Veröffentlichung des Bescheids der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vom 30. September 2021 über die Befreiung gemäß § 37 Abs. 1, 2 WpÜG von den Verpflichtungen gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 WpÜG in Bezug auf die INTERSHOP Communications, Jena (ISIN DE000A254211)
Mit Bescheid vom 30. September 2021 hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (folgend auch "BaFin") auf entsprechenden Antrag von Herrn Frank Fischer (folgend "Antragsteller"), Hofheim am Taunus von der Verpflichtung gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG befreit, die bevorstehende Kontrollerlangung zu veröffentlichen. Weiter wurde der Antragsteller von den Verpflichtungen gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG befreit, der BaFin eine Angebotsunterlage für ein Pflichtangebot an die Aktionäre der INTERSHOP Communications AG, Jena, zu übermitteln und eine solche Angebotsunterlage zu veröffentlichen. Der Tenor und die wesentlichen Gründe des Befreiungsbescheids werden nachfolgend wiedergegeben.
Der Tenor des Bescheids lautet wie folgt:
1. Der Antragsteller wird für den Fall, dass er aufgrund des Beitritts der Value Focus Beteiligungs GmbH ("Value Focus Beteiligungs GmbH") zu der zwischen der Shareholder Value Management Aktiengesellschaft mit Sitz in Frankfurt am Main und der Shareholder Value Beteiligungen AG mit Sitz in Frankfurt am Main am 06.05.2016 (in der geänderten Fassung vom 15.02.2019) geschlossenen Aktionärsvereinbarung ("Aktionärsvereinbarung") die Kontrolle im Sinne des § 29 Abs. 2 WpÜG über die INTERSHOP Communications AG mit Sitz in Jena erlangt, gemäß § 37 Abs. 1 Var. 5 WpÜG von der Verpflichtung gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG, die Kontrollerlangung an der INTERSHOP Communications AG mit Sitz in Jena zu veröffentlichen sowie von den Verpflichtungen nach § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht eine Angebotsunterlage zu übermitteln und nach § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG in Verbindung mit § 14 Abs. 2 Satz 1 WpÜG ein Pflichtangebot zu veröffentlichen, befreit.
2. Die Befreiung gemäß vorstehender Ziffer 1 dieses Bescheids kann widerrufen werden (Widerrufsvorbehalt), wenn
(i) die Aktionärsvereinbarung (in der ab dem Zeitpunkt des Beitritts der Value Focus Beteiligungs GmbH geltenden Fassung) im Hinblick auf ihren für Abstimmungen über und für das Stimmverhalten in der INTERSHOP Communications AG mit Sitz in Jena, wesentlichen Inhalt, insbesondere Ziffer 3 und 4 der Aktionärsvereinbarung (in der ab dem Zeitpunkt des Beitritts der Value Focus Beteiligungs GmbH geltenden Fassung), nachträglich geändert wird (dies gilt auch für eine Vereinbarung, die die vorgenannte Aktionärsvereinbarung (In der ab dem Zeitpunkt des Beitritts der Value Focus Beteiligungs GmbH geltenden Fassung) ersetzt oder ergänzt), und/oder
(ii) der Antragsteller seinen Stimmrechtsanteil an der INTERSHOP Communications AG mit Sitz in Jena anderweitig einschließlich etwaiger gemäß § 30 WpÜG zuzurechnender Stimmrechte (ohne Berücksichtigung der Stimmrechte, die ihm aufgrund der Aktionärsvereinbarung zuzurechnen sind) auf mindestens 30 % erhöhen.
Der Widerrufsvorbehalt unter Ziffer 2. (i) dieses Bescheids gilt nicht, wenn
a) die der Aktionärsvereinbarung (in der ab dem Zeitpunkt des Beitritts der Value Focus Beteiligungs GmbH geltenden Fassung) unterliegenden Stimmrechte weniger als 30 % der in der INTERSHOP Communications AG mit Sitz in Jena vorhandenen Stimmrechte ausmachen und der Antragsteller seinen Stimmrechtsanteil an der INTERSHOP Communications AG mit Sitz in Jena nicht anderweitig, einschließlich etwaiger gemäß § 30 WpÜG zuzurechnender Stimmrechte auf mindestens 30 % erhöht und / oder
b) eine beherrschende Position des Antragstellers in Bezug auf die Value Focus Beteiligungs GmbH, die zu einer Stimmrechtszurechnung auf den Antragsteller führt, nicht mehr besteht und in diesem Fall auch keine Zurechnung der Stimmrechte aus den von der Value Focus Beteiligungs GmbH unmittelbar gehaltenen Aktien infolge einer Verhaltensabstimmung zwischen dem Antragsteller und der Value Focus Beteiligungs GmbH stattfindet.
3. Die Befreiung gemäß vorstehender Ziffer 1 dieses Bescheids ergeht unter der Auflage, dass der Antragsteller der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht jedes Ereignis, jeden Umstand und jedes Verhalten, das den Widerruf der Befreiung gemäß der vorstehenden Ziffer 2 dieses Bescheids rechtfertigen könnte, unverzüglich mitzuteilen hat.
4. Für die positive Entscheidung über den Befreiungsantrag ist von dem Antragsteller eine Gebühr zu entrichten.
Gründe:
A.
I. Zielgesellschaft
Zielgesellschaft ist die INTERSHOP Communications AG mit Sitz in Jena, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Jena unter der Handelsregisternummer HRB 209419 (nachfolgend "Zielgesellschaft"). Das Grundkapital der Zielgesellschaft beträgt nach einer im Februar 2020 erfolgten Aktienzusammenlegung im Verhältnis 3:1 derzeit EUR 14.194.164,00 und ist eingeteilt in insgesamt 14.194.164 auf den Inhaber lautende Stückaktien mit einem rechnerischen Anteil am Grundkapital von EUR 1,00 je Aktie (nachfolgend die "INTERSHOP-Aktien'').
Die INTERSHOP-Aktien sind zum Handel am regulierten Markt der Frankfurter Wertpapierbörse (Prime Standard) unter der ISIN DE000A 254211 zugelassen.
II. Antragsteller
Der Antragsteller hält unmittelbar keine INTERSHOP-Aktien zu Eigentum.
Der Antragsteller und Frau Fischer (nachfolgend "Frau Fischer") halten jeweils 50% der Geschäftsanteile der Value Focus Beteiligungs GmbH, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Frankfurt am Main unter der Handelsregisternummer HRB 87119 (nachfolgend "Value Focus Beteiligungs Gmbh"). Angabegemäß stimmen der Antragsteller und Frau Fischer ihr Verhalten in Bezug auf die Value Focus Beteiligungs GmbH untereinander ab. Der Antragsteller und Frau Fischer sind zudem jeweils zu einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführern der Value Focus Beteiligungs GmbH bestellt.
Die Value Focus BeteiligungsGmbH hielt zum Zeitpunkt der Antragstellung 178.057 INTERSHOP-Aktien (entspricht 1,25% der Stimmrechte und des Grundkapitals der Zielgesellschaft).
Der Antragsteller ist jeweils Mitglied des derzeit zweiköpfigen Vorstands der Shareholder Value Management Aktiengesellschaft, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Frankfurt am Main unter der HRB 49135 (nachfolgend "SVM AG") und der Shareholder Value Beteiligungen AG, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Frankfurt am Main unter der Handelsregisternummer HRB 51069 (nachfolgend "SVB AG"); der Antragsteller ist jeweils einzelvertretungsberechtigt.
.
III. Aktionärsvereinbarung in Bezug auf die Zielgesellschaft
Zwischen der SVM AG und der SVB AG besteht seit dem 06.05.2016 eine Aktionärsvereinbarung, die zuletzt am 15.02.2019 geändert wurde (nachfolgend die "Aktionärsvereinbarung").
Gemäß Ziffer 1 der Aktionärsvereinbarung arbeiten die SVM AG und die SVB AG hinsichtlich der Ausübung ihrer Eigentümerrechte bei der Zielgesellschaft zusammen. Hierzu koordinieren sie insbesondere ihr Abstimmungsverhalten auf den Hauptversammlungen der Zielgesellschaft und üben ggf. ihre Rechte aus ihren Anteilen gemeinsam aus. Die Vereinbarung ist gemäß Ziffer 3 der Aktionärsvereinbarung auf unbestimmte Zeit geschlossen und kann von der SVM AG oder SVB AG mit einmonatiger Frist zum Monatsende gekündigt werden.
Unter Geltung der Aktionärsvereinbarung haben die SVM AG und die SVB AG im Jahr 2019 ein freiwilliges öffentliches Übernahmeangebot an die Aktionäre der Zielgesellschaft durchgeführt. Ausweislich der am 21.03.2019 veröffentlichten Angebotsunterlage war zu diesem Zeitpunkt der Antragsteller bereits jeweils Mitglied des zweiköpfigen Vorstands der SVM AG und der SVB AG. Zudem ergibt sich aus der Angebotsunterlage, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Angebotsunterlage mit weniger als 1,6 % an der SVB AG beteiligt gewesen ist. Zudem war die Value Focus Beteiligungs GmbH zum Veröffentlichungszeitpunkt mit rund 47,2 % an der SVM AG beteiligt; alleinige Gesellschafter der Value Focus Beteiligungs GmbH waren zu diesem Zeitpunkt der Antragsteller und Frau Fischer.
Die SVM AG hält derzeit 2.192.189 INTERSHOP-Aktien (entsprechend rund 15,44 % der Stimmrechte und des Grundkapitals der Zielgesellschaf t). Die SVB AG hält derzeit 2.610.194 INTERSHOP-Aktien (entsprechend rund 18,39 % der Stimmrechte und des Grundkapitals der Zielgesellschaft). Insgesamt verfügen die SVB AG und SVM AG somit über 4.802.383 INTERSHOP-Aktien (entsprechend rund 33,83 % der Stimmrechte und des Grundkapitals die Zielgesellschaft) (nachfolgend die "Poolgebundenen INTERSHOP-Aktien").
IV. Die Transaktion
1. Am 14.05.2021 haben die SVM AG, SVB AG, die Value Focus Beteiligungs GmbH und die Sachs Assets GmbH, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Darmstadt unter der Handelsregisternummer HRB 88113 (nachfolgend die "Beitretende zu 2)") einen zweiten Nachtrag zur Aktionärsvereinbarung abgeschlossen (nachfolgend "Nachtragsvereinbarung"). Gemäß Ziffer 1 der Nachtragsvereinbarung treten durch Abschluss der Nachtragsvereinbarung sowohl die Value Focus Beteiligungs GmbH als auch die Beitretende zu 2) der Aktionärsvereinbarung bei. Der Beitritt der Value Focus Beteiligungs GmbH und der Beitretenden zu 2) wurde jeweils aufschiebend bedingt vereinbart und wird mit der Erteilung einer Befreiung der Value Focus Beteiligungs GmbH und der Beitretenden zu 2) von den Verpflichtungen gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 WpÜG gern. § 37 Abs. 1 WpÜG zugunsten der Value Focus Beteiligungs GmbH und/oder der Beitretenden zu 2) wirksam.
Sofern der Value Focus Beteiligungs GmbH und/ oder der Beitretenden zu 2) nicht bis spätestens 30.09.2021 ein Bescheid über die Befreiung von den Verpflichtungen gern. § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 WpÜG zugehen sollten, soll die Nachtragsvereinbarung von Anfang an unwirksam sein.
Die Value Focus Beteiligungs GmbH hielt zum Zeitpunkt der Antragstellung weniger als 3% der Stimmrechte und des Grundkapitals der der INTERSHOP-Aktien. Die Beitretende zu 2) hielt zum Zeitpunkt der Antragstellung ebenfalls weniger als 3% der Stimmrechte und des Grundkapitals der INTERSHOP-Aktien.
2. Mit Wirksamwerden der Nachtragsvereinbarung werden sich gemäß Ziffer 3 der Nachtragsvereinbarung die SVM AG und die SVB AG über die Ausübung der Stimmrechte inhaltlich austauschen und abstimmen, wobei diejenige Person, die über weniger Stimmrechte verfügt, im Falle eines Dissenses ihre Stimmrechte entsprechend dem Vorschlag der Partei mit dem größeren Stimmrechtsanteil ausüben muss. Die Person mit dem größeren Stimmrechtsanteil ist derzeit die SVB AG.
Im Rahmen der Abstimmung werden die SVM AG und die SVB AG inhaltliche Beiträge der Value Focus Beteiligungs GmbH und der Beitretenden zu 2) berücksichtigen. Nach Ziffer 4 der Nachtragsvereinbarung sind die Value Focus Beteiligungs GmbH und die Beitretende zu 2) verpflichtet, ihre Aktionärsrechte, inklusive Stimmrechte, entsprechend dem Ergebnis der nach Maßgabe von Ziffer 3 erfolgten Abstimmung zwischen der SVB AG und SVM AG auszuüben, wobei die Verpflichtung unabhängig von der Anzahl der Stimmrechte der Value Focus Beteiligungs GmbH und der Beitretenden zu 2) gilt.
3. Die Aktionärsvereinbarung kann nach Ziffer 5 der Nachtragsvereinbarung von der SVM AG, SVB AG, der Beitretenden zu 2) und der Value Focus Beteiligungs GmbH mit einem Vor lauf von 14 Tagen zum Monatsende gekündigt werden, wenngleich sie grundsätzlich auf unbestimmte Zeit geschlossen ist.
V. Antrag
Mit Schreiben, datierend auf den 14.05.2021 und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht am 06.07.2021 per Fax zugegangen, hat die Value Focus Beteiligungs GmbH sinngemäß beantragt, die Value Focus Beteiligungs GmbH gemäß § 37 Abs. 1 WpÜG von den Verpflichtungen nach § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 WpÜG zu befreien, die aus dem Wirksamwerden des geplanten Beitritts der Value Focus Beteiligungs GmbH zur Aktionärsvereinbarung auf Grundlage der Nachtragsvereinbarung aufgrund der ihr gemäß § 30 Abs. 2 WpÜG zuzurechnenden Stimmrechte entstehen würden.
Mit Schreiben vom 09.09.2021, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht am 10.09.2021 per Fax zugegangen, hat der Antragsteller unter Bezugnahme auf den Antrag der Value Focus Beteiligungs GmbH und deren Antragsbegründung ebenfalls einen Antrag auf Befreiung von den Verpflichtungen gern. § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 WpÜG gestellt.
Der Antragsteller ist insoweit der Auffassung, dass die Befreiung nach § 37 Abs. 1 Var. 5 WpÜG (fehlende tatsächliche Möglichkeit der Kontrollausübung) gerecht fertigt sei, da die Value Focus Beteiligungs GmbH ihre Aktionärsrechte, inklusive Stimmrechte, gemäß Ziffer 4 der Nachtragsvereinbarung gemäß der Entscheidung der SVM AG und SVB AG, welche sich nach Maßgabe von Ziffer 3 der Nachtragsvereinbarung untereinander abstimmen, ausüben werde.
Der Antragsteller wurde mit Schreiben vom 14.09.2021 zu den Widerrufsvorbehalten und den Auflagen angehört. Der Verfahrensbevollmächtige des Antragstellers hat mit E-Mail vom 16.09.2021 vorgetragen, dass der Widerrufsvorbehalt unter Ziffer 2 (i) des Tenors dieses Bescheids zu weit gefasst sei. Nach Ziffer 2 (i) hatte sich die Bundesanstalt den Widerruf für den Fall vorbehalten, dass die Antragsteller selbst Einfluss auf die auf Grundlage der Aktionärsvereinbarung zu treffenden Entscheidungen nehmen können. Insoweit könne der Antragsteller - so der Vortrag des Verfahrensbevollmächtigten - nicht abschließend beurteilen, wann bereits eine Einflussnahmemöglichkeit vorliege. Dies sei mit Blick auf den Antragsteller problematisch, der jeweils Mitglied des zweiköpfigen Vorstands der SVB AG und der SVM AG sei.
Dem Umstand, dass der Antragsteller bereits seit der Durchführung des freiwilligen öffentlichen Übernahmeangebots der SVM AG und SVB AG an die Aktionäre der Zielgesellschaft auf die Stimmrechtsauübung auf Grundlage der Aktionärsvereinbarung in seiner Funktion als Vorstandsmitglied der SVM AG und der SVB AG Einfluss nehmen konnte, wurde durch eine Neufassung der Widerrufsvorbehalte Rechnung getragen.
B.
Dem Antrag war stattzugeben, weil er zulässig und begründet ist. Die Voraussetzungen für eine Befreiung von den Verpflichtungen nach § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs .2 Satz 1 WpÜG liegen vor.
I. Zulässigkeit des Antrags / Trennung der Verfahren
Der Antrag ist zulässig.
Die Antragstellung des Antragstellers erfolgte unter Bezugnahme auf den Antrag der Value Focus Beteiligungs GmbH und deren Antragsbegründung am 10.09.2021 gemäß den Vorgaben des § 45 Satz 1 WpÜG durch Übermittlung eines Schreibens per Fax.
Die Antragstellung erfolgte auch fristgerecht. Gemäß § 8 Satz 2 WpÜG AngebotsVO kann ein Antrag vor Erlangung der Kontrolle über die Zielgesellschaft gestellt werden. Dies ist vorliegend der Fall, da der Antragsteller derzeit noch keine Kontrolle über die Zielgesellschaft hat Die Kontrollerlangung erfolgt erst mit Wirksamwerden der Nachtragsvereinbarung (vgl. hierzu unten Abschnitt B. 11.1. dieses Bescheids), die aufschiebend bedingt ist auf die Stattgabe des Antrags über die Befreiung der Value Focus Beteiligungs GmbH von der Verpflichtung gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 WpÜG.
Darüber hinaus besteht schon jetzt das erforderliche Sachbescheidungsinteresse. Über den Antrag konnte vor der Kontrollerlangung des Antragstellers entschieden werden. Voraussetzung hierfür ist, dass sich die Kontrollerlangung als vorhersehbar (vgl BT -Drucks. 14/7034 v. 05.10.2001, S. 81) und aus Gründen der Sicherstellung der ernsthaften Bereitschaft zum Kontrollerwerb als sehr wahrscheinlich darstellt (vgl. Krause/Pötzsch/Seiler, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG,§ 8 WpÜG -Angebotsverordnung, Rdn. 8 f.; Versteegen, in: Kölner Komm. z. WpÜG, Anh. z. § 37 - § 8 WpÜG -AngVO Rz. 6). Dies ist vor liegend der Fall.
Die Value Focus Beteiligungs GmbH hat mit der SVM AG, SVB AG und der Beitretenden zu 2) die Nachtragsvereinbarung geschlossen, deren Wirksamkeit lediglich unter der aufschiebenden Bedingung steht, dass dem Antrag der Value Focus Beteiligungs GmbH auf Befreiung von der Verpflichtungen nach § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 WpÜG stattgegeben wird. Die Kontrollerlangung der Value Focus Beteiligungs GmbH (vgl. hierzu unten Abschnitt B. 11. 1. dieses Bescheids) hängt somit allein von der Stattgabe des Antrags der Value Focus Beteiligungs GmbH auf Befreiung von den Verpflichtungen nach § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 WpÜG ab. Die Value Focus Beteiligungs GmbH hat damit sämtliche in ihrem Einflussbereich liegenden Erklärungen und Handlungen zum Beitritt zur Aktionärsvereinbarung und der daraus resultierenden Kontrollerlangung vorgenommen.
Der Antragsteller wird zeitgleich mit dem Beitritt der Value Focus Beteiligungs GmbH zur Aktionärsvereinbarung die Kontrolle über die Zielgesellschaf t erlangen, da ihm die Stimmrechte aus den unmittelbar von der Value Focus Beteiligungs GmbH gehaltenen INTERSHOP-Aktien gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 6 WpÜG i.V.m. § 17 AktG i.V.m.. den Grundsätzen über die Mehrmütterherrschaft sowie die Stimmrechte aus den Poolgebundenen INTERSHOP-Aktien aufgrund des zwischen ihm und der Value Focus Beteiligungs GmbH bestehenden Mutter/Tochterverhältnisses i.S.d . § 2 Abs. 6 WpÜG gern. § 30 Abs. 2 Satz 1 WpÜG zuzurechnen sind (vgl. hierzu unten Abschnitt B. 11.1 . dieses Bescheids).
Die Anträge von Frau Fischer und der Value Focus Beteiligungs GmbH auf Befreiung von den Verpflichtungen gern. § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 WpÜG gem. § 37 Abs. 1 WpÜG waren vom vorliegenden Verfahren abzutrennen. Die Abtrennung war erforderlich, da der Antragsteller als jeweiliges Mitglied des zweiköpfigen Vorstands der SVM AG und der SVB AG seit Durchführung des freiwilligen öffentlichen Übernahmeangebots der SVM AG und der SVB AG an die Aktionäre der Zielgesellschaft in seiner Funktion als Vorstandsmitglied auf die Stimmrechtsausübung unter der Aktionärsvereinbarung Einfluss nehmen kann (diese Einflussnahmemöglichkeit Frau Fischer und der Value Focus Beteiligungs GmbH aber gerade nicht zusteht) und daher die Entscheidung über den Antrag des Antragstellers auf Befreiung von den Verpflichtungen gern. § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 WPÜG gem. § 37 Abs. 1 WPÜG unter abweichenden Voraussetzungen, v.a. abweichenden Nebenbestimmungen, ergehen muss.
II. Begründetheit
Der Antrag ist auch begründet. Jedenfalls liegen die Voraussetzungen für eine Befreiung des Antragstellers gemäß § 37 Abs. 1 Var. 5 WpÜG (fehlende tatsächliche Möglichkeit der Kontrollausübung) vor. Das Interesse des Antragstellers an einer Befreiung von den Verpflichtungen nach § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 WpÜG überwiegt das Interesse der außenstehenden Aktionäre der Zielgesellschaft an einem öffentlichen Pflichtangebot.
1. Kontrollerlangung durch den Antragsteller
Der Antragsteller wird infolge des Wirksamwerdens der Nachtragsvereinbarung, d.h. mit dem damit verbundenen Beitritt der Value Focus Beteiligungs GmbH zur Aktionärsvereinbarung, die Kontrolle an der Zielgesellschaft gemäß §§ 29 Abs. 2, 35 WpÜG erlangen.
Die Value Focus Beteiligungs GmbH wird infolge des Wirksamwerdens der Nachtragsvereinbarung, d.h. mit dem damit verbundenen Beitritt zur Aktionärsvereinbarung, die Kontrolle an der Zielgesellschaft gemäß §§ 29 Abs. 2, 35 WpÜG erlangen, da ihr mit Wirksamwerden der Nachtragsvereinbarung ein Stimmrechtsanteil im Umfang von 36,87 % der Stimmrechte aus insgesamt 5.232.713 INTERSHOP-Aktien zustehen wird:
Zum einen hält die Value Focus Beteiligungs GmbH selbst unmittelbar INTERSHOP-Aktien im Umfang von weniger als 3% der Stimmrechte und des Grundkapitals der Zielgesellschaft.
Zum anderen sind der Value Focus Beteiligungs GmbH mit Wirksamwerden der Nachtragsvereinbarung über den Beitritt zur Aktionärsvereinbarung weitere rund 36 % der Stimmrechte aus der entsprechenden Anzahl INTERSHOP -Aktien gemäß § 30 Abs. 2 Satz 1 WpÜG zuzurechnen, im Einzelnen:
- rund 34 % der Stimmrechte aus den Poolgebundenen INTERSHOP-Aktien und
- rund 1,78 % der Stimmrechte aus der entsprechenden Anzahl von INTERSHOP-Aktien, die die Beitretende zu 2) unmittelbar hält.
Denn ab dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Nachtragsvereinbarung unterliegt die Value Focus Beteiligungs GmbH den entsprechenden Bindungen, insbesondere mit Blick auf die Vereinbarung über die Koordinierung der unter der Aktionärsvereinbarung gebündelten Stimmrechte aus von der SVM AG und der SVB AG sowie der Beitretenden zu 2) gehaltenen INTERSHOP-Aktien der Zielgesellschaft.
Dem Antragsteller wird mit Wirksamwerden der Nachtragsvereinbarung ein Stimmrechtsanteil im Umfang von rund 36 % der Stimmrechte aus der entsprechenden Anzahl von INTERSHOP -Aktien zustehen.
Dabei sind dem Antragsteller die Stirnmrechte aus den unmittelbar von der Value Focus Beteiligungs GmbH gehaltenen INTERSHOP-Aktien (entsprechend rund 1,25 % der Stimmrechte und des Grundkapitals der Zielgesellschaft) gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 6 WpÜG i.V.m. § 17 AktG i.V.m. den Grundsätzen über die Mehrmütterherrschaft zuzurechnen. Voraussetzung für eine Mehrmütterherrschaft ist, dass die gemeinsame Beherrschung des Tochterunternehmens auf Dauer gesichert ist. Grundlage hierzu können nicht nur vertragliche oder organisatorische Bindungen, sondern auch rechtliche und tatsächliche Umstände sonstiger Art bilden (vgl. BGH, Urt. v. 04.03.1974 - Az. II ZR 89/ 72), mitunter personelle Verflechtungen in Form von Personenidentität oder paritätisch beteiligte Familienstämme (vgl. BAG, Beschl. v. 16.08.1995 - Az. 7 ABR 57/94). Dies ist vorliegend der Fall.
Der Antragsteller und Frau Fischer halten als Eheleute jeweils 50 % der Geschäftsanteile der Value Focus Beteiligungs GmbH. Zwar spricht die paritätische Beteiligung des Antragstellers und Frau Fischer und eine zwischen der dem Antragsteller und Frau Fischer bestehende Ehe nicht alleine für eine Mehrmütterherrschaft. Allerdings stimmen der Antragsteller und Frau Fischer angabegemäß ihr Verhalten in Bezug auf die Value Focus Beteiligungs GmbH untereinander ab. Hinzu kommt. dass der Antragsteller und Frau Fischer jeweils zu einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführern der Value Focus Beteiligungs GmbH bestellt sind. Insoweit kann die Angabe des Antragstellers nicht widerlegt werden, dass keine Beherrschung der Value Focus Beteiligungs GmbH durch den Antragsteller gemeinsam mit Frau Fischer auf Grundlage der Grundsätze über die Mehrmütterherrschaft stattfindet. Eine mehrfache Abhängigkeit eines Tochterunternehmens aufgrund der Grundsätze der Mehrmütterherrschaft führt dazu, dass das Tochterunternehmen in konzernrechtlich relevanten Beziehungen zu jeder der ihm gegenüber als Einheit auftretenden Mütter steht (vgl. Emmerich, in: Emmerich/Habersack, in: Aktien- und GmbH- KonzernR, 9. Auf l. 2019, § 17 Rz. 32).
Die Stimmrechte aus den Poolgebundenen INTERSHOP-Aktien sind dem Antragsteller aufgrund des zwischen ihm und der Value Focus Beteiligungs GmbH bestehenden Mutter-/Tochter Verhältnisses i.S.d. § 2 Abs. 6 WpÜG gem.§ 30 Abs. 2 Satz 1 WpÜG zuzurechnen.
Schließlich sind dem Antragsteller aufgrund des zwischen ihm und der Antragstellerin zu 1) bestehenden Mutter-/ Tochterverhältnisses i.S.d. § 2 Abs. 6 WpÜG zudem die Stimmrechte aus den unmittelbar von der Beitretenden zu 2) gehaltenen 252 .273 INTERSHOP-Aktien (entsprechend rund 1,78 % der Stimmrechte und des Grundkapitals der Zielgesellschaft), die der Aktionärsvereinbarung bereits wirksam beigetreten ist, gemäß § 30 Abs. 2 Satz 1 WpÜG zuzurechnen.
2. Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 37 Abs. 1 Var. 5 WpÜG
Die Voraussetzungen für eine Befreiung des Antragstellers gemäß § 37 Abs. Var. 5 WpÜG von den Pflichten des § 35 Abs. 1 Sat z 1 und Abs. 2 Satz 1 WpÜG liegen vor. Die fehlende tatsächliche Möglichkeit zur Ausübung der Kontrolle rechtfertigt es, (auch) unter Berücksichtigung der Interessen der anderen Inhaber von Aktien der Zielgesellschaft eine Befreiung von den Verpflichtungen nach § 35 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 WpÜG auszusprechen.
Nach den rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten des vorliegenden Falls ist es ausgeschlossen, dass der Antragsteller - in seiner Funktion als Gesellschafter und Geschäftsführer der Value Focus Beteiligungs GmbH - infolge des Kontrollerwerbs der Value Focus Beteiligungs GmbH durch ihren Beitritt zur Aktionärsvereinbarung tatsächlich die Kontrolle über die Zielgesellschaft ausüben kann. Die Value Focus Beteiligungs GmbH kann im Rahmen der Aktionärsvereinbarung weder Einfluss auf die Zielgesellschaft noch im kontrollrelevanten Umfang auf die Ausübung von Stimmrechten aus INTERSHOP-Aktien nehmen. Die im Rahmen der Aktionärsvereinbarung zu treffenden Entscheidungen bestimmt nach den in der Nachtragsvereinbarung vorgesehenen vertraglichen Gestaltungen und unter Berücksichtigung der Anzahl der von der SVM AG und der SVB AG gehaltenen INTERSHOP-Aktien derzeit allein die SVB AG, nicht aber die Value Focus Beteiligungs GmbH. Denn nach Ziffer 3 der Nachtragsvereinbarung werden sich die SVM AG und die SVB AG über die Ausübung der Stimmrechte inhaltlich austauschen und abstimmen, wobei diejenige Person, die über weniger Stimmrechte verfügt, im Falle eines Dissenses über die Stimmrechtsausübung ihre Stimmrechte entsprechend dem Vorschlag der Partei mit dem größeren Stimmrechtsanteil ausüben muss. Die Person mit dem größeren Stimmrechtsanteil ist derzeit die SVB AG.
Demgegenüber ist die Value Focus Beteiligungs GmbH nach Ziffer 4 der Nachtragsvereinbarung verpflichtet, ihre Aktionärsrechte, inklusive Stimmrechte, entsprechend dem Ergebnis der nach Maßgabe von Ziffer 3 erfolgten Abstimmung zwischen der SVB AG und SVM AG auszuüben, wobei die Verpflichtung unabhängig von der Anzahl der Stimmrechte der Value Focus Beteiligungs GmbH gilt.
Dementsprechend kommt auch dem Antragsteller, vermittelt über seine Beteiligung an der Value Focus Beteiligungs GmbH und in seiner Funktion als Geschäftsführer der Value Focus Beteiligungs GmbH, keine Möglichkeit zu, Einfluss auf die Zielgesellschaft oder im kontrollrechtlich relevanten Umfang auf die Ausübung von Stimmrechten aus INTERSHOP-Aktien, die der Aktionärsvereinbarung unterfallen, zu nehmen.
3. Ermessen
Befreiungen nach § 37 WpÜG stehen im Ermessen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. In der Ermessensabwägung sind die Interessen der Antragsteller an der Befreiung dem Interesse der übrigen Aktionäre der Zielgesellschaft an der Durchführung eines Pflichtangebots gegenüberzustellen (vgl. Schmiady, in: Steinmeyer, WpÜG, § 37 Rz. 56)
Unschädlich ist im vorliegenden Fall, dass der Antragsteller in seinem Antrag nicht dargelegt hat, weshalb ihr Interesse an einer Befreiung von den Pflichten gern. § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 WpÜG den Interessen der anderen Aktionäre der Zielgesellschaft an einem Pflichtangebot überwiegt. Eine solche Darlegung bietet sich im Interesse der Antragsteller an einer Befreiung an, rechtlich erforderlich ist sie hingegen nicht (vgl. Seiler, in Assmann/Pötzsch/Schnei der, WpÜG, § 8 WpÜG-AngVO Rz. 7).
Bei Abwägung der Interessen der anderen Aktionäre der Zielgesellschaft an einem Pflichtangebot mit dem Interesse des Antragstellers an einer Befreiung von den Verpflichtungen des § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 WpÜG überwiegen die Interessen des Antragstellers deutlich.
Der formale Kontrollerwerb des Antragstellers bietet den außenstehenden Aktionären keinen Anlass, eine außerordentliche Desinvestitionsentscheidung zu treffen. Vielmehr bleibt die materielle Kontrollsituation letztlich unverändert. So kann sich die Value Focus Beteiligungs GmbH als Tochterunternehmen des Antragstellers i.S. des § 2 Abs. 6 WpÜG bei Entscheidungen im Rahmen der Aktionärsvereinbarung nie durchsetzen. Darüber hinaus bleibt auch die materielle Kontrollsituation im Hinblick auf den Antragsteller unverändert. Denn der Antragsteller war bereits zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Angebotsunterlage zum freiwilligen öffentlichen Übernahmeangebot der SVM AG und der SVB AG an die Aktionäre der Zielgesellschaft jeweils einzelvertretungsberechtigtes Vorstandsmitglied des zweiköpfigen Vorstands der SVM AG und der SVB AG und hatte in dieser Funktion bereits die Möglichkeit, auf die Stimmrechtsausübung auf Grundlage der Aktionärsvereinbarung Einfluss zu nehmen. An dieser Einflussnahmemöglichkeit hat sich durch den vorliegend in Frage stehende Beitritt der Value Focus Beteiligungs GmbH zur Aktionärsvereinbarung nichts geändert.
Somit müssen die außenstehenden Aktionäre auch keine transaktionsbedingte Änderung in der Unternehmensführung der Zielgesellschaft erwarten, so dass ihr etwaiges Interesse an einem Pflichtangebot als gering zu bewerten ist und jedenfalls hinter dem Interesse des Antragstellers, nicht mit den Kosten eines Pflichtangebots belastet zu werden, zurückstehen muss.