Zwischenzeitlich sah es beinahe so aus, als ob der Kursabsturz der Gerry Weber-Aktie im Juni 2015 auf 20 Euro es gewesen könnte. Immerhin preschte die Notiz nach der Gewinnwarnung zeitweise wieder bis in den Bereich um 23 Euro. Doch wer auf eine schnelle Besserung der Zahlen gesetzt hat, wird nun enttäuscht: Der mit großer Spannung erwartete Neun-Monats-Bericht des Anbieters von Damenmode sieht nämlich alles andere als schick aus. Bei einem ausschließlich durch die Einbeziehung des Zukaufs Hallhuber ausgelösten Umsatzplus von gut fünf Prozent auf 630,48 Mio. Euro sackte das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) von 65,49 auf 38,02 Mio. Euro. Das entspricht einem Rückgang von fast 42 Prozent. Erlösmäßig befindet sich Hallhuber dabei weitgehend auf Kurs und dürfte die für das Gesamtjahr angestrebten 110 bis 120 Mio. Euro schaffen. Eine schwere Bürde ist jedoch der Umsatzeinbruch von 20,5 Prozent auf knapp 244 Mio. Euro mit den Fachhändlern bei Gerry Weber. Im dritten Quartal des Geschäftsjahrs 2014/15 (zum 31. Oktober) steuerte der an sich margenstarke Bereich „Wholesale” gerade einmal 46 Mio. Euro zum Konzernumsatz bei – gut 44 Prozent weniger als im vergleichbaren Vorjahresviertel. Die Geschäftspartner sitzen auf hohen Warenbeständen, müssen enorme Rabatte gewähren und sind bei ihrem Orderbehalten entsprechend verunsichert. Eine nur schwer zu durchbrechende Kette. Eine maßgebliche Rolle – auch wenn Gerry Weber nicht explizit darauf eingeht – dürfte allerdings auch spielen, dass das Image der eigenen Marken ziemlich angestaubt ist. Der Hinweis des künftig im SDAX notierten Unternehmens auf die „widrigen Wetterbedingungen” und die „niedrigen Kundenfrequenzen in den Innenstädten” zieht als zusätzliche Begründung für die Misere nur bedingt.
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Immerhin: Die erst zuletzt gekürzte Prognose für das Geschäftsjahr 2014/15 hat Vorstandschef Ralf Weber nicht schon wieder angetastet. Demnach ist bei einem „hohen einstelligen Umsatzwachstum” mit einem Rückgang des Betriebsergebnisses zwischen 20 und 25 Prozent zu rechnen. Voraussetzung ist allerdings, dass die für Gerry Weber stets super wichtigen Monate September und Oktober entsprechend gut laufen. Die Skepsis an der Börse ist enorm. Mit Kursen von gut 17 Euro ist das Papier auf das Niveau von Februar 2011 zurückgefallen. Der Abstand zu dem im Dezember 2012 erreichten All-Time-High beträgt mittlerweile schon 54 Prozent. Was die Investoren bedrückt, ist dass Firmenchef Weber für die nächsten 18 bis 24 Monate nicht von einer signifikanten Ausweitung der Umsätze mit den Kernmarken (Gerry Weber, Taifun, Samoon) ausgeht. „In diesem Zeitraum wird das Wachstum des Konzerns auf der Expansion der Tochtergesellschaft Hallhuber basieren”, sagt Weber. Kapitalisiert ist das Unternehmen aus Halle in Westfalen momentan mit 794 Mio. Euro. Das entspricht gut dem 1,7-fachen des zuletzt ausgewiesenen Eigenkapitals. Zum Vergleich: Der von boersengeflueter.de ermittelte Zehn-Jahres-Durchschnittswert für das KBV beträgt fast 2,7. In diesem Fall spricht jedoch viel für die Interpretationsweise, wonach eine frühere Überbewertung jetzt abgebaut wird. Ein Buchwertvergleich mit anderen Modetiteln liefert derweil nur bedingt brauchbare Ergebnisse – zu groß sind die Spannen: Hugo Boss kommt auf ein KBV von mehr als neun, Tom Tailor wird dagegen mit einem Abschlag von zehn Prozent auf das Eigenkapital gehandelt. Bei den Stammaktien von Ahlers und dem Modekaufhaus Ludwig Beck aus München beträgt das KBV dagegen jeweils rund 1,7 – bewegt sich also in der Region von Gerry Weber. Summa summarum könnte sich unter KBV-Aspekten zumindest so etwas wie eine Bodenbildung abzeichnen.
Die Kennzahl Enterprise Value/EBIT (Börsenwert plus Nettofinanzschulden im Verhältnis zu dem von boersengefluester.de für 2015 erwarteten Ergebnis vor Zinsen und Steuern) ergibt bei Gerry Weber derzeit einen Faktor von knapp 12. Das ist etwas niedriger als bei Boss, die auf einen Faktor von gut 13 kommen. Tom Tailor gibt es dagegen für ein EV/EBIT von 7,5. Ein zwingender Einstiegsgrund für die Liebhaber von „Fallen Angels” bietet sich bei Gerry Weber derzeit also nicht an. Eine „Halten-Empfehlung” klingt zwar wachsweich, scheint auf dem stark gedrückten Niveau von 17,30 Euro aber der vernünftigste Rat. Übermäßig hoch bewertet ist das Papier nun nicht mehr. Investoren, die auf eine schnelle Trendwende gehofft haben, sollten ebenfalls eingenordet sein. Und die per 21. September wirksame Degradierung vom MDAX in den SDAX sollte auch keine größere Belastung mehr sein. Einhergehend mit den vielen Einspar- und Verbesserungsmaßnahmen im operativen Geschäft werden aber sicher auch die Aktionäre – neben den Kursverlusten – noch eine deutliche Kürzung der Dividende in Kauf nehmen müssen. Per saldo halten wir Kurse um 20 Euro momentan für ein faires Bewertungsniveau bei Gerry Weber.
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Foto: Splitshire.com