Glück gehabt: Nach dem wenig inspirierenden 2021er-Geschäftsbericht von 123fahrschule mit einem insgesamt enttäuschenden Zahlenwerk ist boersengefluester.de froh, dass wir uns die Präsentation von CEO Boris Polenske auf dem von AlsterResearch organisierten Round Table am 5. April 2022 zum Thema Digitale Transformation doch noch angesehen haben. Immerhin haben wir jetzt umso mehr den Eindruck, dass 2022 für die Fahrschulkette ein ganz entscheidendes Jahr wird. So haben die Kölner zuletzt ihre ohnehin offensive Akquisitionsstrategie nachjustiert und legen den Fokus nun stärker auf den Kauf von eher größeren Fahrschulen. „Wir haben mehrere Deals in der Pipeline“, sagt Polenske. Dem Vernehmen nach geht es um ein Gesamtpaket mit rund knapp 18 Mio. Euro Umsatz und rund 4,6 Mio. Euro EBITDA (Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen). Mit Blick auf die Multiples, die der Vorstand bereit ist, für solche Opportunitäten auf den Tisch zu legen, könnte sich der Gesamtkaufpreis bis auf 23 Mio. Euro türmen.
Das muss natürlich nicht so kommen, zeigt aber welche Welle möglicherweise auf 123fahrschule zurollt. Zur Finanzierung hält sich Polenske alle Optionen offen: von einer Wandelanleihe bis hin zu einer neuerlichen Barkapitalerhöhung. Vom Genehmigten Kapital sind derzeit noch 150.000 Aktien offen. Vermutlich bereits in den kommenden Wochen dürfte es Neuigkeiten dazu geben. Dabei drückt Polenske nicht ohne Grund auf die Tube, denn längst hat auch Private Equity den deutschen Fahrschulmarkt für sich entdeckt – selbst wenn die einzelnen Ziele für die sonst häufig mit Milliardensummen agierenden Investmentprofis eher Peanuts sind. Trotzdem könnte sich um die wenigen überhaupt in Frage kommenden Groß-Fahrschulen so etwas wie ein Bieterstreit entfachen.
Jedenfalls sieht Boris Polenske den Markt in den kommenden vier bis fünf Jahren vor dramatischen Veränderungen. Und als digitaler Markführer will 123fahrschule in diesem Prozess eine ganz aktive Rolle einnehmen. Die Vision: Bis zum Jahr 2025 will das im Düsseldorfer Freiverkehr und auf Xetra gelistete Unternehmen mindestens 100 Mio. Euro Umsatz erzielen und dabei auf eine EBIT-Marge von 15 bis 20 Prozent kommen. Diese zunächst einmal extrem sportlich anmutenden Ziele decken sich übrigens mit dem auf der jüngsten Hauptversammlung im Sommer 2021 beschlossenen Optionsprogramm für die Vorstände, wonach die Ausübung a) an einen Börsenwert von mindestens 100 Mio. Euro, oder b) an einen Konzernumsatz von Untergrenze 100 Mio. Euro, oder c) an einen Jahresüberschuss von mehr als 10 Mio. Euro gekoppelt ist.
Die wichtigsten Finanzdaten auf einen Blick | ||||||||
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | 2022 | 2023 | ||
Umsatzerlöse1 | 0,00 | 1,40 | 3,90 | 4,27 | 7,76 | 16,67 | 20,61 | |
EBITDA1,2 | 0,00 | -2,40 | -3,10 | -2,18 | -3,79 | -2,66 | -0,89 | |
EBITDA-Marge3 | 0,00 | -171,43 | -79,49 | -51,05 | -48,84 | -15,96 | -4,32 | |
EBIT1,4 | 0,00 | -2,60 | -3,30 | -2,86 | -5,74 | -5,63 | -4,31 | |
EBIT-Marge5 | 0,00 | -185,71 | -84,62 | -66,98 | -73,97 | -33,77 | -20,91 | |
Jahresüberschuss1 | 0,00 | -2,04 | -2,89 | -1,99 | -4,48 | -4,38 | -3,91 | |
Netto-Marge6 | 0,00 | -145,71 | -74,10 | -46,60 | -57,73 | -26,27 | -18,97 | |
Cashflow1,7 | 0,00 | -1,80 | -2,68 | 1,81 | -6,96 | -2,77 | 0,39 | |
Ergebnis je Aktie8 | 0,00 | -1,12 | -1,59 | -0,82 | -1,85 | -1,41 | -0,80 | |
Dividende8 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 | 0,00 |
1 in Mio. Euro; 2 EBITDA = Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen; 3 EBITDA in Relation zum Umsatz; 4 EBIT = Ergebnis vor Zinsen und Steuern; 5 EBIT in Relation zum Umsatz; 6 Jahresüberschuss (-fehlbetrag) in Relation zum Umsatz; 7 Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit; 8 in Euro; Quelle: boersengefluester.de Wirtschaftsprüfer: Morison Köln |
Zur Einordnung: Für 2021 zeigt die Gesellschaft gerade einmal knapp 8 Mio. Euro Umsatz sowie einen Fehlbetrag von fast 4,5 Mio. Euro – und das bei einem Börsenwert von zurzeit gut 25 Mio. Euro. Was das Thema Profitabilität auf der Gesamtstrecke angeht, hat Polenske sehr konkrete Vorstellungen: Für 2022 ist ein positiver Cashflow geplant, ab 2023 soll 123fahrschule dann bereits die avisierte EBIT-Rendite von 15 bis 20 Prozent einfahren. „Wir kaufen ausschließlich profitable Unternehmen“, sagt Polenske. Der entscheidende Hebel sind die enormen Einsparpotenziale auf Verwaltungsebene der einzelnen Fahrschulen.
Mögliche Einkaufsvorteile – etwa bei den Fahrschulwagen – mag Polenske derzeit noch nicht in seine Planungen einbeziehen. Und auch was das Thema Rabatt an den Tankstellen angeht, sieht er derzeit keinen großen Spielraum. Dabei machen die Spritkosten rund 1 Prozent vom Umsatz aus. Auf dr anderen Seite spielen die regulatorischen Rahmenbedingungen in Bezug auf dauerhaft digitale Theorieangebote und einheitliche Anmeldeverfahren für die Fahrschüler dem Unternehmen durchweg in die Karten. Insgesamt bleibt der Titel zwar ein reinrassiger Hot Stock, für den Geschmack von boersengefluester.de aber mit ansprechendem Chance-Risiko-Verhältnis. Die Analysten von Alster Research haben den fairen der Aktie zuletzt mit immerhin 32,50 Euro angesetzt. Das entspricht mittlerweile einem Verdreifacher. Allerdings sollten sich interessierte Anleger von solchen Kurszielen nicht übermäßig beeindrucken lassen. Momentan wäre es schon gut, wenn der Aktienkurs überhaupt erstmal den Blinker nach oben setzen würde und die aktuelle Seitwärtsrange verlässt.
Foto: 123fahrschule SE