Dramatische Wendung bei Vectron Systems: So hat der Kassenhersteller den erst zum 1. Februar 2018 als neuen Vorstandschef geholten Oliver Kaltner schon wieder vor die Tür gesetzt. Die Quittung an der Börse folgte prompt – und zwar in Form eines Kurssturzes von 20 Prozent auf 15,90 Euro. Damit hat die im Scale notierte Gesellschaft innerhalb weniger Stunden knapp 27,4 Mio. Euro ihres Börsenwerts eingebüßt. Das Ausmaß der Quittung überrascht insofern nicht, weil Kaltner auf den einschlägigen Kapitalmarktkonferenzen und in Hintergrundgesprächen mit seiner Vision, aus dem Kassenhersteller einen „Fullsize-Systemlösungsanbieter“ zu formen, die Investoren zu verzücken wusste. Insofern muss der Aufsichtsrat um Mitgründer und Großaktionär (27,95 Prozent) Thomas Stümmler schon triftige Gründe gehabt haben, um die Demission von Kaltner voranzutreiben. Nach außen erinnert die Entscheidung zunächst einmal an das berühmte Zitat „Die Geister, die ich rief…“ aus Goethes Zauberlehrling. Immerhin wollte frühere Leica-Manager Kaltner Vectron am Ende komplett umkrempeln und so auf 100 Prozent Digitalisierungskurs bringen.
Angefangen hatte die neue Börsenstory des münsterländischen Unternehmens derweil vor knapp vier Jahren deutlich softer, als Vectron zwei Weichenstellungen präsentierte: Zum einen wurde die günstigere Zweit-Kassenmarke Duratec aus der Taufe gehoben, zum anderen präsentierte Stümmler die Marketingplattform bonvito, die auf den ohnehin erfassten Daten der Kassensysteme aufbaute. Insbesondere bonvito sorgte in den folgenden Quartalen dann für eine komplette Neubewertung der Vectron-Aktie und ließ die Notiz vor etwas mehr als einem Jahr auf dem Top beinahe die Marke von 40 Euro (splitbereinigt) touchieren. Dabei ging es zu diesem Zeitpunkt schon längst nicht mehr um ein digitales Gutscheinheft für Bäckereien oder Gastrobetriebe. Eigentlicher Kurstreiber war eine Kooperation mit Coca-Cola, die ihre – zuvor wenig erfolgreiche – App GetHappy mit Hilfe der Vectron-Technologie und der ihrer Marktakzeptanz – mächtig vorantreiben wollte. Der Deal in seinen Grundzügen: Coca-Cola sollte alle Daten abgreifen und damit wiederum ihre eigene Logistik optimieren. Bei Vectron hingegen sollten die Kassen via Provisionen klingeln. Weitergedacht ging es um eine umfassende Plattform nach dem Vorbild von booking.com oder auch DeliveryHero.
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Allerdings wurden die Anleger bei GetHappy auf eine harte Geduldsprobe gestellt. Immer wieder gab es Verzögerungen und so wissen die Anleger im Prinzip bis heute nicht genau, wie der tatsächliche Stand und das geschäftliche Potenzial daraus sind. Getuschelt wurde in der Spezialwerteszene freilich schon länger, dass Neuvorstand Kaltner gar nicht mehr so sehr auf Coca-Cola fixiert war, sondern in ganz anderen Dimensionen – der Vectron-Cloud – dachte. Demnach sollten die Münsterländer ins Zentrum des Datenmanagements ihrer Kunden aus dem Gastrobereich rücken. Die Rede war von B2B-Partnerschaften mit sämtlichen Playern der Wertschöpfungskette. Auf der jüngsten Hauptversammlung ließen sich die Aktionäre noch auf den Deal ein. „Die Wurst, die man vorgehalten bekommt, wird größer. Zugleich wird allerdings auch die Angelschnur, an der diese hängt, länger“, hieß es aus Investorenkreisen. Wenig später sickerte dann auch noch eine andere Entscheidung durch, wonach Vectron seine neu entwickelte Zweitmarke Duratec mit der Premiummarke Vectron verschmelzen will.
Irgendwo an dieser Stelle muss es dann zwischen den Offiziellen mächtig gekracht haben. Nun das vorläufige Finale. Offen sind gleichwohl eine ganze Menge Punkte: Angefangen, ob der zurück in den Vorstand gekehrte Thomas Stümmler in der Bütt bleibt, oder das Amt nur interimsweise bekleidet. Entscheidender ist aber die Frage, welchen Weg Vectron nun strategisch einschlagen wird. Bis es hier keine klare Ansage gibt, ist die Aktie maximal eine Halten-Position.
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Foto: Pixabay