Sehr viel komplizierter hätte die Transaktion der Wohnungsunternehmen ADO Properties, Adler Real Estate und Consus Real Estate scheinbar nicht sein dürfen. Immerhin haben die Indexhüter der Deutschen Börse AG die Aktie von Adler Real Estate am 27. Februar erst raus aus dem SDAX genommen, am 23. März dann wieder rein, nur um sie zum 2. April 2020 bereits wieder raus zu kicken (siehe dazu den Leitfaden der Historischen Indexzusammensetzungen HIER). So viel Fahrstuhlqualitäten hatte wohl lange kein Indexmitglied mehr. Und das Beste kommt erst noch: Vermutlich schon zur nächsten Indexüberprüfung im Juni 2020 könnte Adler Real Estate (ARE) ein Comeback feiern – dann allerdings im MDAX und unter der neuen Firmenbezeichnung Adler Real Estate Group S.A.. Offiziell ist der Deal nun nämlich durch: Knapp 92 Prozent – entsprechend 66.404.915 Stück – der früheren ARE-Aktien wurden von den Adler-Investoren nämlich angedient und in ADO-Aktien getauscht. Da es für jeden Anteilschein 0,4164 Papiere von ADO gab, hat sich die Stückzahl der umlaufenden ADO-Aktien signifikant um 62,5 Prozent auf 71.845.613 erhöht.
Bei einem Aktienkurs von 21,60 Euro und einem Streubesitzanteil von 79,55 Prozent ergibt sich so eine Freefloat-Marktkapitalisierung von immerhin 1,23 Mrd. Euro. Das wiederum ist deutlich mehr als so mancher gestandener MDAX-Konzern auf die Waagschale bringt. Unter Berücksichtigung der strategischen Kooperation mit dem Projektentwickler Consus wurde sogar eine der größten börsennotierten Immobiliengesellschaften Europas geschaffen. An der Börse hielt sich die Begeisterung über den Deal bislang freilich in Grenzen. Allerdings fiel die Transaktion auch in eine extrem schwierige Börsenphase, die – wer hätte es zunächst gedacht – längst auch auf den Immobiliensektor abstrahlt. Zwar werden aktuell vorwiegend Mietausfälle im gewerblichen Bereich diskutiert. Allerdings dürfte klar sein, dass es auch im Wohnungssektor Effekte geben wird – losgelöst von dem für in Berlin seit Ende Februar geltenden Mietendeckel. Das Gesetz wiederum ist für die überwiegend im Berliner Raum tätige ADO durchaus relevant, während Adler Real Estate vorwiegend in NRW und Niedersachsen Wohnraum besitzt (siehe dazu auch den Beitrag im Handelsblatt HIER).
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 128,85 | 154,85 | 156,52 | 758,74 | 1.143,73 | 734,47 | 445,08 | |
EBITDA1,2 | 77,09 | 93,78 | 93,81 | 555,58 | 208,25 | 95,08 | 20,63 | |
EBITDA-Marge3 | 59,83 | 60,56 | 59,93 | 73,22 | 18,21 | 12,95 | 4,64 | |
EBIT1,4 | 80,55 | 93,25 | 613,92 | 544,28 | -640,97 | -1.272,05 | -1.463,99 | |
EBIT-Marge5 | 62,51 | 60,22 | 392,23 | 71,73 | -56,04 | -173,19 | -328,93 | |
Jahresüberschuss1 | 367,51 | 397,46 | 606,92 | 229,46 | -1.165,01 | -1.674,85 | -1.809,83 | |
Netto-Marge6 | 285,22 | 256,67 | 387,76 | 30,24 | -101,86 | -228,04 | -406,63 | |
Cashflow1,7 | 86,85 | 103,93 | 88,76 | 120,30 | -276,24 | -138,22 | -123,56 | |
Ergebnis je Aktie8 | 8,07 | 8,77 | 12,74 | 1,99 | -10,03 | -13,21 | -11,75 | |
Dividende8 | 0,60 | 0,75 | 0,75 | 0,46 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: AVEGA Revision |
Den zusammengefassten Substanzwert (NAV) gibt das Unternehmen mit 4,879 Mrd. Euro an – entsprechend knapp 68 Euro je künftiger Aktie von Adler Real Estate Group S.A. Nun sind Discounts auf den NAV auch im Immobiliensektor keine ungewöhnliche Sache mehr, aber der Abschlag von rund zwei Drittel bei der Adler Real Estate Group S.A. ist schon enorm. Den aufs Jahr hochgerechneten Immobilien-Cashflow (FFO) setzen die Berliner für 2020 in einer Range von 120 bis 140 Mio. Euro an. Frei übersetzt würde die Aktie zurzeit also mit einem „Immobilien-KGV“ von rund 12 gehandelt werden. Das wiederum finden wir einen durchaus attraktiven Wert, der noch deutlich unter dem 14er-Multiple vom Vergleichsunternehmen Grand City Properties liegt. Big Player wie Deutsche Wohnen oder Vonovia werden gar mit dem rund 20fachen des FFO gehandelt. Für mutige Anleger könnte sich hier also eine Chance auftun. Die Spezialisten aus dem Nebenwertebereich werden sich derweil vermutlich um ebenfalls spannende Themen wie einen Beherrschungsvertrag mit Garantiedividende für die nicht getauschten Adler Real Aktien sowie die kürzlich bereits lancierte Übernahmeofferte von ADO für den zum ehemaligen ARE-Verbund gehörenden Bestandshalter Westgrund kümmern.
Foto: Clipdealer