Veröffentlichung über die Erteilung einer Befreiung nach § 37 WpÜG von der Verpflichtung zur Veröffentlichung und zur Abgabe eines Angebots an die Aktionäre der Nemetschek SE, München
Auf entsprechenden Antrag von Herrn Dr. Ralf Nemetschek („Antragsteller“) hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht („BaFin“) mit Bescheid vom 6.5.2022 den Antragsteller gemäß § 37 Abs. 1 Var. 5 WpÜG von der Verpflichtung gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG, die Kontrollerlangung an der Nemetschek SE, München, zu veröffentlichen, sowie von der Verpflichtung nach § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG, der BaFin eine Angebotsunterlage zu übermitteln, und nach § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG in Verbindung mit § 14 Abs. 2 Satz 1 WpÜG ein Pflichtangebot zu veröffentlichen, befreit. Der Tenor des Bescheids lautet wie folgt:
- Der Antragsteller wird für den Fall, dass er in Folge der Übernahme eines Amts im·Stiftungsrat der Nemetschek Stiftung, Konrad-Zuse-Platz 1, 81829 München, (folgend "Nemetschek-Stiftung") und dem damit verbundenen Erwerb der Sonderrechte gemäߧ 13 Abs. 1 Nr. 2-3 der Satzung der Nemetschek-Stiftung die Kontrolle im Sinne des § 29 Abs. 2 WpÜG über die Nemetschek SE, München. erlangt, gemäß § 37 Abs. 1 Var. 5 WpÜG von der Verpflichtung gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG. die Kontrollerlangung an der Nemetschek SE, München, zu veröffentlichen sowie von den Verpflichtungen nach § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht eine Angebotsunterlage zu übermitteln und nach§ 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG in Verbindung mit§ 14Abs. 2 Satz 1 WpÜG ein Pflichtangebot zu veröffentlichen, befreit.
- Die Befreiung gemäß vorstehender Ziffer 1. kann widerrufen werden (Widerrufsvorbehalt}, wenn
- der Antragsteller seinen Stimmrechtsanteil an der Nemetschek SE, München, der nicht der Poolvereinbarung II (wie nachfolgend unter 1.3. definiert) unterliegt, einschließlich etwaiger gemäß § 30 WpÜG zuzurechnender Stimmrechte aus Aktien der Nemetschek SE, München, auf mindestens 30 % erhöht oder
- die Nemetschek-Stiftung die Möglichkeit zur Ausübung der tatsächlichen Kontrolle über die Nemetschek SE, München, erlangt.
Der Widerrufsvorbehalt unter Ziffer 2. (ii) gilt nicht, wenn der Stimmrechtsanteil der Nemetschek-Stiftung in der Nemetschek SE, München, einschließlich etwaiger gemäß § 30 WpÜG zuzurechnender Stimmrechte, weniger als 30 % der in der Nemetschek SE, München, vorhandenen Stimmrechte ausmacht und der Antragsteller seinen Stimmrechtsanteil an der Nemetschek SE, München, einschließlich etwaiger gemäߧ 30 WpÜG zuzurechnender Stimmrechte, nicht anderweitig auf mindestens 30 % erhöht. Der Widerrufsvorbehalt unter Ziffer 2. (ii) gilt zudem dann nicht, wenn der Antragsteller zu dem Zeitpunkt, zu dem die Voraussetzungen dieses Widerrufsvorbehalts entstanden sind, die Nemetschek-Stiftung nicht faktisch beherrscht hat und danach eine faktische Beherrschung der Nemetschek-Stiftung auch nicht begründet.
- Die Befreiung gemäß vorstehender Ziffer 1. ergeht unter folgenden Auflagen:
- Der Antragsteller hat den Umstand, dass er ein Amt im Stiftungsrat der Nemetschek-Stiftung übernommen hat und ihm deswegen die Sonderrechte gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 2-3 der Stiftungssatzung zustehen, unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von vier Wochen, durch Vorlage geeigneter Unterlagen gegenüber der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht nachzuweisen.
- Der Antragsteller hat der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht jedes Ereignis, jeden Umstand und jedes Verhalten, das den Widerruf der Befreiung gemäß der vorstehenden Ziffer 2. rechtfertigen könnte, unverzüglich mitzuteilen.
- Für die positive Entscheidung über den Befreiungsantrag ist von dem Antragsteller eine Gebühr zu entrichten.
Die Befreiung beruht im Wesentlichen auf folgenden Gründen:
Die Nemetschek SE, München, ist im Handelsregister des Amtsgerichts München unter HRB 224638 eingetragen (folgend "Zielgesellschaft").
Das Grundkapital der Zielgesellschaft beträgt EUR 115.500.000,00 und ist in 115.500.000 Stückaktien eingeteilt. Die Aktien der Zielgesellschaft sind unter der WKN 645290 zum Handel im regulierten Markt an der Frankfurter Wertpapierbörse zugelassen.
Die für die Befreiungsentscheidung relevante Aktionärsstruktur der Zielgesellschaft stellt sich wie folgt dar:
Die Nemetschek-Stiftung hält unmittelbar 4.637.109 Aktien der Zielgesellschaft, entsprechend 4,01 % des Grundkapitals und der Stimmrechte. Die Nemetschek-Stiftung ist eine rechtsfähige öffentliche Stiftung des bürgerlichen Rechts. Gemäß § 5 der Satzung der Nemetschek-Stiftung sind die Organe der Nemetschek-Stiftung der Stiftungsvorstand und der Stiftungsrat. Stifter der Nemetschek-Stiftung ist Prof. Georg Heinz Nemetschek (folgend „Prof. Georg Heinz Nemetschek"). Er ist auch Mitglied des Stiftungsrats. Gemäß 13 Abs. 1 der Satzung der Nemetschek-Stiftung hat Prof. Geörg Heinz Nemetschek auf Lebenszeit das Recht, (i) dem Stiftungsrat anzugehören und hierin den Vorsitz zu führen, (ii) Mitglieder der Stiftungsorgane - auch ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes abzuberufen und bei Freiwerden einer Stelle das Nachfolgemitglied zu berufen, (iii) den Vorsitzenden und den stellvertretenden Vorsitzenden der Stiftungsorgane zu ernennen und (iv) die Geschäftsordnung für die Stiftungsorgane zu erlassen, zu ändern oder aufzuheben.
Die N-lntegral GmbH, Grünwald, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts München unter HRB 272067, (folgend " N-lntegral GmbH") ist durch formwechselnde Umwandlung der Nemetschek Vermögensverwaltungs GmbH & Co. KG, Grünwald, vor ihrer Löschung eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts München unter HRA 101113, (folgend „Nemetschek Vermögensverwaltungs GmbH & Co. KG") entstanden und hält unmittelbar 44.943.675 Aktien der Zielgesellschaft, entsprechend. 38,91 % des Grundkapitals und der Stimmrechte. Nach § 4 Abs. 1 der Satzung der N-lntegral GmbH beträgt das Stammkapital der N-lntegral GmbH EUR 100.000,00. Nach§ 8 Abs. 3 der Satzung der N-lntegral GmbH werden Gesellschafterbeschlüsse mit einer Mehrheit von 90 % der abgegebenen Stimmen gefasst, soweit nicht die Satzung der N-lntegral GmbH oder das Gesetz eine höhere Mehrheit vorschreiben. Der Geschäftsanteil mit der laufenden Nummer 1 gewährt nach § 8 Abs. 4 der Satzung der N lntegral GmbH 1.000.000 Stimmen in der Gesellschafterversammlung der N-lntegral GmbH (folgend "Geschäftsanteil Nr. 1"). Er wird von der Nemetschek Familienstiftung, Hirtenweg 14, 82031 Grünwald (folgend „Nemetschek Familienstiftung") gehalten. Im Übrigen gewährt jeder Euro eines Geschäftsanteils eine Stimme.
Die Whitehole GmbH & Co. KG, Grünwald, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts München unter HRA 113806, (folgend „Whitehole GmbH & Co. KG") hält unmittelbar 3.144.000 Aktien der Zielgesellschaft, entsprechend rd. 2,72 % des Grundkapitals und der Stimmrechte. Einziger Kommanditist der Whitehole GmbH & Co. KG ist der Antragsteller. Einzige Komplementärin ist die Whitehole Verwaltungs GmbH, Grünwald, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts München unter HRB 263192 (folgend „Whitehole Verwaltungs GmbH"). Sämtliche Geschäftsanteile an der Whitehole Verwaltungs GmbH werden von dem Antragsteller gehalten.
Der Antragsteller hält nach eigenen Angaben 2.850 Aktien der Zielgesellschaft, entsprechend rd. 0,00247 % des Grundkapitals und der Stimmrechte.
3. Poolvereinbarung
Zwischen der Nemetschek-Stiftung und der N-lntegral GmbH besteht zum Zwecke einer einheitlichen Stimmrechtsausübung eine Poolvereinbarung (folgend "Poolvereinbarung II"). Dieser sind sämtliche von der Nemetschek-Stiftung und sämtliche von der N-lntegral GmbH unmittelbar gehaltenen Aktien der Zielgesellschaft, d. h. insgesamt 49.580.784 Aktien der Zielgesellschaft unterworfen. Die Nemetschek-Stiftung und die N-lntegral GmbH haben sich gemäß § 3 Abs. 1 der Poolvereinbarung II verpflichtet, ihre Stimmrechte aus Aktien der Zielgesellschaft nur noch einheitlich auszuüben oder sich einheitlich der Stimme zu enthalten. Nach § 3 Abs. 2 der Poolvereinbarung II ist die Nemetschek-Stiftung verpflichtet, das Stimmrecht aus den von ihr gehaltenen Aktien der Zielgesellschaft stets nach Weisung der N-lntegral GmbH auszuüben. Die Poolvereinbarung II ist erstmals zum 31.12.2049 ordentlich kündbar.
3. Umstrukturierung
Prof. Georg Heinz Nemetschek, die Nemetschek Vermögensverwaltungs GmbH & Co. KG, die zwischenzeitlich durch Formwechsel nach dem UmwG zur N-lntegral GmbH wurde, und ihre vormalige Komplementärin, die Nemetschek Verwaltungs GmbH, Grünwald, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts München unter HRB 205971 (folgend „Nemetschek Verwaltungs GmbH"), die Nemetschek Familiensiftung, die Nemetschek Innovationsstiftung, Hirtenweg 14, 82031 Grünwald (folgend "Nemetschek Innovationsstiftung"), der Antragsteller, die Whitehole GmbH & Co. KG, und ihre Komplementärin, die Whitehole Verwaltungs GmbH, Alexander Nemetschek (folgend „Alexander Nemetschek"), die Capricorn Omega GmbH & Co. KG, Grünwald , eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts München unter HRA 113846 (folgend "Capricorn Omega GmbH & Co. KG") und ihre Komplementärin, die Capricorn Omega Verwaltungs GmbH, Grünwald (folgend "Capricorn Omega Verwaltungs GmbH") und die Nemetschek-Stiftung haben am 18.02.2021 vor dem Notar Dr. Thomas Wachter eine Vereinbarung (Urkundennummer 345/2021) zur Regelung der Unternehmens nachfolge abgeschlossen (folgend "Rahmenurkunde"). Diese zielt darauf ab, die im Zeitpunkt des Abschlusses der Rahmenurkunde in der Nemetschek Vermögensverwaltungs GmbH & Co. KG gebündelte Beteiligung von Prof. Georg Heinz Nemetschek. Alexander Nemetschek und des Antragstellers an der Zielgesellschaft in mehreren Schritten zu entflechten (folgend "Umstrukturierung").
Im Hinblick auf den vorliegenden Antrag des Antragstellers sind folgende Aspekte der Umstrukturierung relevant:
Im Einklang mit Abschnitt C § 5 der Rahmenurkunde schlossen der Antragsteller. Prof. Georg Heinz Nemetschek und Alexander Nemetschek eine Poolvereinbarung über bestimmte Geschäftsanteile an der N-lntegral GmbH (folgend „Poolvereinbarung III“). […]
In Abschnitt H § 2 der Rahmenurkunde wurde vereinbart, dass Prof. Georg Heinz Nemetschek sein Amt im Stiftungsrat der Nemetschek-Stiftung aufschiebend bedingt auf den Zugang des Originals des Niederlegungsschreibens, das der Rahmenurkunde als Kopie in Anlage H.2 beigefügt ist. nieder legt (folgend „Amtsniederlegung"). Zu diesem Zweck hat Prof. Georg Heinz Nemetschek das Original des Niederlegungsschreibens an den Notar übergeben und ihn angewiesen, das Niederlegungsschreiben im Vollzugszeitpunkt VI an die Nemetschek-Stiftung zu übersenden. In Abweichung hiervon haben die Parteien in der Ergänzungsurkunde des Notars vom 23.11.2021 (Urkundennummer 002768/21) (folgend „Ergänzungsurkunde") vereinbart, dass der Notar angewiesen wird, das Niederlegungsschreiben nicht im Vollzugszeitpunkt VI, sondern erst an dem Tag an die Nemetschek Stiftung zu Händen des Antragstellers zu übersenden, welcher dem Tag folgt. an dem der Notar die schriftliche Anweisung von dem Antragsteller und Prof. Georg Heinz Nemetschek erhalten hat, das Niederlegungsschreiben an die Nemetschek-Stiftung zu übersenden. Dies wird nach den Angaben des Antragstellers voraussichtlich noch in diesem Jahr erfolgen. Die Amtsniederlegung von Prof. Georg Heinz Nemetschek hat gemäß § 13 Abs. 4 der Satzung der Nemetschek-Stiftung zur Folge, dass der Antragsteller als sein Nachfolger in den Stiftungsrat eintritt. Gemäß § 13 Abs. 4 Satz 4 der Satzung der Nemetschek-Stiftung stehen ihm dann auch die vorstehend unter genannten Sonderrechte zu.
[...]4. Antrag
Mit auf den 28.03.2022 datierenden Schriftsatz beantragt der Antragsteller „... Die Befreiung von der Verpflichtung zur Veröffentlichung der Kontrollerlangung und zur Abgabe eines Pflichtangebots (§ 37 WpÜG)."
Der Antragsteller ist der Ansicht, dass die Voraussetzungen für eine Befreiung auf der Grundlage von § 37 Abs. 1 Var. 5 WpÜG gegeben sind, da der Antragsteller keine Möglichkeit habe, über die Nemetschek-Stiftung beherrschenden Einfluss auf die Zielgesellschaft zu nehmen. Dies ergebe sich aus dem Umstand, dass sich die Nemetschek-Stiftung in der Poolvereinbarung II verpflichtet habe, stets nach den Weisungen der N-lntegral GmbH abzustimmen.
Der Antragsteller wurde mit Schreiben vom 29.04.2022 zu den Nebenbestimmungen gemäß Ziffern 2 und 3 des Tenors dieses Bescheides angehört. Mit E-Mail vom 04.05.2022 erklärte der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers, keine Einwände gegen die Nebenbestimmungen zu haben.
II. Rechtliche Erwägungen
Dem Antrag war stattzugeben, da er zulässig und begründet ist.
1. Zulässigkeit
Der Antrag ist zulässig.
Er wurde insbesondere fristgemäß (§ 8 Satz 2 WpÜG-Angebotsverordnung) vor der erst nach Wirksamkeit dieses Bescheides zu erwartenden Kontrollerlangung (vgl. hierzu 11.2.1.) gestellt.
Über den Antrag konnte auch vor der Kontrollerlangung des Antragstellers entschieden werden. Das erforderliche Sachbescheidungsinteresse liegt in einem solchen Fall vor, wenn sich die Kontrollerlangung als vorhersehbar (BT-Drs. 14/7034 v. 05.10.2001, S. 81) und aus Gründen der Sicherstellung der ernsthaften Bereitschaft zum Kontrollerwerb als sehr wahrscheinlich (vgl. Krause/Pötzsch/Seiler, in: Assmann/Pötzsch/ Schneider, WpÜG, 3. Aufl. 2020, § 8 WpÜG-Angebotsverordnung, Rn. 8 f.) darstellt. Dies ist vorliegend der Fall.
Die zum Kontrollerwerb führenden Handlungen hängen lediglich vom Willen der Parteien der Rahmenurkunde bzw. der Ergänzungsurkunde ab. Nach den Angaben des Antragstellers ist es geplant, dass Prof. Georg Heinz Nemetschek sein Amt im Stiftungsrat der Nemetschek-Stiftung voraussichtlich noch in diesem Jahr niederlegt und der Antragsteller ihm nachfolgt. Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller damit rechnet/rechnen muss, dass dieser Schritt der Umstrukturierung am Steuervorbehalt oder am WpÜGVorbehalt scheitert, sind vorliegend nicht ersichtlich. Der Kontrollerwerb durch den Antragsteller (vgl. nachfolgend 11.2. 1.) ist daher hinreichend wahrscheinlich im vorgenannten Sinn.
Über den Antrag wurde auch nicht bereits mit Bescheid vom 09.07.2021 (GZ: WA 16-Wp 7000-2021/0005) entschieden. Mit diesem Bescheid wurde
der Antragsteller für den Fall, dass er entweder (i) aufgrund der Poolvereinbarung III, die er mit Prof. Georg Heinz Nemetschek und Herrn Alexander Nemetschek gemäß Abschnitt C § 5 der Rahmenurkunde abgeschlossen hat oder (ii) in Folge der Übernahme eines Amts im Stiftungsrat der Nemetschek-Stiftung und dem damit verbundenen Erwerb der Sonderrechte gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 3-4 der Stiftungssatzung die Kontrolle an der Zielgesellschaft erlangt, von den Pflichten nach § 35 Abs. 1 und 2 WpÜG befreit. Der Bescheid erfasst folglich nur einen Kontrollerwerb des Antragstellers, der auf zwei alternative Wege eintreten kann. Nicht von dem Bescheid erfasst wird der Fall, dass der Antragsteller die Kontrolle an der Zielgesellschaft im Zuge der Umstrukturierung zunächst aufgrund der Poolvereinbarung III und anschließend - nach einem zwischenzeitlichen Kontrollverlust durch Wiederausscheiden aus der Poolvereinbarung III - in Folge der Übernahmeeines Amts im Stiftungsrat der Nemetschek -Stiftung erneut erlangt. So aber liegt der Fall hier. Über den zweiten Kontrollerwerb des Antragstellers im Zuge der Umstrukturierung war daher mit diesem Bescheid separat zu entscheiden.
2. Begründetheit des Antrags
Der Antrag ist auch begründet. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Befreiung des Antragstellers nach § 37 Abs. 1 Var. 5 WpÜG liegen vor, und die Interessen des Antragstellers überwiegen das Interesse der außen stehenden Aktionäre der Zielgesellschaft an einem öffentlichen Pflichtangebot.
2.1 Kontrollerwerb des Antragstellers
Der Antragsteller wird infolge der geplanten Übernahme eines Amts im Stiftungsrats der Nemetschek-Stiftung die Kontrolle an der Zielgesellschaft im Sinne von § 29 Abs. 2 WpÜG erlangen, da ihm ein Stimmrechtsanteil von 45,65 % aus insgesamt 52.727.634 Aktien der Zielgesellschaft zustehen wird.
Der Antragsteller selbst hält unmittelbar 2.850 Aktien der Zielgesellschaft, entsprechend rd. 0,00247 % der Stimmrechte: Weiterhin sind ihm bereits jetzt gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 3 WpÜG die. Stimmrechte aus den 3.144.000 unmittelbar von der Whitehole GmbH & Co. KG gehaltenen Aktien der Zielgesellschaft, entsprechend rd. 2,72 % der Stimmrechte, zuzurechnen. Die Whitehole GmbH & Co. KG ist gemäß § 2 Abs. 6 WpÜG i.V.m. § 17 Abs. 1 AktG ein Tochterunternehmen des Antragstellers. Denn der Antragsteller hält sämtliche Geschäftsanteile an der Komplementärin der Whitehole GmbH & Co. KG, der Whitehole Verwaltungs GmbH, und ist alleiniger Kommanditist der Whitehole GmbH & Co. KG. Wird die KG in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG geführt, die nur einen einzigen Komplementär hat, genügt für die Abhängigkeit in der Regel die mehrheitliche Beteiligung an der Komplementär-GmbH (vgl. BAG, Beschl. v. 15.12.2011 - 7 ABR 56/19 NZG 2012, 754 Rn. 49). Dies folgt daraus, dass ein beherrschender Einfluss insbesondere dann angenor17men wird, wenn - rechtlich abgesichert - die Geschäftspolitik eines anderen Unternehmens bestimmt werden kann (OLG Stuttgart, Beschluss vom 03.12.2008, Az: 20 W 12/08 -, juris Rn. 57). Diese Einflussmöglichkeit ist regelmäßig gegeben, wenn, wie hier, ein Unternehmen oder eine Person Alleingesellschafter der Komplementär -GmbH und gleichzeitig alleiniger Kommanditist ist.
Durch die Übernahme des Amts im Stiftungsrat der Nemetschek-Stiftung werden dem Antragsteller zusätzlich hierzu gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 3 WpÜG die Stimmrechte aus den 4.637.109 unmittelbar von der Nemetschek-Stiftung gehaltenen Aktien der Zielgesellschaft, entsprechend rd. 4,01 % der Stimmrechte, zuzurechnen sein. Denn mit der Übernahme des Amts im Stiftungsrat der Nemetschek-Stiftung wird die Nemetschek-Stiftung zu einem Tochterunternehmen im Sinne von § 2 Abs. 6 WpÜG i.V.m. § 17 Abs. 1 AktG des Antragstellers. Stiftungen sind zwar grundsätzlich nicht als abhängige Unternehmen im Sinne von Art. 17 AktG anzusehen, da eine Beteiligung Dritter an ihnen ausgeschlossen ist. Etwas anderes gilt aber dann, wenn einem Dritten durch die Satzung der Stiftung ein Bestellungs und Abberufungsrecht bezüglich der Leitungsorgane eingeräumt wird. In einem solchen Fall steht dem Dritten ein maßgeblicher Einfluss auf die Zusammensetzung der Leitungsorgane der Stiftung zu, sodass die Stiftung faktisch beherrscht wird (Emmerich in: Emmerich/Habersack § 17 AktG, Rn. 52). So liegt der Fall hier. Mit dem Wirksamwerden der Amtsniederlegung tritt der Antragsteller in die bisher von Prof. Georg Heinz Nemetschek gehaltene Position innerhalb der Nemetschek-Stiftung ein und erlangt die vorstehend unter 1.2 beschriebenen Sonderrechte im Hinblick auf die Abberufung und Ernennung der Mitglieder der Organe der Nemetschek-Stiftung. Ab diesem Zeitpunkt gilt die Nemetschek-Stiftung daher als vom Antragsteller abhängiges Unternehmen im Sinne von§ 17 Abs. 1 AktG und damit gemäß § 2 Abs. 6 als Tochterunternehmen des Antragstellers im übernahmerechtlichen Sinn. Ab diesem Zeitpunkt sind dem Antragsteller daher alle Stimmrechte aus den 4.637.109 Aktien der Zielgesellschaft, entsprechend rund 4,01 % der Stimmrechte, gemäß §§ 30 Abs. 1 Satz 1, Satz 3, 2 Ab s. 6 WpÜG zuzurechnen.
Zudem werden dem Antragsteller alle Stimmrechte zuzurechnen sein, über deren Ausübung sich die Nemetschek-Stiftung als sein Tochterunternehmen mit Dritten im Sinne von § 30 Abs. 2 WpÜG abstimmt. Die Nemetschek-Stiftung stimmt sich mit der N-lntegral GmbH, die 44.943.675 Aktien der Zielgesellschaft,·entsprechend rd. 38,91 % der Stimmrechte, hält, auf Grundlage der Poolvereinbarung II über die Ausübung von Stimmrechten aus Aktien der Zielgesellschaft ab. Diese Abstimmung erfüllt die Voraussetzungen des Zurechnungstatbestandes nach § 30 Abs. 2 WpÜG. Ein abgestimmtes Ver halten setzt nach § 30 Abs. 2 Satz 2 1. Alt. WpÜG voraus, dass sich der Bieter oder sein Tochterunternehmen und der Dritte über die Ausübung von Stimmrechten verständigen. So liegt der Fall hier. Die Poolvereinbarung II sieht vor, dass sich die Parteien über die Ausübung der Stimmrechte aus den von ihnen jeweils gehaltenen Aktien der Zielgesellschaft abstimmen. Unerheblich ist es in diesem Zusammenhang für die Zurechnung von Stimmrechten nach § 30 Abs. 2 WpÜG, dass sich die Nemetschek-Stiftung in der Poolvereinbarung II verpflichtet hat, stets nach den Weisungen der N lntegral GmbH abzustimmen. Nach der Verwaltungspraxis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht ist es für die Erfüllung des Zurechnungstatbestandes nach § 30 Abs. 2 WpÜG unerheblich, ob die sich abstimmende Partei Einfluss auf die Ausübung der der Poolvereinbarung unterliegenden Stimmrechte hat oder nicht (vgl. zu § 34 Abs. 2 WpHG: Emittentenleitfaden der BaFin, Modul B, Stand 30. Oktober 2018 Ziffer 1.2.5.10.3). Der mitgeteilte Sachverhalt bietet auch keine Anhaltspunkte für ein Vorliegen der Einzelfallausnahme in Sinne des § 30 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 WpÜG. Die Poolvereinbarung II ist für einen längeren Zeitraum und ohne jegliche inhaltliche Einschränkung abgeschlossen. Auf Grundlage der Poolvereinbarung II sind dem Antragsteller damit die Stimmrechte aus den 44.943.675 von der N-lntegral GmbH unmittelbar gehaltenen Aktien der Zielgesellschaft gemäߧ 30 Abs. 2 WpÜG zuzurechnen.
Mit der Übernahme des Amts im Stiftungsrat werden dem Antragsteller zu den Stimmrechten aus den von ihm unmittelbar gehaltenen 2.850 Aktien der Zielgesellschaft sowie den ihm zuzurechnenden Stimmrechten· aus den 3.144.000 unmittelbar von der Whitehole GmbH & Co. KG gehaltenen Aktien der Zielgesellschaft somit Stimmrechte aus insgesamt 49.580.784 weiteren Aktien der Zielgesellschaft gern. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 3 WpÜG bzw. § 30 Abs. 2 WpÜG jeweils in Verbindung mit § 2 Abs. 6 WpÜG zuzurechnen sein. Mit Übernahme des Amts im Stiftungsrat wird der Antragsteller daher unmittelbar und mittelbar über Stimmrechte aus 52.727.634 Aktien der Zielgesellschaft verfügen und damit über rund 45,65 % der Stimmrechte in der Zielgesellschaft, wodurch er die Kontrolle über die Zielgesellschaft erlangen wird.
2.2 Befreiungsgrund
Die Voraussetzungen für eine Befreiung des Antragstellers gemäß § 37 Abs. 1 Var. 5 WpÜG von den Pflichten des § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 WpÜG liegen vor.
Nach den rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten des vorliegenden Fall s ist es ausgeschlossen, dass der Antragsteller tatsächlich die Kontrolle über die Zielgesellschaft ausüben kann. Der Antragsteller kann über die Nemetschek-Stiftung keinen Einfluss auf die Zielgesellschaft bzw. im kontrollrelevanten Umfang auf die Ausübung von Stimmrechten aus Aktien der Zielgesellschaft nehmen. Denn die Nemetschek-Stiftung hat sich im Rahmen der Poolvereinbarung II verpflichtet, das Stimmrecht aus allen von ihr gehaltenen Aktien der Zielgesellschaft stets nach den Weisungen der N-lntegral GmbH auszuüben. Auch die Nemetschek-Stiftung ist daher an der Ausübung der Kontrolle über die Zielgesellschaft nicht beteiligt. Demzufolge kann auch die Begründung eines sonstigen beherrschenden Einflusses über die Nemetschek-Stiftung durch den Antragsteller im Zuge der Amtsniederlegung nicht dazu führen, dass der Antragsteller im materiellen Sinn Kontrolle über die Zielgesellschaft ausüben kann.
2.3 Ermessen
Die Erteilung der beantragten Befreiung nach§ 37 Abs. 1 Var. 5 WpÜG liegt im Ermessen der BaFin. In die Abwägung sind die Interessen des Antragstellers und diejenigen der anderen Inhaber der Aktien der Zielgesellschaft ein zustellen. Im Ergebnis überwiegen hier die Interessen des Antragstellers, kein Pflichtangebot nach§ 35 WpÜG an die Aktionäre der Zielgesellschaft unterbreiten zu müssen, die Interessen der Aktionäre der Zielgesellschaft an einem Angebot.
Der formale Kontrollerwerb des Antragstellers bietet den außenstehenden Aktionären keinen Anlass, eine außerordentliche Desinvestitionsentscheidung zu treffen. Vielmehr bleibt die materielle Kontrollsituation letztlich unverändert, da sich die Nemetschek-Stiftung im Rahmen der Poolvereinbarung II den Weisungen der bisher und auch zukünftig die unmittelbare Kontrollposition innehabenden N-lntegral GmbH unterwirft, welche die Nemetschek-Stiftung· weder herbeiführen noch beeinflussen kann. Somit müssen die außenstehenden Aktionäre auch keine transaktionsbedingten Änderungen der Unternehmensführung der Zielgesellschaft erwarten, so dass ihr etwaiges Interesse an einem Pflichtangebot als gering zu bewerten ist und jedenfalls hinter dem Interesse des Antragstellers, nicht mit den Kosten eines Pflichtangebots belastet zu werden, zurückstehen muss.
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