mit Ziegeln und Klinker ließ sich auf Dauer kaum profitabel bestreiten. 1992 wurde das gesamte operative Geschäft daher an die Deutsche Steinzeug (WKN:A0JQ42) verkauft. Eine gute Entscheidung, denn die Deutsche Steinzeug gilt an der Börse als eine Art Dauersanierungsfall.
Mitte der 90er-Jahre begann für Agrob dann eine neue Ära. Die in Ismaning bei München liegende Industriebrache wurde nach und nach zu einem Gewerbepark revitalisiert. Aus Betreibersicht besonders lukrative Nutzungsarten wie etwa die Vermietung als privaten Wohnraum, Beherbergungsbetrieb oder großflächiger Einzelhandel wurden dabei ausgeschlossen. Eine spezielle Anziehungskraft übt das rund 210.000 Quadratmeter große Areal – das entspricht knapp 30 Fußballfeldern – seit jeher auf die Medienbranche aus. Kein Wunder: Ismaning liegt nur etwa fünf Kilometer von Unterföhring entfernt. Der Ort, an dem TV-Konzerne wie ProSieben oder der Bayerische Rundfunk ihren Sitz haben. So stammen auch fast 90 Prozent der Mieter von Agrob aus dem Mediensektor. Die wichtigsten sind Home Shopping Europe, Constantin Medien oder Antenne Bayern. „Auf unserem Gelände werden die komplette Fußball-Bundesliga und Champions League für Sky produziert“, berichtet Agrob-Vorstand Stephan Fuchs.
Angesichts der geringen Mieterfluktuation bewegen sich die Erlöse von Agrob seit Jahren relativ konstant bei gut 11 Mio. Euro. Entsprechend gering fallen die Ertragsschwankungen aus. 2011 und 2012 lag der Jahresüberschuss bei jeweils rund 1,6 Mio. Euro. Das Ergebnis je Aktie erreichte im Vorjahr 0,46 Euro. Firmenchef Fuchs spricht daher von einem fast schon „langweiligen Geschäftsmodell“. Zu beachten ist jedoch ein bilanzieller Aspekt, der die Ertragsdynamik ab 2013 anstößt: Um die nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) geforderte Bewertungsanpassung von Pensionsrückstellungen für ehemalige Mitarbeiter zu erfüllen, hat Agrob in den vergangenen drei Jahren kräftig nachgelegt – sogar über den geforderten Betrag hinaus. Allein 2012 wurden den Pensionsrückstellungen 383.000 Euro zugeführt. „Ab 2013 kommen von dieser Seite nun keine Belastungen mehr hinzu“, sagt Fuchs.
Den Marktwert der Ismaninger Immobilie wurde im Herbst 2012 laut Gutachten auf knapp 123 Mio. Euro taxiert. In der aktuellen Bilanz steht das Gelände dagegen mit 86,9 Mio. Euro zu Buche. Dementsprechend ergeben sich stille Reserven von 30 Mio. Euro. Heruntergerechnet auf die einzelne Aktie entspricht das einem Betrag von 9,23 Euro. Zur Einordnung: Die Agrob-Vorzugsaktie kostet zurzeit 8,80 Euro, die Stämme werden an der Münchner Börse für 10,50 Euro gehandelt. Den Net Asset Value (NAV), eine Art Buchwert für Immobiliengesellschaften, gibt Fuchs mit 14,76 Euro an. Demnach hätten die Stämme einen Discount von etwa 32 Prozent zum NAV. Allerdings notieren die meisten Immoaktien mit einem Abschlag zum NAV. Der gesamte Börsenwert von Agrob beträgt 40,8 Mio. Euro.
Um die stillen Reserven zu heben, bedarf es jedoch wohl einer Änderung der Aktionärsstruktur. Folglich liegt auch hier der größte Kurshebel. Zurzeit gehören 75,02 Prozent der 2,314 Millionen Agrob-Stammaktien (WKN: 501900) der HVB Gebäude KG – einer 100-Prozent-Tochter der UniCredit Bank. Von den 1,582 Millionen Agrob-Vorzügen (WKN: 501903) sind der HVB Gebäude KG 20,12 Prozent zuzurechnen. „Wir haben einen sehr engen Markt. Es gehen immer nur wenige Stücke um“, sagt Fuchs. Bestrebungen von Agrob, die Stämme und Vorzüge zu einer Gattung zusammenzulegen, wurden vom Großaktionär bislang abgeschmettert. Kein Wunder, würde sich der Stimmrechtseinfluss der HVB dadurch auf knapp 53 Prozent verringern. Ebenfalls unerhört blieben Stimmen aus der Nebenwerteszene, die Börsennotiz vom Regulierten Markt in München in ein günstigeres Segment, etwa den m:access, zu verlegen. Dem Vernehmen nach sieht der Hauptgesellschafter das Unternehmen im Geregelten Markt strategisch besser positioniert. Bekannt ist, dass Agrob nicht zum strategischen Portfolio der HVB gehört und die Beteiligung abgebaut werden soll. Aktive Veräußerungsgespräche finden gleichwohl nicht statt. Wie zu hören ist, würden potenzielle Interessenten sich am liebsten an einen exklusiven Verhandlungstisch setzen. Demgegenüber soll die HVB ein öffentliches Bieterverfahren vorziehen. Eine vertrackte Situation, die aber nicht in Stein gemeißelt sein muss. Sollte die Spekulation über einen Verkauf und ein damit einhergehendes Abfindungsangebot wieder aufflammen, dürfte der Kurs einen Satz machen. „Das ist die Langfristmusik, die in dieser Aktie steckt“, sagt Fuchs. Einen Vorgeschmack gab es schon mal im Sommer 2007, als Spekulationen über einen bevorstehenden Verkauf der HVB den Kurs der Agrob-Aktien auf über 18 Euro schnellen ließen.
Derweil sehen die Analysten von GBC Investment Research die Stammaktie von Agrob bei 14,55 Euro als fair bewertet an. Das entspricht einem Aufschlag von fast 40 Prozent. Angesichts der extrem niedrigen Börsenumsätze eignet sich der Small Cap aber nur als kleine Depotbeimischung. Zudem braucht es wohl einen langen Atem bis zum Performancekick. Interessanter, wenn auch marktenger, sind dabei die Stammaktien. Die Hauptversammlung findet am 28. Juni 2013 im HVB Forum der UniCredit Bank in München statt. Pro Stammaktie schüttet Agrob erneut 0,16 Euro (Rendite: 1,5 Prozent) aus, die Vorzüge werden mit je 0,21 Euro (Rendite: 2,4 Prozent) bedient. Für Dividendenanhänger sind die Anteilscheine also nur bedingt interessant.